Neue grüne Außenministerin Baerbock droht Russland und China mit Atomwaffen

Wenige Tage bevor Annalena Baerbock als neue Außenministerin vereidigt wird, gab die Co-Vorsitzende der Grünen der taz ein vielbeachtetes Interview zu außenpolitischen Fragen. Baerbocks Aussagen machen zwei Dinge deutlich:

Zum einen wird die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen, die am Mittwoch offiziell die Regierungsgeschäfte übernimmt, den Kriegs- und Aufrüstungskurs der Großen Koalition vor allem auch gegenüber den Nuklearmächten Russland und China weiter verschärfen. Die ehemaligen Pazifisten der Grünen, die als Regierungspartei bereits zwischen 1998 und 2005 die ersten deutschen Kriegseinsätze seit dem Ende des Naziregimes auf den Weg brachten, spielen dabei erneut die zentrale Rolle.

In einer Aggressivität, die man sonst vor allem aus extrem rechten und militaristischen Kreisen kennt, verknüpft Baerbock die Fähigkeit Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik mit der nuklearen Bewaffnung. „Genau diese Frage der Atomwaffen macht deutlich, dass wir in Zukunft wieder eine aktive deutsche Außenpolitik betreiben werden, die sich den Dilemmata der globalen Politik stellt“, erklärt sie. „Wir stehen zu unserer Verantwortung im Rahmen von Nato und EU und auch zur nuklearen Teilhabe.“

Und sie setzt noch einen drauf. Inmitten der Pandemie, die allein in Deutschland bereits mehr als 100.000 Menschenleben gekostet hat und zu deren Bekämpfung angeblich die wirtschaftlichen Ressourcen fehlen, bekräftigt sie die Forderung der Ampel nach der Beschaffung neuer atomwaffenfähiger Kampfflugzeuge. „Wir müssen das Nachfolgesystem für den Tornado beschaffen, weil die konventionellen Fähigkeiten ersetzt werden müssen. Es handelt sich also nicht allein um sogenannte Atombomber. Über die Frage der nuklearen Zertifizierung werden wir dann weiter sprechen müssen.“

Weder Baerbock noch die taz sprechen an, was diese Pläne bedeuten. In finanzieller Hinsicht stellen sie alle Aufrüstungsvorhaben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Schatten. Als Ersatz für die veralteten Tornados plant Deutschland die Beschaffung von mindestens 90 neuen Eurofighter-Maschinen und 45 amerikanischen F-18-Kampfjets. Kostenpunkt: knapp 20 Milliarden Euro. Und das ist nur der Anfang. Gegenwärtig wird von Deutschland und Frankreich das europäische Kampfflugzeugsystem FCAS entwickelt, dessen vollständige Umsetzung bis 2040 insgesamt mehrere hundert Milliarden Euro verschlingen wird.

Und was konkret bedeutet die „nukleare Teilhabe“? Im Konfliktfall würden deutsche Kampfflugzeuge bewaffnet mit in Deutschland lagernden US-Atombomben mobilisiert und diese möglicherweise auch abwerfen – mit katastrophalen Folgen. Ein umfassender Atomkrieg zwischen den Nato-Mächten und Russland (und/oder China) würde nicht nur ganz Europa in eine nukleare Wüste verwandeln, sondern die Vernichtung des gesamten Planeten bedeuten.

Baerbock macht keinen Hehl daraus, dass sich die Aufrüstung vor allem gegen Moskau und Peking richtet. Auf die Feststellung der taz, dass „Russland bedrohlicher geworden ist“, erwidert sie: „Es gilt die berechtigten Sicherheitsinteressen vor allem der Staaten in Mittel- und Osteuropa ernst zu nehmen.“ Eine „wertegeleitete Außenpolitik“ sei „immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte. Beredtes Schweigen ist auf Dauer keine Form von Diplomatie, auch wenn das in den letzten Jahren von manchen so gesehen wurde.“

Mit anderen Worten: die neue Bundesregierung wird den aggressiven Kriegskurs gegen Russland noch verschärfen. Tatsächlich bestand die Außenpolitik gegenüber Moskau bereits in den letzten Jahren nicht aus „beredtem Schweigen“, sondern folgte einer Linie, die direkt an die imperialistische Großmachtpolitik des Kaiserreichs und Hitlers anknüpft. 2014 unterstützte Berlin den rechten Putsch in der Ukraine, um in Kiew ein anti-russisches Regime zu installieren und Moskau zu schwächen. Seit 2017 verlegt die Bundeswehr im Rahmen der sogenannten Nato Enhanced Forward Presence (eFP) immer wieder Kampftruppen nach Osteuropa.

