„Wir sind an einem schlimmen Punkt angelangt: In den USA werden mehr Kinder mit Covid ins Krankenhaus eingeliefert als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt der Pandemie, und diese Zahl wird mit Ausbreitung der Delta-Variante weiter steigen“; - Dr. Heather Haq, Baylor College of Medicine, 9. August 2021.
Die Vereinigten Staaten haben ihre Position als globales Epizentrum der Covid-19-Pandemie zurückerobert. Grundlegend für diese kriminelle „Errungenschaft“ der amerikanischen herrschenden Elite ist die schnelle Übertragung der Delta-Variante, die nun für mehr als 93 Prozent aller sequenzierten Fälle verantwortlich ist.
Jeder seriöse Epidemiologe und Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens hatte davor gewarnt, dass der Verzicht auf Schutzmaßnahmen, so auch die Aufhebung der Maskenpflicht in den USA, ein Rezept für eine Katastrophe darstellt. Jetzt ist die Katastrophe da.
In der vergangenen Woche gab es fast 700.000 neue Covid-19-Fälle, was einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber der Vorwoche entspricht. Die Zahl der Todesopfer lag in der vergangenen Woche bei 3.500, was einem Anstieg von 13 Prozent gegenüber der Vorwoche entspricht, wobei die Zahl der Todesfälle ein Spätindikator ist. Sie werden schneller zunehmen. Alle Bundesstaaten der USA melden einen Anstieg der täglichen Fallzahlen. Die aktuelle Gesamtbilanz der Pandemie in den USA beläuft sich auf 36,63 Millionen Covid-19-Infektionen und über 633.000 Todesfälle.
Laut Covid-Tracker der vom Gesundheitsministerium betriebenen Centers for Disease Control (CDC), die für die Bekämpfung von Epidemien zuständig sind, liegt der tägliche aktuelle Sieben-Tage-Durchschnitt um 683 Prozent über dem Tiefststand, der am 19. Juni 2021 beobachtet wurde. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Covid-Tests kaum um 15 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass die amerikanische Gesellschaft im Blindflug in einen neuen pandemischen Sturm hinein rast.
Aktuell liegt der Sieben-Tage-Durchschnitt an positiven Tests bei knapp 10 Prozent. Der Sieben-Tage-Durchschnitt für neue Krankenhauseinweisungen von Patienten mit bestätigtem Covid-19 in den Vereinigten Staaten lag in der ersten Augustwoche bei 8.308 Fällen, was einem Anstieg von 22 Prozent gegenüber der letzten Juliwoche entspricht. Insgesamt befinden sich derzeit 66.477 Menschen wegen Komplikationen durch Covid in US-Krankenhäusern.
Ein Großteil des derzeitigen Anstiegs findet in den südlichen US-Bundesstaaten - Florida, Louisiana, Arkansas und Missouri - statt, in denen die Covid-Impfrate relativ niedrig war, was noch verstärkt wurde durch den Widerstand gegen die Umsetzung von Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Virus. Der ehemalige Leiter der Arzneimittelbehörde FDA, Dr. Scott Gottlieb, warnte jedoch kürzlich, dass in den nördlichen Bundesstaaten ein rascher Anstieg der Fälle zu erwarten sei, sobald die Kinder wieder zur Schule gingen.
„Die nördlichen Bundesstaaten sind für die Ausbreitung, die wir im Süden gesehen haben, eher unempfindlich, aber sie sind nicht völlig unempfindlich. Die Herausforderung besteht jetzt darin, dass die Infektion mit dem Schulbeginn zusammenfällt“, erklärte er in der Sendung Face the Nation am Sonntag.
