Die Gewerkschaft United Auto Workers erklärte am Mittwochabend, dass der Tarifvertrag bei John Deere in einer zweiten Urabstimmung mit 61 zu 39 Prozent angenommen worden sei. Der Verlauf der Abstimmung war ein Hohn auf demokratische Verfahren. Er war geprägt von Einschüchterungsversuchen und dem Verdacht des Wahlbetrugs.
Obwohl die UAW, das Management und die Medien alles daran setzten, die Arbeiter zur Zustimmung zu bewegen, blieb die Ablehnung stark. In Waterloo (Iowa), dem Zentrum des Widerstands gegen die arbeiterfeindlichen Tarifverträge der UAW, konnte die Gewerkschaft den Widerstand nicht brechen. Die dortige Belegschaft stimmte mit 56 zu 44 Prozent gegen die Einigung. In Waterloo befindet sich der größte UAW-Ortsverband bei Deere, dem 3.000 der landesweit 10.000 Arbeiter angehören.
In ihrem ersten Streik seit 35 Jahren haben die Deere-Arbeiter fünf Wochen lang standgehalten. Sie haben die Hinterzimmerdeals der UAW mit dem Unternehmen abgelehnt, beim ersten Mal mit 90 Prozent. Sie empfanden das Angebot als völlig unzureichend und beleidigend. Vor dem Hintergrund der Rekordprofite, die das Unternehmen trotz Personalmangels einfährt, traten die Arbeiter selbstbewusst für deutliche Lohnerhöhungen ein. Es ging ihnen darum, den jahrzehntelangen Stillstand auszugleichen. Sie forderten die Wiedereinführung von Gesundheitsleistungen für Rentner und anderen betrieblichen Sozialleistungen, die die UAW geopfert hat.
Ein Arbeiter des Ersatzteilzentrums in Milan (Illinois) brachte die Stimmung gegenüber der WSWS auf den Punkt: „Sie behaupten, wir hätten alles bekommen, was wir wollten. Das haben wir aber längst nicht.“
Viele brachten auf Facebook ihre Abscheu über die UAW und den Tarifvertrag zum Ausdruck. Ein Arbeiter aus Waterloo schrieb: „Meine Freizeit, meine Wochenenden, meine Freunde und meine Familie kann ich jetzt glatt vergessen.“ Ein anderer wies darauf hin, dass die Gewerkschaft die Arbeiter auf Streikposten mit einem lächerlichen Streikgeld ausgehungert hat. Er war sich „sicher, dass der Tarifvertrag nur angenommen wurde, weil sehr viele nicht von 275 Dollar pro Woche leben konnten und auch keinen zweiten Job annehmen konnten, um über die Runden zu kommen, bis ein vernünftiger Vertrag vorliegt.“
Ein dritter Arbeiter aus Waterloo erklärte schlicht: „Wir wurden ausverkauft.“
Zuvor war im Verlauf des Abends durchgesickert, mit welchen Gangstermethoden die UAW den Tarifvertrag durchgepeitscht hatte.
Der Wahlleiter des UAW-Ortsverbands 281 in Davenport (Iowa) Phil Gonterman drohte auf Facebook in Kommentaren, die ein Arbeiter mit der WSWS geteilt hat, er werde in seiner Position als Inspektor gegen Arbeiter vorgehen, die sich öffentlich gegen den Tarifvertrag aussprechen.