Die Grünen spielten dabei von Anfang an eine besonders aggressive Rolle. An den von rechtsradikalen Kräften dominierten Protesten auf dem Maidan in Kiew war die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung genauso aktiv beteiligt wie führende Vertreter der Grünen. Dabei verteidigten und verharmlosten sie offen das Bündnis mit faschistischen Figuren wie dem Swoboda-Führer Oleg Tjagnibok.

Nun gehen sie noch einen Schritt weiter und fordern, die ukrainische Armee und die mit ihr verbündeten faschistischen Milizen gegen Russland zu bewaffnen. Im Wahlkampf reiste der Co-Vorsitzende und designierte Vizekanzler, Robert Habeck, auf Einladung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj medienwirksam an die Front in der Ostukraine und erklärte, er halte „die Wünsche der Ukraine nach Waffenlieferungen angesichts des Kriegs im Osten des Landes für berechtigt“.

Mittlerweile ist klar, welche Strategie die Nato-Mächte damit verfolgen. Auch um von der kriminellen Pandemie-Politik im Inneren abzulenken, treibt das US-geführte Militärbündnis die Offensive gegen Russland voran. Die Nato hält massive Militärmanöver an der russischen Grenze ab und rüstet die Ukraine mit Javelin-Panzerabwehrraketen, lenkwaffenbestückten Kriegsschiffen und Flugabwehrraketen auf. Die Regierung in Kiew hat russische Berichte, wonach das ukrainische Militär 125.000 Soldaten an der Grenze zu Russland zusammenzieht, nicht dementiert.

Auch den US-Kriegskurs gegen China – der nicht minder die Gefahr eines Atomkriegs heraufbeschwört – unterstützt Baerbock. „Als europäische Demokratien und Teil eines transatlantischen demokratischen Bündnisses“ stehe man „auch in einem Systemwettbewerb mit einem autoritär geführten Regime wie China“, poltert sie in der taz. Diesbezüglich gelte es, „die strategische Solidarität mit demokratischen Partnern zu suchen, gemeinsam unsere Werte und Interessen zu verteidigen und in unserer Außenpolitik mit langem Atem für diese Werte zu werben“.

Tatsächlich geht es nicht um „Werte“, sondern um handfeste wirtschaftliche und geostrategische Interessen. China sei ein „Wettbewerber, gerade wenn es um die Frage von zukünftigen Technologieführerschaften geht“, räumt Baerbock selbst ein. Um die eigenen Interessen durchzusetzen, plädiert sie für eine aggressivere europäische Chinapolitik unter deutscher Führung. Sie droht damit, Chinas Zugang zu den europäischen Märkten einzuschränken und schließt auch einen Boykott der anstehenden Olympischen Winterspiele in Peking nicht aus.

Die Europäer sollten sich „nicht kleiner machen, als wir sind. Wir sind einer der größten Binnenmärkte der Welt“, fordert sie. Gerade auch China habe „massive Interessen am europäischen Markt“. Wenn es etwa „keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem“. Dieser „Hebel des gemeinsamen Binnenmarkts“ wirke „aber nur, wenn alle 27 Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen und nicht wie in der Vergangenheit Deutschland als größter Mitgliedstaat eine eigene Chinapolitik formuliert“. Man brauche „eine gemeinsame europäische Chinapolitik“.

Die Grünen sind darauf spezialisiert, mit Phrasen über Menschenrechte, Demokratie und Klimaschutz wohlhabende Schichten des Kleinbürgertums für eine aggressive Außen- und Kriegspolitik zu mobilisieren. Baerbock personifiziert diese Klientel und die Rechtswende ihrer Partei wie kaum eine andere. Sie wurde im Jahr 2005 Mitglied der Grünen, als die Schröder-Fischer-Regierung auf Grund des Widerstands unter Arbeitern und Jugendlichen gegen die rot-grüne Hartz-IV und Kriegspolitik auseinanderbrach.

16 Jahre später tritt Baerbock als Außenministerin an, um die verhasste Politik fortzusetzen – selbst wenn sie in einen dritten Weltkrieg mündet. Um eine Katastrophe zu verhindern, braucht die wachsende Opposition eine klare politische Perspektive und Orientierung. Der Kampf gegen Militarismus und Krieg erfordert – genauso wie der Kampf gegen soziale Ungleichheit, Faschismus und die „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie – das unabhängige politische Eingreifen der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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