Der Direktor der National Institutes of Health, Dr. Francis Collins, sagte auf ABC News: „Und jetzt zahlen wir einen schrecklichen Preis, da die Infektionen schnell ansteigen, die meisten Fälle natürlich bei ungeimpften Menschen.“
In den USA ist gerade mal die Hälfte der Bevölkerung geimpft worden, und etwa 90 Millionen Menschen haben noch keine einzige Dosis erhalten. Collins weiter: „Bei fast allen Todesfällen handelt es sich um ungeimpfte Menschen. Und das sind jetzt jüngere Menschen, auch Kinder. Die bisher größte Anzahl von Kindern im Krankenhaus während der gesamten Pandemie haben wir jetzt: 1.450 Kinder sind wegen Covid-19 im Krankenhaus.“
Die Kinderärztevereinigung American Academy of Pediatrics, die eine gute Quelle für Informationen über Covid-19 bei Kindern ist, weiß zu berichten, dass seit Beginn der Pandemie fast 4,3 Millionen Kinder positiv auf das Virus getestet wurden. Von den fast 700.000 Covid-Neuinfektionen, die in der ersten Augustwoche in den USA bestätigt wurden, waren 94.000 Kinder. Die Positivrate der Tests bei Kindern liegt zwischen 4,8 und 17,6 Prozent, was unterstreicht, dass die Zahl der Infektionen bei Kindern stark unterschätzt wird.
Der Bundesstaat Mississippi sieht seine intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten nahezu erschöpft. Der Gesundheitsbeauftragte des US-Bundesstaates, Dr. Thomas Dobbs, teilte der Presse mit, dass in etwa 20 der wichtigsten Krankenhäuser des Bundesstaates keine Betten auf der Intensivstation zur Verfügung stünden. Am Montag drängten sich in vielen Krankenhäusern des Bundesstaates mehr als 200 Menschen in den Notaufnahmen und warteten auf Einweisung.
Dobbs berichtete über die Statistiken des Gesundheitsministeriums des Bundesstaates Mississippi auf twitter: „Heute meldet das MSDH 6.912 weitere Fälle von Covid-19 in Mississippi, 28 Todesfälle und 153 laufende Ausbrüche in Langzeitpflegeeinrichtungen.“
In Louisiana werden die Rekorde für Covid-Krankenhauseinweisungen fast täglich gebrochen. Die Zahl der Covid-Aufnahmen ist auf den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Im Laufe des Wochenendes bestätigte der Staat mehr als 12.200 Neuinfektionen, womit die Zahl der Infektionen in sieben Tagen einen neuen Höchststand von 28.239 erreicht hat. Am Sonntag befanden sich landesweit 2.720 Patienten in Krankenhäusern.
In Florida stellte Darlene Andrews, Pflegerin in den AdventHealth-Krankenhäusern im Raum Orlando, fest, dass sechs von sieben Krankenhäusern inzwischen mehr als „nur“ voll ausgelastet waren. Über eine Belegung mit 123 Prozent berichtete sie dem Wall Street Journal. Die Wartezeiten in den Notaufnahmen für Betten werden immer länger. Dies ist gefährlich für instabile Covid-Fälle oder auch andere dringende medizinische Notfälle. Der Leiter der Klinik Neil Finkler sagt klipp und klar: „Dieser Anstieg ist wie ein Güterzug auf uns zugerast.“
Die beiden bevölkerungsreichsten Staaten des US-Südens, Texas und Florida, haben die reaktionärsten, wissenschaftsfeindlichsten und - im wahrsten Sinne des Wortes - menschenfeindlichsten Regierungen und Behörden.
Der Gouverneurs von Florida Ron DeSantis gab eine Erklärung ab, wonach die Gehälter von leitenden Beamten der Schulaufsicht einbehalten werden können, wenn diese eine Maskenpflicht an Schulen durchsetzen.
Sein Regierungsbüro hat vor kurzem eine Durchführungsverordnung zum Verbot von Masken in Schulen erlassen, in der es heißt: „Die Bildungsfinanzierung soll in erster Linie den Schülern zugute kommen, nicht den Systemen. Die Prioritäten des Gouverneurs sind der Schutz der Elternrechte und die Gewährleistung, dass jeder Schüler Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung hat, die seinen individuellen Bedürfnissen entspricht.“
Solche reaktionären Äußerungen und Manöver sind durch politisches Kalkül motiviert und lassen jegliche Sorge um die öffentliche Gesundheit und die Sicherheit der Bevölkerung außer Acht. Und dabei hat der republikanische Gouverneur Partner unter den Demokraten, trotz deren vorgetäuschter erbitterter Feindschaft: Das Weiße Haus und die Infektionsschutzbehörde CDC sind ebenso unempfänglich für die Forderungen der Wissenschaft, wenn sie anordnen, dass Kinder wieder in Präsenz in den Schulen unterrichtet werden. Dies wird Masseninfektionen und unzählige Todesfälle zur Folge haben.
