Bei Continental in Bebra (Nordhessen) und Mühlhausen (Thüringen) haben fast 92 Prozent der Belegschaften am 15. Juli für einen unbefristeten Streik gestimmt, um die Arbeitsplätze zu verteidigen. Die Kampfbereitschaft ist riesig. „Streikbereit – wir wollen starten und nicht erst auf den Henker warten“, heißt es auf einem Plakat im thüringischen Mühlhausen.
Anstatt jedoch den Streik auszurufen, setzen IG Metall und IG BCE am heutigen Mittwoch, den 21. Juli, die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung fort. „Vor dem Hintergrund von jüngsten, kleinen Verhandlungsfortschritten“, schreibt IGM-Bezirksleiter Jörg Köhlinger, „gibt die IG Metall dem Unternehmen nunmehr eine letzte Chance, den Arbeitskampf am Verhandlungstisch noch zu vermeiden.“ Die IG Metall sei „bereit für eine Lösung der Vernunft am Verhandlungstisch“, versichert auch IGM-Sekretär Dr. Matthias Ebenau.
Die Betriebsräte und Gewerkschaftssekretäre wollen einen Streik zur Verteidigung aller Arbeitsplätze verhindern, weil sie fürchten er könnte eine Kettenreaktion auslösen. Sie stimmen mit der Unternehmensleitung überein und verfolgen in Bebra und Mühlhausen das Ziel, die aus ihrer Sicht „notwendige“ Liquidierung von weiteren fast 500 Arbeitsplätzen durchzusetzen, ohne dass es zu einem sozialen Aufstand der Conti-Arbeiter kommt.
Die Verhandlungen über einen Sozialvertrag dienen nicht der Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern sind der Weg die Vernichtung der Arbeitsplätze gegen den erklärten Widerstand der Beschäftigen durchzusetzen.
Bezeichnenderweise schreibt Carola Rühl, Betriebsratsvorsitzende eines weiteren Conti-Werks in Schwalbach/Taunus: „In Schwalbach ist es uns nach zähem Ringen letztlich gelungen, den unabwendbaren Personalabbau sozialverträglich abzuwickeln.“ In Schwalbach hat die IG Metall damit der Vernichtung von 220 Arbeitsplätzen zugestimmt. Weitere Beispiele dieser „sozialverträglichen“ – das heißt: von Gewerkschaft und Betriebsrat organisierten – Arbeitsplatzvernichtung sind das Aachener Reifenwerk mit 1.800 Stellen, der Standort Karben mit 1088 Arbeitsplätzen, sowie Babenhausen, wo die Fertigung mit 2.570 Beschäftigten bis 2025 geschlossen wird.
An all diesen Standorten waren die Arbeiter kampfbereit. Mitte Mai hatten die Arbeiter in Karben einen von der IG Metall und der Geschäftsführung ausgearbeiteten Sozialtarifvertrag abgelehnt. Die Gewerkschaft reagierte darauf mit Einschüchterungsversuchen und setzte eine weitere Abstimmung gegen eine leicht veränderte Version des Vertrags durch, die ebenfalls die Schließung des Werks bis zum Jahr 2025 vorsieht. Ein ähnliches Prozedere steht nun auch für Bebra und Mühlhausen auf der Tagesordnung.
Es ist offensichtlich, dass die Gewerkschaften keinen prinzipiellen Kampf um die Arbeitsplätze führen. Der Continental-Konzern hat vor über einem Jahr beschlossen, 30.000 Stellen abzubauen und Dutzende Standorte zu schließen, und die IG Metall spielt dabei die Schlüsselrolle. Nicht zufällig ist die zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, auch stellvertretende Vorsitzende des Continental-Aufsichtsrats, wofür sie fürstlich, mit mehreren hunderttausend Euro im Jahr, honoriert wird. Zweifellos ist sie seit langem in alle Pläne involviert.
Der Kahlschlag, der zunächst mit der Corona-Pandemie begründet wurde, zielt jetzt offen darauf ab, den zweitgrößten Autozulieferer der Welt für den verschärften Konkurrenzkampf am Weltmarkt fit zu machen und den Profit der Aktionäre und Investoren zu steigern. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Umstellung auf Elektromobilität, was den Werksverbund Bebra–Mühlhausen unmittelbar betrifft. Die Werke gehören zu Vitesco Technologies: Unter diesem Namen will Continental seine bisherige Sparte Powertrain für Antriebstechnologie im September an die Börse bringen. Größte Vitesco-Standorte sind in Nürnberg (2300 Beschäftigte) und Regensburg (3000 Beschäftigte).
