Im August stieg die jährliche Inflationsrate offiziell auf 3,9 Prozent. Im Juni hatte der Anstieg noch bei 2,3 Prozent gelegen. Die Preise für Waren und Dienstleistungen steigen so stark wie seit 28 Jahren nicht mehr. Im Dezember 1993 hatte die Inflationsrate in Deutschland mit 4,3 Prozent zum letzten Mal höher gelegen.
Europaweit ist die Inflation auf drei Prozent gestiegen, in den USA hat sie bereits die fünf Prozent überschritten. Die Preissteigerungen treffen vor allem die Arbeiterklasse und besonders stark Geringverdiener, Alleinerziehende und arme Rentner.
Die Preise für Energie- und Lebensmittelpreise sind besonders stark gestiegen. Die Energiepreise lagen im August 12,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Der Preis für Heizöl erhöhte sich um 57,3, für Kraftstoffe/Benzin um 26,7, für Erdgas um 4,9 und für Strom um 1,7 Prozent. Bei den Energiepreisen schlägt auch die zu Beginn des Jahres eingeführte CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne zu Buche, die bis zum Jahr 2025 schrittweise auf 55 Euro ansteigen soll.
Die Preise für Nahrungsmittel stiegen um 4,6 Prozent. Gemüse verteuerte sich um 9, Molkereiprodukte und Eier um 5 Prozent. Auch die Preise für Gebrauchsgüter wie Autos stiegen um 5,5, für Möbel und Leuchten um 4 Prozent. Kleidung, Artikel für Körperpflege, Blumen, Zeitungen und Zeitschriften wurden ebenfalls entsprechend teurer. Der Preisanstieg in Restaurants beträgt inzwischen 10 bis 20 Prozent.
Bei Heizung, Energie, Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, deren Preise überdurchschnittlich stiegen, sind Einsparungen für Normal- und Geringverdiener-Haushalte besonders schwierig. Die Inflation trifft also Arbeiter und Arme besonders hart und überproportional, weil sie den größten Teil ihres Einkommens für diese Dinge ausgeben müssen.
Aufgrund der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise bleibt in vielen Haushalten nicht genug zum Leben übrig. Dabei sind die in den letzten Jahren explosionsartig gestiegenen Mieten noch gar nicht voll beinhaltet.
Vor allem in den Metropolregionen haben sich die Mieten im Zeitraum von 2016 bis 2020 stark erhöht. In München ist der Quadratmeterpreis um 12,4 Prozent auf 18,48 Euro im ersten Quartal 2021 gestiegen, in Frankfurt/Main um 14,5 Prozent auf 15,75 Euro, in Stuttgart um 14,7 Prozent auf 14,74 Euro, in Berlin um 8,6 Prozent auf 13,68 Euro, in Hamburg um 10,8 Prozent auf 13,50 Euro. Die Preise beziehen sich auf Wohnungen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden. (Quelle: Handelsblatt vom 28. April 2021)
In Berlin stiegen die Mieten bereits im Zeitraum 2009 bis 2019 um mehr als 100 Prozent. „Diese Entwicklung,“ so das Handelsblatt, „lässt sich nicht auf den städtischen Raum beschränken. Das Phänomen der stetig steigenden Mietpreise lässt sich deutschlandweit und siedlungsstrukturübergreifend beobachten.“ Auch in jüngster Zeit stiegen die Mieten kräftig an, auch wenn die Geschwindigkeit des Anstiegs etwas abnahm.
Die Brisanz der Mietpreisentwicklung macht auch eine Veröffentlichung des DGB Niedersachsen deutlich.
„An der Mietenschraube wird inzwischen überall gedreht,“ heißt es in #schlaglicht (Nr. 30/2021). „Sogar in ländlichen Regionen und kleineren Gemeinden rasen die Preise nach oben. Besonders prekär aber ist die Lage in Großstädten – auch in Niedersachsen: Über die Hälfte aller Mieterhaushalte in Hannover, Oldenburg und Osnabrück müssen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete hinblättern. In Göttingen, Braunschweig und Wolfsburg sieht es kaum besser aus. In Summe fehlen in diesen sechs Städten 86.000 bezahlbare Wohnungen.“
Geringverdiener, so die Veröffentlichung, denen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen, müssen durchschnittlich etwa 50 Prozent für die Miete ausgeben. Bundesweit bleibt etwa 2,1 Millionen Menschen nach Abzug von Miete und Nebenkosten weniger als das Existenzminimum übrig. Betroffen sind vor allem Alleinerziehende und Paare mit Kindern.
