Wer ist verantwortlich für den rechtsextremen Mord in Idar-Oberstein?

Auch eine Woche nach dem Mord in Idar-Oberstein sind Menschen schockiert und in tiefer Trauer über die entsetzliche Bluttat. Vor der Tankstelle, in der am vergangenen Samstagabend der 20-jährige Student und Kassierer Alexander W. kaltblütig erschossen wurde, befinden sich viele Kerzen und Blumen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich um einen rechtsextremen Terrorakt handelte. Der Täter, der 49-jährige Mario N. stammt aus dem rechtsradikalen Querdenker-Milieu, das alle Corona-Maßnahmen vehement ablehnt. Er schoss Alexander W. frontal in den Kopf, nachdem ihn dieser zwei Stunden zuvor in der Tankstelle aufgefordert hatte, eine Maske zu tragen.

Rechtsextreme "Querdenker" protestieren am 21. April 2021 in Berlin (AP Photo/Markus Schreiber)

Nach seiner Verhaftung rechtfertigte W. die Tat als Kampf gegen die Corona-Maßnahmen. Zum Motiv hat er laut Oberstaatsanwalt Kai Fuhrmann angegeben, dass ihn die Situation „stark belaste“. Er habe sich in die Ecke gedrängt gefühlt und „keinen anderen Ausweg gesehen“, als ein Zeichen zu setzen. Das Opfer schien ihm dabei „verantwortlich für die Gesamtsituation, da es die Regeln durchgesetzt habe“, so Fuhrmann.

Auch in den sozialen Medien machte N. aus seiner rechtsradikalen Gesinnung keinen Hehl. Ein ihm zugeschriebener Twitter-Account folgt u.a. den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Beatrix Storch, rechten Medien wie Tichy’s Einblick und dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und notorischen Rechtsextremisten Hans-Georg Maaßen.

Vieles deutet daraufhin, dass N. Teil der umfassenden rechtsextremen Terrorstrukturen ist, die bis tief in die Armee, Polizei und Geheimdienste hineinreichen, Todeslisten mit mehreren tausend Zielpersonen führen und einen rechten Umsturz planen. In der Wohnung von W. wurden neben der Tatwaffe – einem großkalibrigen Revolver der Marke Smith & Wesson – weitere illegale Waffen und Munition sichergestellt.

Seinen rechtsextremen Gewalt- und Terrorphantasien ließ W. schon vor Beginn der Corona-Pandemie freien Lauf. Anfang 2019 tweetete er: „Ich freue mich auf den nächsten Krieg. Ja, das mag sich jetzt destruktiv anhören, aber wir kommen aus dieser Spirale nicht mehr raus.“

Auf die Frage eines anderen Users, ob er Soldat bei der Bundeswehr sei, antwortete N.: „Nein, nicht mehr, aber es finden sich immer Wege.“ Dann drohte er: „Meine Muskeln sind gespannt, mein Geist geschärft. Gnade denen welche diese Situation heraufbeschworen haben. Oder, nein, Gnade wäre unrecht.“

Ähnlich wie bei früheren rechtsextremen Terroranschlägen heucheln führende Politiker ihr Entsetzen, waschen ihre Hände in Unschuld und verweisen auf die Verantwortung der AfD und ihres Umfelds.

Sie erschüttere „der furchtbare Mord an einem jungen Mann, der nur darum bat, die geltenden Regeln zu befolgen, umsichtig und solidarisch zu sein“, schrieb die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf Twitter. „Die Radikalisierung des Querdenkermilieus“ bereite ihr „große Sorgen“.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb auf Twitter, seine Gedanken seien bei den Angehörigen des Mordopfers. Nun müsse man sich „als Gesellschaft dem Hass entschlossen entgegenstellen“.

Armin Laschet, der Kanzlerkandidat von CDU/CSU, forderte bei einem Wahlkampfauftritt in Fulda, eine „harte Bestrafung“ des Täters.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ute Vogt, erklärte, die AfD habe „seit ihrem Einzug in den Deutschen Bundestag erheblich dazu beigetragen, dass Hass und Hetze auf den Straßen und in den sozialen Medien enorm angestiegen sind“. Die Partei habe „schnell das Potenzial erkannt und die ‚Querdenker‘-Szene für sich genutzt“.

Ähnlich äußerten sich die Innenpolitiker von Linkspartei, Grünen, Union und FDP.

Die AfD sei „der oberste Agent der politischen Radikalisierung in Deutschland“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Indem Rechtsextremisten während der Corona-Pandemie ihre wirren Diktaturvorwürfe verbreiteten“, trügen „sie eine Mitverantwortung für die Radikalisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen, zu denen auch der Täter aus Idar-Oberstein gehört“.