Nach der Ablehnung der zweiten Einigung zwischen UAW und Deere schrieb Gonterman am 2. November: „Ich hoffe, dass jeder Schweißer und Maschinist, der große Töne darüber gespuckt hat, dass er gegen den Tarifvertrag stimmen wird, weil ihm das in sein blödes Hirn gekommen ist, nichts gegen Rot hat. Ich werde ihnen nämlich jedes verfluchte Qualitätsproblem um die Ohren schlagen. Ihr wisst ja alle, wer gemeint ist.“
Ein weiterer übler Kommentar stammt vom Vizepräsidenten des Ortsverbands 281 Brian Ripple. Er äußerte die Hoffnung, Deere werde Arbeitsplätze von Waterloo (Iowa) nach Mexiko verlagern. Damit antwortete er auf einen Post von Gonterman, der versuchte, nationalistische Spaltungen zu säen und den Arbeitern drohte, bei einer Ablehnung der Einigung würde die Produktion verlagert: „Wer kommt mich in drei Jahren in Mexiko besuchen, wenn ich dort Deere-Produkte herstelle?“
Ripple antwortete: „Ich würde sagen, Waterloo wäre wohl der bessere Kandidat für Auslagerungen.“
Arbeiter berichteten über ein Klima der Einschüchterung und des Drucks im Vorfeld der Abstimmung. Gewerkschaftsfunktionäre sollen versucht haben, den Arbeitern Angst einzujagen und ihnen einzureden, dass nicht mehr zu holen sei und eine neuerliche Ablehnung zur Katastrophe führen würde.
Ein Tarifvertrag der unter solchen Bedingungen „angenommen“ wurde – sofern überhaupt eine Mehrheit dafür gestimmt hat – kann nicht als legitim oder rechtlich bindend angesehen werden. Allein die Tatsache, dass die UAW die Arbeiter zu einer Neuabstimmung über eine bereits abgelehnte Einigung gezwungen und ihnen mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht hat, falls sie nochmals dagegen stimmen, sollte das Abkommen null und nichtig machen.
Kurz nachdem die Ortsverbände begonnen hatten, die Annahme bekanntzugeben, veröffentlichte die Zentrale der UAW eine offensichtlich von langer Hand vorbereitete Erklärung. Diese ist ein neuer Tiefpunkt der Heuchelei und des Zynismus - selbst für die UAW, von deren letzten vier Präsidenten zwei wegen Unterschlagung von Mitgliedsbeiträgen im Gefängnis sitzen.
UAW-Präsident Ray Curry (gegen den strafrechtlich ermittelt wird, weil er Luxusgeschenke von einem Zulieferer angenommen hat) erklärte: „Die UAW-Mitglieder bei John Deere haben nicht nur sich selbst, sondern offenbar die ganze Nation im Kampf für Fairness am Arbeitsplatz zusammengeschlossen. Wir sind überaus stolz auf diese UAW-Mitglieder und ihre Familien.“
UAW-Vizepräsident Chuck Browning, der übrigens auch Direktor der Landmaschinensparte ist, erklärte: „Die mutige Bereitschaft unserer Mitglieder, für einen höheren Lebensstandard und eine sicherere Rente zu streiken, hat zu einem bahnbrechenden Tarifvertrag geführt und neue Maßstabe für Arbeiter gesetzt – nicht nur in der UAW, sondern im ganzen Land.“
Die dreiste Heuchelei dieser Marionetten der Unternehmensleitung ist nicht an die Arbeiter gerichtet, unter denen die Gewerkschaftsvorstände allgemein verachtet und als Verbrecher angesehen werden. Sie ist für die gefügigen Medien bestimmt, die sie pflichtbewusst aufgreifen und so tun werden, als ob der UAW-Apparat für „einen höheren Lebensstandard und eine sicherere Rente“ kämpfen würde. In Wirklichkeit war die korporatistische Gewerkschaftsbürokratie in jedem Stadium des Streiks das größte Hindernis für die Arbeiter, ihre Forderungen durchzusetzen.
Sowohl Deere als auch die UAW setzten auf die Strategie des Teilens und Herrschens und wollten die Arbeiter verschiedener Standorte, Abteilungen oder Generationen gegeneinander aufhetzen.
In der ersten vorläufigen Vereinbarung hatten Deere und die Gewerkschaft versucht, neu eingestellten Arbeitern die Rente zusammenzustreichen. Erst nach der fast einstimmigen Ablehnung in der Urabstimmung rückten sie von diesem Plan ab. Eine der „Änderungen“ in dem jüngsten Abkommen ist ein Leistungslohn, der über dem aktuellen Anreizprogramm CIPP liegt, aber mit gesteigerter Arbeitshetze und höheren Produktionszielen verbunden sein wird.
