Balkanländer: Schulöffnungen treiben Corona-Infektionen in die Höhe

Die Covid-19-Infektionen und Todesfälle haben in Rumänien, Bulgarien und anderen Balkanländern nach der Öffnung der Schulen wieder Höchststände erreicht.

Brennende Covid-19-Klinik in Tetovo, Nordmazedonien (Videoscreenshot)

Seit Beginn der Pandemie haben sich in Rumänien 1,2 von 19,4 Millionen Einwohnern mit dem Virus infiziert, 36.230 sind gestorben. Allein am letzten Mittwoch gab es 130 Todesfälle. Zwischen der zweiten und dritten Welle war diese Zahl teilweise auf 2 gefallen.

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen hat am Freitag mit 7676 wieder das Niveau vom Dezember letzten Jahres erreicht. Offiziellen Angaben zufolge könnte sie Anfang Oktober auf 20.000 steigen. Dabei ist die Dunkelziffer enorm hoch. Schätzungen der Gesundheitsorganisation MedLife zufolge sind die Infektionszahlen fünf bis sieben Mal höher als die offiziell angegebenen Zahlen.

Am letzten Mittwoch waren im gesamten Land nur noch 32 Intensivbetten frei. Doch selbst diese geringe Anzahl konnte nicht genutzt werden, da das entsprechend ausgebildete Personal fehlte.

Grund für den dramatischen Anstieg sind die Öffnung der Schulen nach den Sommerferien und die niedrige Impfquote von 30 Prozent. Selbst 40 Prozent des medizinischen Personals und der Lehrkräfte sind nicht geimpft. Nachdem im letzten Jahr die Schulen über größere Zeiträume geschlossen waren, findet seit dem 13. September wieder uneingeschränkter Präsenzunterricht statt. Nun sind die Schulen zu Hotspots der Übertragung geworden. Selbst nach Angaben des Bildungsministeriums, die deutlich zu niedrig sein dürften, haben sich 3362 Schüler und Vorschüler sowie 1200 Beschäftigte an Schulen infiziert.

Experten haben seit Langem vor der Öffnung der Schulen gewarnt und einen rasanten Anstieg der Infektions- und Todeszahlen vorhergesagt. „Schulen wirken wie ein Beschleuniger für die Übertragung in Gemeinschaften. Es ist, als würde man in der Gemeinschaft im ersten Gang fahren und dann sofort in den fünften Gang schalten, wenn die Kinder die Schule besuchen,“ erklärt der Gesundheitsexperte Razvan Chereches.

Während an Universitäten teilweise wieder auf Online-Vorlesungen umgestellt wird, sind sich alle Parteien – Regierung und Opposition – einig, die Schulen im Interesse der Wirtschaft offen zu lassen. Angesichts möglicher Neuwahlen haben alle Parteien erklärt, dass es keinen Lockdown oder ähnliche Schutzmaßnahmen wie im letzten Jahr geben wird. Da die Rechtsregierung von Florin Citu ihre Mehrheit verloren hat, könnte es bald zu Neuwahlen kommen.

Im benachbarten Bulgarien steigen die Covid-19-Infektionen ebenfalls stark an. In der vergangenen Woche starben mit 516 Menschen so viele wie noch nie in diesem Jahr an den Folgen der Infektion. Von den 7 Millionen Einwohnern des Landes haben sich fast eine halbe Million infiziert, 20.350 sind gestorben, über 4700 Personen sind derzeit im Krankenhaus, rund 400 davon auf der Intensivstation. Dort ist die Situation extrem angespannt. Schon vor der Pandemie war das bulgarische Gesundheitssystem in einem desaströsen Zustand. Seither hat sich die Situation weiter verschlimmert.

Allein in der vergangenen Woche wurden 152 Neuinfektionen beim medizinischen Personal gemeldet. Damit haben sich mittlerweile 14.287 Beschäftigte in diesem Bereich infiziert. Angaben, wie viele von ihnen gestorben sind, liegen nicht vor. An den Schulen ist die Lage ähnlich verheerend. Wie beim medizinischen Personal sind auch bei den Lehrern erst 30 Prozent gegen Covid-19 geimpft. Laut dem Bildungsministerium hat sich bereits jeder fünfte Lehrer mit dem Virus infiziert

Als am 15. September die Schulen geöffnet wurden, waren nur zwei Prozent der Schüler geimpft. Die Durchseuchung an den Schulen wird von der Regierung gezielt gefördert. Bildungsminister Nikolaj Denkow hat bei Beginn des Präsenzunterrichts ausdrücklich Feiern in den Schulen erlaubt. Die Übergangsregierung unternimmt nichts, um die Impfquote zu steigern. Mitte August waren gerade einmal 15 Prozent der Bevölkerung geimpft, und auch jetzt ist Bulgarien bei der Impfquote in Europa das Schlusslicht.