All diese Beileidsbekundungen und Schuldzuweisungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verantwortung für den rechten Terror nicht nur bei der AfD und anderen rechtsextremen Gruppierungen liegt, sondern bei der herrschenden Klasse insgesamt. Sie hat systematisch das ideologische Klima und die politischen Voraussetzungen für rechtsextreme Terrortaten wie die in Idar-Oberstein geschaffen. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Zunächst ist da die mörderische Corona-Politik selbst. Im gesamten Verlauf der Pandemie stellten alle Regierungsparteien, von CDU/CSU bis Linkspartei, die Profite der Wirtschaft über das Leben der Bevölkerung und lehnten konsequente Maßnahmen zur Ausrottung des Virus ab. Mit der jüngsten Aufweichung der Corona-Schutzmaßnahmen folgt die herrschende Klasse ganz offen der Linie der AfD, die seit langem ein Ende aller Maßnahmen und die „Rückkehr zu Normalität“ fordert.

Die „Profite vor Leben“-Politik, die allein in Deutschland mehr als 93.000 Menschenleben gekostet hat, ging von Anfang an mit einer Kampagne in Politik und Medien einher, die faschistische Züge trägt und sich den Argumenten der Corona-Leugner bedient.

Zu Beginn der Pandemie war es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich, der Covid-19 als gewöhnliche Grippe abtat und sich gegen eine Maskenpflicht stellte.

Als es darum ging, den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 zu beenden, erklärte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) – unter dem Applaus des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland –, das Recht auf Leben sei nicht „absolut“ vom Grundgesetz geschützt. Seither denunzieren Politiker aller Parteien lebensrettende Corona-Schutzmaßnahmen bis hin zu Impfungen als Angriff auf „Freiheitsrechte“.

Um die Öffnungspolitik durchzusetzen und die breite Opposition dagegen einzuschüchtern, haben Vertreter aller Bundestagsparteien immer wieder die rechtsextremen Querdenker-Demonstrationen unterstützt.

Bezeichnenderweise veröffentlichte die CDU nur zwei Tage nach dem Mord an Alexander W. einen Wahlwerbespot, der dazu aufruft, „gerade mit denen“ zu reden, „die eine kritische Haltung haben“. Gemeint sind die rechtsextremen Querdenker.

Im CDU-Video ist ein gewisser Thomas Brauner zu sehen, der zu den bekanntesten Vertretern des rechtsextremen und gewaltbereiten Milieus der Corona-Leugner gehört. Ende April hatte Brauner zusammen mit anderen Querdenkern ein Kamerateam des Fernsehsenders Welt im Berliner Regierungsviertel so massiv bedrängt, dass die Reporter ihre Arbeit unterbrechen mussten.

Die Kritik von SPD, Linkspartei und Grünen an Laschet und der CDU ist pure Heuchelei. Auch Vertreter aus ihren Reihen haben immer wieder erklärt, man dürfe die Querdenker nicht ausgrenzen und – wie die Fraktionsvorsitzende der Grünen im sächsischen Landtag, Franziska Schubert, oder der Linken-Fraktionsvize im Bundestag, Andrej Hunko – sogar an deren Demonstrationen teilgenommen.

Der Spitzenkandidat der Linkspartei bei den Bundestagswahlen, Dietmar Bartsch, hatte nach der ersten rechtsextremen Corona-Demonstration in Berlin am 1. August 2020 fast wortgleich mit Laschet und der CDU gefordert, dass man sich auf die Teilnehmer einlassen müsse. „Sie abzustempeln und auszugrenzen hilft nicht,“ sagte Bartsch damals im Deutschlandfunk. „Es sind auch Rechtsextremisten dabei und wirklich auch Wahnsinnige, aber auch viele Menschen, die, ja, aus Unmut dort teilgenommen haben.“

Wie direkt gerade auch die Linkspartei für den Aufstieg der extremen Rechten verantwortlich ist, zeigt sich vor allem in Thüringen. Dort nimmt der „linke“ Ministerpräsident Bodo Ramelow gegenwärtig den von der AfD unterstützten CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen in Schutz. Einen Aufruf des Vereins Campact, Maaßen durch einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu verhindern, verurteilte er als eine nicht zulässige Einflussnahme auf „eine freie Wahl“.

Ramelows Verteidigung der Galionsfigur der extremen Rechten kommt nicht überraschend. Gerade in Thüringen, wo Maaßen mit Unterstützung der AfD kandidiert, kooperiert die rot-rot-grüne Landesregierung in den Landtagsausschüssen mit den Faschisten und hievt sie in wichtige Ämter. Im vergangenen Februar verhalf Ramelow dem AfD-Mann Michael Kaufmann mit seiner eigenen Stimme zur Vizepräsidentschaft im thüringischen Landtag.

Der Mord in Idar-Oberstein ist eine Warnung. Er ist das Ergebnis der Politik der gesamten herrschenden Klasse, die wie in den 1930er Jahren auf die tiefe Krise des Kapitalismus mit der bewussten Stärkung von rechtsextremen und faschistischen Kräften reagiert.

Die SGP ist die einzige Partei, die der Politik der inneren und äußeren Aufrüstung, der sozialen Ungleichheit und der „Profite vor Leben“-Politik, die den rechten Terror hervorbringt, entgegentritt und die wachsende Opposition dagegen mit einem sozialistischen Programm bewaffnet. Lest und verbreitet unseren Wahlaufruf, wählt am 26. September die SGP und werdet Mitglied.

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