Unterstützt den Kampf der Lokführer und Zugbegleiter! Baut unabhängige Aktionskomitees auf!

Der Streik der Lokführer und Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn verdient die uneingeschränkte Solidarität der gesamten arbeitenden Bevölkerung.

Vordergründig geht es bei dem Streik darum, ob das Zugpersonal den Preis für die Coronakrise zahlt, während sich das Management die Taschen vollstopft und die Börsen boomen. Die Bahn will für das laufende Jahr eine Nullrunde diktieren, obwohl sich die Inflationsrate der Fünf-Prozent-Marke nähert. Das bedeutet eine massive Reallohnsenkung.

GdL-Chef Weselsky und streikende Lokführer am Berliner Ostbahnhof

Doch dahinter steckt eine viel grundlegendere Frage. Die führenden Vertreter von Wirtschaft und Politik nutzen die Corona-Pandemie für einen Frontalangriff auf alle Errungenschaften und Rechte der Arbeiterklasse – und das nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Zwei Jahrzehnte nach der „Agenda 2010“ der Regierung Schröder – die Hartz IV, Niedriglöhne, Rentenkürzungen und massive Steuersenkungen für die Reichen beinhaltete – holen sie zu einer weitergehenden Offensive aus. Aus ihrer Sicht ist dies unerlässlich, um den Börsenboom in Gang zu halten, ihre riesigen Vermögen weiter zu steigern und neue Kriege zu finanzieren.

Selbst Menschenleben sind in der Pandemie zu einem reinen Kostenfaktor geworden. Der britische Primer Boris Johnson – der laut ausspricht, was andere seinesgleichen denken – hat eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellen lassen, laut der 50.000 Covid-Tote im Jahr ein „akzeptables Maß“ sind und die Rettung eines Patienten maximal 30.000 Pfund kosten darf. Sogar Sklaven wurden einst teurer gehandelt!

In Deutschland sind offiziell 93.000 und weltweit 4,5 Millionen Menschen gestorben, weil sich die Herrschenden geweigert haben, umfassende Lockdowns und andere Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Pandemie in wenigen Wochen hätte unterdrückt werden können. Kaum hatten Bundesregierung, EU und EZB Billionenhilfen für die Wirtschaft beschlossen, wurden Betriebe, Büros und Schulen wieder weit aufgerissen, damit die Profite weiter sprudelten.

Für die Reichen ist die Pandemie ein lohnendes Geschäft. In Deutschland stieg die Zahl der Milliardäre im Pandemiejahr 2020 von 107 auf 136, ihr Vermögen von 447 auf 625 Milliarden Dollar. Um diese Bereicherungsorgie in Gang zu halten, müssen sie die Ausbeutung der Arbeiterklasse ständig verschärfen.

Ob bei der Bahn, im öffentlichen Nahverkehr, in den Krankenhäusern, bei den Paket- und Lieferdiensten oder in der Auto- und Zulieferindustrie: Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter sind frustriert und empört, weil Schichtdienste und Überstunden immer unerträglicher, die Bezahlung immer schlechter, die Aussicht auf Arbeitslosigkeit und ein Lebensende in Armut größer werden. Sie alle suchen einen Weg, dagegen anzukämpfen.

Das ist der Grund, weshalb die große Mehrheit der Arbeiterklasse den Bahnstreik trotz der damit verbundenen Unannehmlichkeiten begrüßt. Und das ist auch der Grund weshalb sich die Bahn derart provokativ verhält, obwohl ihr Angebot und die Forderung der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) nicht allzu weit auseinanderliegen. Bahnchef Richard Lutz spielt den Scharfmacher, doch hinter ihm steht die Bundesregierung, der die Bahn zu 100 Prozent gehört. Sie will an den Lokführern und Zugbegleitern ein Exempel statuieren und unter allen Umständen verhindern, dass ihr Beispiel Schule macht.

Denn in vielen Betrieben und Unternehmen gärt es. Zeitgleich mit der zweiten Runde des Bahnstreiks protestierten in Berlin Siemens-Arbeiter gegen Arbeitsplatzabbau und Pflegerinnen und Pfleger streikten gegen die unerträglichen Arbeitsbedingungen in den Kliniken. In den USA haben die Arbeiter des LKW-Bauers Volvo Trucks und des Autozulieferers Dana mit großer Mehrheit von den Gewerkschaften vereinbarte Knebelverträge zurückgewiesen, nachdem sie vorher unabhängige Aktionskomitees gegründet hatten. Ähnliche Kämpfe gibt es in vielen anderen Ländern.

Die Lokführer und Zugbegleiter kämpfen nicht nur gegen das Bahn-Management und die Bundesregierung, sondern auch gegen die Gewerkschaften. DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, sind dem Streik öffentlich in den Rücken gefallen. Die Gewerkschaften haben längst aufgehört, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. Sie sind zu Co-Managern und Betriebspolizisten geworden, die den Klassenkampf ablehnen und unterdrücken. Das gilt nicht nur für die EVG, die Hausgewerkschaft der Bahn, sondern auch für Verdi, die IG Metall und alle anderen Gewerkschaften.

Die Lokführergewerkschaft GDL bildet dabei keine Ausnahme. GDL-Chef Claus Weselsky steht zwar unter enormem Druck, weil die Lokführer und Zugbegleiter es satt sind, dass die finanzielle Sanierung der Bahn auf ihren Knochen ausgetragen wird. Zudem ist die Existenz der GDL durch das reaktionäre Tarifeinheitsgesetz gefährdet. Es wäre jedoch eine gefährliche Illusion, deshalb auf Weselsky zu vertrauen.