In ähnlicher Weise hat sich der texanische Gouverneur Greg Abbott entschieden gegen jegliche Maskenpflicht ausgesprochen, während die Gesundheitsbehörden vor einer Überlastung der Intensivstationen im Raum Austin warnen. Das Covid-19-Modellierungskonsortium der University of Texas prognostiziert derweil folgendes Szenario: Wenn sich die Pandemie nicht verlangsamt, sei es so gut wie sicher, dass die Öffnung von Schulen die Übertragung insgesamt erhöht, was die ohnehin schon unhaltbare Situation weiter verschärft.
Als der Bürgermeister von San Antonio Abbotts Verbot der Maskenpflicht als „Gefahr für die Sicherheit unserer Kinder“ kritisierte, gab das texanische Regierungsbüro folgende Erklärung ab: „Gouverneur Abbott hat deutlich gemacht, dass wir uns auf die persönliche Verantwortung verlassen müssen, nicht auf staatliche Vorschriften. Jeder Texaner hat das Recht, für sich und seine Kinder zu entscheiden, ob er Masken tragen, sein Geschäft öffnen oder sich impfen lassen will.“
Niemand hat das „Recht“, andere Menschen unter den Bedingungen einer tödlichen Pandemie zu infizieren oder zu töten - nicht einmal der Gouverneur von Texas. Dies ist eine Erklärung, die nichts mit den Rechten des Einzelnen zu tun hat, sondern mit der Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber dem Massensterben.
Und bei allem Getue um das „Recht zu wählen“ werden die Kinder in Texas und im ganzen Land ohne jegliche Rechte in die Schulen zurückgeschickt. Dies betrifft insbesondere ihr Recht, frei von einer Krankheit zu sein, die den Tod oder - in Form von Long Covid - eine langfristige und möglicherweise dauerhafte körperliche und geistige Behinderung zur Folge hat.
Wie der Tweet von Dr. Heather Haq, Assistenzprofessorin in der Abteilung für Pädiatrie am Baylor College of Medicine, feststellte, haben die USA mit 259 Kindern, die am 7. August ins Krankenhaus eingeliefert wurden, einen schlimmen Meilenstein erreicht: An einem Tag wurden mehr Kinder wegen Covid ins Krankenhaus eingeliefert als zu jedem anderen Zeitpunkt der Pandemie.
Die steigende Zahl von Kinderkrankenhausaufenthalten weckt bei den Gesundheitsbehörden die Sorge, dass mit der Wiedereröffnung der Schulen die Kinder in den Mittelpunkt der aufkeimenden Gesundheitskrise rücken werden. Die Frage ist nicht mehr, ob sie sich infizieren, sondern wie krank sie werden. Dr. Richard Malley, Spezialist für pädiatrische Infektionskrankheiten am Bostoner Kinderkrankenhaus, sagte der New York Times: „Alle sind ein wenig nervös wegen der Möglichkeit, dass die Delta-Variante bei Kindern tatsächlich in irgendeiner Weise gefährlicher sein könnte.“
Um es ganz offen zu sagen: Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mit dem Leben der Kinder zu experimentieren und schon gar nicht, um die Wiederöffnung der Schulen zu erleichtern, damit die Eltern wieder zur Arbeit gehen können, um Profite zu erwirtschaften und den absurden Reichtum der kapitalistischen Elite zu vergrößern. Ein Epidemiologe sprach es ganz offen aus: Die nächste Phase der Coronavirus-Tragödie, von der Millionen von Kindern betroffen sind, wird die „Pandemie der Unschuldigen“ sein.
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