Im November werden nach einem erneuten Scheitern einer Regierungsbildung voraussichtlich die dritten Parlamentswahlen in diesem Jahr stattfinden. Dabei sind sich alle Parteien darin einig, keine neuen Maßnahmen gegen die Pandemie einzuleiten.

Im Kosovo mit 1,9 Millionen Einwohnern sind insgesamt 16.000 Infektionen und 2931 Todesfälle gemeldet, wobei die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegen dürfte. Die Kliniken des Landes standen in den letzten Wochen am Rande ihrer Kapazität. Eine Krankenschwester am Universitätsspital von Pristina berichtete Radio Free Europe, dass es nicht mehr möglich sei, die Patienten zu versorgen. Eine Pflegekraft sei für 20 Personen zuständig. Die Patienten müssten oft von den Angehörigen versorgt werden, was die Ansteckungen in den Kliniken weiter erhöhe.

Die kriminellen Regierungen des kleinen Landes haben das Gesundheitswesen vollkommen vernachlässigt. Jährlich werden lächerliche 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts dafür verwendet, wie aus den Zahlen von 2019 hervorgeht. Der Großteil der Fachkräfte ist längst ins europäische Ausland abgewandert, da die Löhne nicht zum Überleben reichen.

Ministerpräsident Albin Kurti hatte im Winter den Wahlkampf bestritten, indem er erneute Schutzmaßnahmen ablehnte. Insgesamt mussten bisher bereits 50 Schulkinder wegen eines schweren Infektionsverlaufs ins Krankenhaus eingeliefert werden, obwohl die Schulen noch geschlossen waren. Am Freitag hat Kosovos Gesundheitsminister Arben Vitia angekündigt, die Schulen ab dem 27. September wieder zu öffnen. Die Regierung verwarf damit eine Forderung des staatlichen Nationalen Instituts für Öffentliche Gesundheit, den Schulstart weiter zu verschieben.

Auch in anderen Balkanstaaten ist die Situation extrem. In Serbien sind die Zahlen auf das Niveau der ersten Welle angestiegen. Von den knapp 7 Millionen Einwohnern haben sich bisher 906.000 infiziert und über 8000 sind gestorben. Auch hier dürfte die Dunkelziffer höher sein.

Der WHO-Vertreter in Serbien, Marian Ivanusha, erklärte zum Ernst der Lage. „Jeden Tag sterben in Serbien so viele Menschen, wie Fahrgäste in einem Bus sitzen. Wenn das nicht besorgniserregend ist, weiß ich nicht, was es ist.“ Während anfänglich das Impftempo in Serbien sehr hoch war, hat die Regierung inzwischen alle Bemühungen eingestellt, die Ausbreitung zu stoppen. Europaweit hat Serbien die höchste Rate von Neuinfektionen.

In Montenegro erreichte der 7-Tage-Mittelwert im September neue Rekorde. Täglich werden rund 500 Neuinfektionen gemeldet. Auch hier platzen die Kliniken des Landes aus allen Nähten, da nur etwa 41 Prozent der Bevölkerung geimpft sind und die Anzahl schwerer Verläufe steigt.

In Nordmazedonien hat eine verheerende Brandkatastrophe in einer improvisierten Covid-19-Klinik ein Licht auf die katastrophale Lage im Land geworfen. In der Stadt Tetovo tötete ein Feuer 14 Patienten und verletzte zwölf zum Teil schwer. Laut Berichten könnte ein explodierender Sauerstofftank das Feuer ausgelöst haben. Örtliche Medien berichteten, dass es bereits im vergangenen Monat Schwierigkeiten mit den Sauerstofftanks und den dazugehörigen Rohren gegeben habe.

Die behelfsmäßig aus Containern zusammengestellte Einrichtung ist eine von etwa einem Dutzend, die eingerichtet wurden, um die mit Coronafällen völlig überlasteten Kliniken zu versorgen. Auch hier sind weniger als 30 Prozent der Bevölkerung geimpft.

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