Die GDL ist genauso der Sozialpartnerschaft verpflichtet, wie alle anderen Gewerkschaften. Weselsky selbst ist sogar Mitglied der Kanzlerinnenpartei CDU. Er hat alle früheren Tarifrunden mit einem faulen Kompromiss beendet, der zu Reallohnsenkungen und jahrelanger Friedenspflicht führte. Auch die jetzige Forderung der GDL deckt bei weitem nicht die Inflation.

Vor allem lehnt die GDL jene breite Mobilisierung ab, die unbedingt nötig ist, um den Streik zum Erfolg zu führen. Die zeitliche Beschränkung der einzelnen Streiks macht es der Bahn leicht, sich darauf einzustellen und rechtzeitig zu reagieren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der jetzige Streik fünf Tage – vom 2. bis 6. September – statt wie die ersten beiden zwei Tage dauert.

Die gesamte Geschichte der Arbeiterbewegung zeigt, dass nur ein unbefristeter Streik den Gegner in die Knie zwingen kann. Das jedoch lehnt Weselsky kategorisch ab. „Ich spreche im Eisenbahnsystem nie über unbefristete Arbeitskämpfe,“ beantwortete er eine entsprechende Frage im Interview mit der FAZ.

Statt sich an die breite Masse der Arbeiter zu wenden, stützt sich Weselsky auf den konservativen Beamtenbund, dem die GDL angehört. Selbst den reaktionären Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, lud er als Gastredner zu einer GDL-Streikkundgebung ein. Innerhalb der Bahn treibt die GDL einen Keil zwischen das fahrende Personal und die Angestellten der Verwaltung, wo Weselsky Stellenkürzungen fordert.

Um den Kampf gegen die Angriffe der Bahn und der herrschenden Klasse zu führen, müssen neue Kampforganisationen aufgebaut werden, die unabhängig von den Gewerkschaften und ihren Funktionären in den Betrieben sind – ein Netzwerk von Aktionskomitees, die von Arbeitern kontrolliert werden und nur ihnen gegenüber verantwortlich sind.

Diese Komitees müssen die Beschäftigten mit Informationen versorgen, demokratisch über Forderungen entscheiden, eine Kampfstrategie entwickeln und die Verhandlungen über Arbeitsbedingungen und Tarifverträge überwachen. Sie müssen sich bundesweit vernetzen und Kontakte zu Arbeitern in anderen Ländern und Branchen aufbauen.

Die Vierte Internationale (IKVI) hat im April die Initiative zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ergriffen, um „einen Rahmen für neue Formen unabhängiger und demokratischer Kampforganisationen von Arbeitern in Fabriken, Schulen und Betrieben auf internationaler Ebene zu schaffen“.

„Mit dieser Initiative,“ heißt es in der Erklärung dazu, „wollen das IKVI und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien eine globale Gegenoffensive der Arbeiterklasse einleiten und entwickeln – eine Offensive gegen die mörderische Politik der herrschenden Kapitalistenklasse und ihrer Regierungen, die für die weltweite Katastrophe verantwortlich sind.“

Inzwischen gibt es zahlreiche unabhängige Aktionskomitees, die – wie bei Volvo Trucks und Dana in den USA – die Arbeiter erfolgreich gegen den Ausverkauf durch die Gewerkschaften mobilisiert haben.

Der Aufbau eines Netzwerks von Arbeiterkomitees ist kein Ersatz für den Aufbau einer neuen Partei, die die Interessen der Arbeiter vertritt. Ernsthafte praktische Schritte setzen ein Programm und Prinzipien voraus. Gerade in Deutschland hat dies eine lange Tradition. Vor den Gewerkschaften bauten die Arbeiter hier im 19. Jahrhundert die SPD auf, die damals unter dem Banner des Marxismus für ein sozialistisches Programm kämpfte.

Heute sind die Lokführer und Zugbegleiter auf Schritt und Tritt mit politischen Aufgaben konfrontiert. Alle im Bundestag vertretenen Parteien, einschließlich der SPD und der Linken, lehnen ihren Streik vehement ab. So forderte der Spitzenkandidat der Linken, Dietmar Bartsch, ein Einschreiten von Kanzlerin Angela Merkel, um den Streik zu beenden. „Ein dritter Streik wäre komplett unzumutbar,“ sagte er der dpa. „Die Bundeskanzlerin muss den Streik verhindern und den Bahnkonzern anweisen, die Forderungen zu erfüllen. Allein schon aus Pandemiegründen muss dieses Theater beendet werden.“

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt zur Bundestagswahl an, um eine neue Massenpartei in der Arbeiterklasse aufzubauen, die für ein sozialistisches und internationales Programm kämpft. „Kein gesellschaftliches Problem kann gelöst werden, ohne die Banken und Konzerne zu enteignen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse zu stellen,“ heißt es in ihrem Wahlaufruf.

Wir laden die streikenden Eisenbahner und alle, die nicht bereit sind, die wachsende soziale Ungleichheit, die mörderische Pandemiepolitik und die Rückkehr zum Militarismus hinzunehmen, ein, Kontakt zur SGP aufzunehmen und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees zu diskutieren. Unterstützt den Wahlkampf der SGP und werdet Mitglied!

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