Als die Abspaltung von Vitesco im Mai beschlossen wurde, führte dies sofort zu einer Steigerung der Gewinnerwartung von Continental um mindestens einen Prozentpunkt, von 5–6 Prozent auf 6–7 Prozent, was zeigt, dass die Aktionäre vollstes Vertrauen in die Umsetzung des Sparkurses haben. Um vom E-Boom zu profitieren, will sich Vitesco künftig auf Elektroantriebe konzentrieren. Für solche Standorte wie Mühlhausen, die bisher Steuerungstechnik für Verbrennermotoren gefertigt hatten, haben die Manager dann keine Verwendung mehr.
So ist bereits seit September 2020 bekannt, dass das Werk in Mühlhausen mit 160 Arbeitsplätzen bis Ende 2022 geschlossen wird. Auch in Regensburg werden 2.100 Vitesco-Stellen dem Profit zum Opfer fallen. In Mühlhausen haben die Conti-Arbeiter schon im Januar versucht, durch eine Blockade den Abtransport von Maschinen zu verhindern.
Die Kampfbereitschaft der Arbeiter steht außer Zweifel. Das Problem ist jedoch, dass die IG Metall und IG BCE nicht auf der Seite der Arbeiter, sondern der Unternehmensleitung steht und deren Perspektive vertritt. Die Funktionäre dieser Gewerkschaften sind Meister darin, Arbeiter mit Aktionen zu beschäftigen. Sie organisieren Straßensperren, 24-Stundenstreiks, Gottesdienste am Tor, Ballon-, Trillerpfeifen und Trommelaktionen und vieles mehr. Aber diese Proteste machen genau dort Halt, wo der Kampf erst beginnt: bei den kapitalistischen Profitinteressen.
Die DGB-Gewerkschaften orientieren sich vollkommen am Wohlergehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland, von dem ihre Funktionäre bestens leben. Deshalb unterstützen sie auch bei Continental die Transformation, der gegenwärtig 30.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen. Und deshalb weigern sie sich in Bebra und Mühlhausen einen Streik zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu organisieren.
Die Arbeiter von Bebra und Mühlhausen haben sich in der Urabstimmung mit 91,7 Prozent für den unbefristeten Streik entschieden. Sie müssen diesen Streikbeschluss umsetzen und gegen den Widerstand der Gewerkschaften durchsetzen. Sie müssen das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen und diesen Streik zum Ausgangspunkt für einen tatsächlichen, gemeinsamen Arbeitskampf aller Conti-Arbeiter an allen Standorten machen!
Der erste Schritt muss darin bestehen, mit der IG Metall und der IG BCE und ihren bankrotten Methoden zu brechen, die nur in die Sackgasse führen. Die World Socialist Web Site schlägt vor, dass die Arbeiter an jedem Standort unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die es ihnen ermöglichen, sich über alle Standort- und Landesgrenzen zusammenzuschließen, um die Arbeitsplätze gemeinsam zu verteidigen.
Der Konzern, mit dem die Conti-Arbeiter konfrontiert sind, und mit dem die IG Metall heute paktiert, verdankt seine einflussreiche Stellung als Dax-Konzern ursprünglich der Nazizeit. Auf der Grundlage der faschistischen Gewaltherrschaft konnte er sich durch Belieferung der Rüstungsindustrie für den Zweiten Weltkrieg maßlos bereichern. Dabei schreckte er auch vor extremer Grausamkeit nicht zurück. Hier nur ein Beispiel, auf das Wikipedia hinweist: Continental setzte KZ-Häftlinge ein, um die Haltbarkeit von Gummischuhsohlen auszutesten. Dabei mussten die Unglücklichen im Kreis rennen, so lange sie konnten, und wer hinfiel, wurde erschossen. Die Gummisohlen hielten für 2200 Kilometer.
Die heutige Besitzerin von Continental, die Schaeffler-Familie, gehört zu den reichsten deutschen Milliardärsfamilien. Ihre Manager haben bereits die Verluste aus der Börsenkrise von 2008 durch Druck auf die Arbeiter, durch Entlassungen und Lohnraub kompensiert. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie zeigen sie wieder offen ihre Bereitschaft, über Leichen zu gehen.
Während immer weitere Betriebsschließungen und Massenentlassungen diktiert werden, hat der Konzern einen neuen Aufschwung seiner Profite verzeichnet und im ersten Quartal 2021 die Erwartungen der Analysten übertroffen. Die Autowoche schreibt: „Vor allem die deutlichen Fortschritte bei der Profitabilität verhalfen der Conti-Aktie am Freitag zum Sprung an die Dax-Spitze.“ Dies hat weder den Konzern, noch die Gewerkschaftsbürokraten veranlasst, auf die Entlassungen zu verzichten.
Es ist Zeit, gegen diesen Konzern und seine Lakaien in der Gewerkschaftsbürokratie einen entschlossenen Kampf aufzunehmen! Jeder Arbeiter, der sich dazu entschließt, kann mit der Unterstützung der World Socialist Web Site, der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) und aller Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze rechnen!