Gleichzeitig hat die UAW das ganze Jahr über alle Informationen geheim gehalten. Sie hat nichts darüber verraten, was sie mit dem Unternehmen bespricht, und zensiert die Kommentare der Arbeiter in den sozialen Netzwerken, um den weit verbreiteten Widerstand unsichtbar zu machen und einen Austausch unter den Arbeitern zu unterbinden.
Während die UAW und das Management weiterhin versuchen, Spaltungen zu schüren, haben die Arbeiter bereits begonnen, sich zu wehren und zur Geschlossenheit aufzurufen. Ein Arbeiter aus Waterloo erklärte gegenüber der WSWS: „Ich bin nicht glücklich, aber es bringt auch nichts, wenn wir wütend sind und auf die Ja-Wähler einhacken. Sie sind ihrem Gewissen gefolgt, und die UAW hat ihre Angst und ihre Befürchtungen genährt. Ich würde sagen, wir kämpfen für ein besseres Ergebnis. Wir sollten auch weiterhin das John Deere Workers Rank-and-File Committee aufbauen.“
Der Kampf bei Deere ist noch lange nicht vorbei. Das Unternehmen und die UAW werden versuchen, die Arbeitsleistung und die Überstunden auf ein brutales Niveau zu steigern, um die verlorene Produktionszeit auszugleichen, was früher oder später zu neuen Kämpfen führen wird.
Das bisherige Ergebnis der undemokratischen Tarifverhandlungen verdeutlicht, wovor die WSWS wiederholt gewarnt hat: Die UAW-Bürokraten, von den Ortsverbänden bis ganz nach oben, agieren als bezahlte Schergen des Managements. Ihre Aufgabe ist es, die Bedingungen des Unternehmens durchzudrücken und den Widerstand der Arbeiter niederzuhalten.
Daraus müssen die notwendigen Schlüsse gezogen werden.
Erstens müssen die Arbeiter das Aktionskomitee auf alle Werke und Ersatzteilzentren ausweiten und als Kampforganisation aufbauen. Im Verlauf des letzten Monats hat das Komitee eine wichtige Rolle gespielt. Es hat den Widerstand gegen die Verschwörung von UAW und Unternehmen gestärkt, ihre Propaganda abgewehrt und eine Strategie zur Durchsetzung der Forderungen der Arbeiter formuliert.
Zweitens ist der Streik bei Deere nur eine Schlacht in einer allgemeinen Offensive, die sich in der ganzen Arbeiterklasse anbahnt. Bisher hat sich die herrschende Klasse darauf verlassen, dass die Gewerkschaften die Kämpfe der Arbeiter abblocken oder eindämmen. Sie haben bei Kaiser Permanente, in der Film- und Fernsehindustrie, bei Dana Inc. und Amcor Streiks verhindert oder sabotiert und die Forderungen der Konzerne durchgesetzt, u.a. bei Volvo, Deere, Frito-Lay und Nabisco.
Doch es fällt den Gewerkschaften immer schwerer, den Klassenkampf zu unterdrücken. Sie sitzen auf einem sozialen Pulverfass mit brennender Lunte.
Um die nächsten Kämpfe zum Erfolg zu führen, müssen die Arbeiter die Lehren aus den Erfahrungen bei John Deere ziehen und eine neue Führung aufbauen, die die Arbeiter in allen Branchen und verschiedenen Ländern miteinander verbindet. Nicht die Unternehmensprofite, sondern die Bedürfnisse der Arbeiter müssen ihr Maßstab sein.
Deere-Arbeiter: Tretet dem Deere Workers Rank-and-File Committee bei, und führt den Kampf fort! Details über eine Beteiligung unter E-Mail deerewrfc@gmail oder SMS 001 (484) 514-9797.