Berlin: 20.000 protestieren gegen unbezahlbare Mieten

20.000 Teilnehmer beteiligten sich am Samstagnachmittag in Berlin an einer Demonstration unter dem Motto: „Wohnen für alle! Gemeinsam gegen hohe Mieten und Verdrängung“. Sie begann mit einer Auftaktkundgebung am Alexanderplatz, führte von dort zum Brandenburger Tor und weiter in Richtung Großer Stern, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

Demonstration gegen zu hohe Mieten in Berlin, 11. September 2021 (Foto WSWS)

Organisiert wurde der Protest vom „Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“. Neben einer Vielzahl von Initiativen nahmen auch Vertreter von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften daran teil. Auch aus anderen Städten – u.a. aus Hamburg im Norden und Ludwigshafen im Süden des Landes – waren Delegationen gekommen. Prominent vertreten war die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, die in Berlin einen Volksentscheid für die Enteignung großer Immobilienkonzerne initiiert hat. Er findet am 26. September gleichzeitig mit der Bundestags- und der Berliner Abgeordnetenhauswahl statt.

Das Aktionsbündnis fordert einen Kurswechsel in der Mieten- und Wohnungspolitik, der Mieten wieder bezahlbar macht. Dies soll durch Maßnahmen wie die Enteignung großer Immobilienkonzerne, einen bundesweiten Mietendeckel, den Stopp der Umwandlung in Eigentum, von Eigenbedarfskündigungen und von Räumungen u.ä. erreicht werden.

Ebenfalls am Samstagnachmittag fand in Berlin eine „Tanzdemo“ mit dem Titel „Wem gehört die Stadt? Gemeinsam gegen soziale Spaltung“ statt, die von Friedrichshain über die Leipziger Straße und den Potsdamer Platz nach Tempelhof zog.

Die Mietenfrage ist eine der dringendsten sozialen Fragen in der Hauptstadt, aber auch in anderen großen Städten. Seit Jahren steigen die Mieten dramatisch an. Während sich Immobilienhaie eine goldene Nase verdienen, ist es für Familien kaum noch möglich, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Nicht selten müssen Mieter mehr als die Hälfte des Haushaltseinkommens für Mietzahlungen aufwenden.

Aus diesem Grund kam es in den letzten Jahren immer öfter zu Demonstrationen und Protesten gegen hohe Mieten und Miethaie, die daraus Profit ziehen. Als das Bundesverfassungsgericht im April den sogenannten Berliner Mietendeckel kippte, protestierten spontan 10.000 Menschen dagegen. Bereits wenige Tage davor waren bei einer Mietendemonstration 10.000 auf die Straße gegangen.

Nun machten die Demonstrationsteilnehmer erneut ihrem Ärger über die unhaltbaren Zustände Luft. Die WSWS sprach mit Volker. Er lebt seit mehr als 25 Jahren in Berlin. Als er aus dem Westen Deutschlands in die Hauptstadt zog, hatte er trotz relativ geringem Einkommen eine „schöne kleine Wohnung in der Nähe zum Arbeitsplatz“ beziehen können. Vor fünf Jahren musste er umziehen, nun gibt er mehr als das Doppelte für die monatliche Miete aus. „Wenn die Mieten weiter so steigen, lande ich irgendwann auf der Straße,“ ist seine Befürchtung.

„Ich werde auf jeden Fall mit Ja stimmen beim Volksentscheid,“ meint Volker. Dass die Immobilienkonzerne für die Enteignung entschädigt werden, sieht er allerdings sehr kritisch. „Jeden Cent den die bekommen, ist einer zu viel.“

Unterstützer der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), die mit eigenen Landeslisten zur Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl antritt, verteilten den Aufruf „Die Enteignung der Miethaie erfordert eine sozialistische Perspektive.“ Er stieß auf großes Interesse.

Die SGP ruft dazu auf, beim Volksentscheid über die Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Immobilienkonzerne mit Ja zu stimmen. Sie warnt aber, dass eine wirkliche Enteignung nur im Kampf gegen den rot-rot-grünen Senat auf der Grundlage eines sozialistischen Programms durchgesetzt werden kann.

Der Senat hat bereits erklärt, dass er das Ergebnis des Volksentscheids als „rechtlich unverbindlich“ betrachtet und ein positives Ergebnis ignorieren wird. Die SPD und die Linkspartei, die gemeinsam mit den Grünen den Senat bilden, haben in den letzten zwanzig Jahren die führende Rolle dabei gespielt, hunderttausende öffentliche Wohnungen für einen Spotpreis an Immobilienkonzerne zu verscherbeln und die Infrastruktur, die Kliniken und den öffentlichen Dienst der Hauptstadt kaputtzusparen.

Das hinderte die Linkspartei und die Grünen allerdings nicht daran, sich scheinheilig an die Demonstration anzubiedern. Klaus Lederer, der Spitzenkandidat der Linkspartei für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, lief ebenso mit, wie die grüne Bundestagskandidatin Canan Bayram.

Die Spitzenkandidatin der SPD, Franziska Giffey, reagiert dagegen geradezu hysterisch auf die Forderungen der Demonstranten. Mit ihr als Regierender Bürgermeisterin wollen aber sowohl die Linkspartei wie die Grünen den nächsten Senat bilden.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, dessen Chef Reiner Hoffmann auf das Übelste gegen die Lokführer hetzt, die für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfen, war auf der Demonstration mit ihrem Vorstandsmitglied Stefan Körzell vertreten.

Im Aufruf der SGP heißt es dazu: „Die SGP verfolgt eine völlig andere Strategie als die Initiatoren des Volksentscheids. Wir setzen nicht auf die etablierten Parteien und Gewerkschaften, sondern auf die unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, die sich weltweit mit großer Dynamik entwickelt. …

Ziel der SGP ist es, der Opposition und den Kämpfen der Arbeiterklasse eine sozialistische Orientierung zu geben, sie international zu vereinen und – gemeinsam mit ihren Schwesterparteien in der Vierten Internationale – eine sozialistische Massenpartei aufzubauen.“

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