Verlogen sind die Forderung nach einem Mietenstopp und einem Mindestlohn von 12 Euro von Seiten des DGB. Die Gewerkschaften sitzen selbst in der Kommission, die den Mindestlohn festsetzt. Er liegt auf einem extrem niedrigen Niveau und steigt nur wenige Cent im Jahr. Seit dem 1. Juli 2021 beträgt er 9,60 Euro, am 1. Juli 2022 soll er auf 10,45 Euro steigen.
Gleichzeitig haben die Gewerkschaften dafür gesorgt, dass die Arbeiter trotz der tödlichen Pandemie-Gefahren in den Betrieben blieben, um Profite für die Unternehmen zu erwirtschaften. Sie unterstützen auch die Öffnung der Schulen, obwohl dies Millionen Kinder der Gefahr der Durchseuchung mit dramatischen Langzeitfolgen und unvermeidlichen Todesfällen aussetzt. Alles dafür, um die Eltern zur Arbeit zu zwingen und die Profite-vor-Leben-Politik durchzusetzen.
Die Gewerkschaften haben während der Pandemie in vielen Branchen Nullrunden oder extrem niedrige Tarifabschlüsse mit mehrjährigen Laufzeiten vereinbart, die nun zur Folge haben, dass die Reallöhne massiv sinken.
So hat die IG Metall die anstehende Lohnrunde für die 3,8 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie 2020 bis zum Ende des Jahres ausgesetzt und für dieses Jahr einen Abschluss vereinbart, der keine prozentuale Erhöhung, sondern nur eine Einmalzahlung von 500 Euro vorsieht.
Für Stahlarbeiter hat die IG Metall einen ähnlichen Tarifvertrag abgeschlossen. Sie sollen Ende 2021 und Anfang 2022 Einmalzahlungen in Höhe von je 250 Euro und 2023 von 600 Euro erhalten. Während die Bundesregierung den Konzernen und Banken Hunderte Milliarden Euro an Unterstützungspaketen zukommen ließ, gehen die Arbeiter leer aus.
Auch bei VW, das über einen eigenen Haustarifvertrag verfügt, hat die IG Metall Reallohnsenkungen vereinbart. Eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent soll erst ab 1. Januar 2022 in Kraft treten und eine Laufzeit bis 30. November 2022 haben. Die prozentuale Lohnerhöhung beträgt damit nur 1,15 Prozent im Jahr, weit weniger als die Inflationsrate.
Bei der Deutschen Bahn hat die DGB-Gewerkschaft EVG für das laufende Jahr eine Nullrunde vereinbart. Dagegen rebellieren Lokführer, Zugbegleiter, Fahrdienstleiter, Servicemitarbeiter und Werkstattarbeiter, die bei der Konkurrenzgewerkschaft GDL organisiert sind. Die Forderungen der GDL – 3,2 Prozent Lohnerhöhung bei einer Laufzeit von 28 Monaten – reicht allerdings auch nicht aus, um die Reallohnverluste auszugleichen.
Die Abschlüsse der Gewerkschaften sind teilweise so niedrig, dass es zum ersten Mal seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2007 zu nominalen Lohnsenkungen gekommen ist. Die Bruttomonatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen fielen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozent. Die Verbraucherpreise stiegen um knapp 0,5 Prozent. Somit blieb den Beschäftigten real 1,1 Prozent weniger Lohn und Gehalt. Mit dem Anstieg der Inflation verschärft sich diese Entwicklung enorm.
Rentner sind sowohl von der Inflation wie von der negativen Lohnentwicklung besonders stark betroffen. Da sich die Rentenentwicklung nach der Lohnentwicklung des Vorjahres richtet, gab es dieses Jahr im Westen keine Rentenerhöhung und im Osten Deutschlands nur eine sehr geringe.
In vielen Bereichen entwickelt sich Widerstand gegen sinkende Löhne, wachsenden Arbeitsstress und angekündigte Massenentlassungen. Pflegekräfte, Lokführer, Flughafenarbeiter und Lieferdienstfahrer – um nur einige zu nennen – protestieren und streiken gegen unerträgliche Arbeitsbedingungen und Angriffe auf Löhne und Arbeitsplätze.
Dieser Kampf erfordert eine internationale, sozialistische Perspektive und den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei als Teil der Vierten Internationale. Dafür kämpft die SGP bei den Bundestagswahlen am 26. September 2021.