Die kommenden Feiertage werden für mehr als 10.000 Ford-Arbeiter in Saarlouis und Valencia eine Zeit der Unsicherheit und Sorge. Denn die europäische Konzernführung hat die beiden Standorte aufgefordert, ihr bis zum 27. Januar Sparkonzepte vorzulegen. Der Standort, der von den Kosten her besser abschneidet, soll den Zuschlag für den Bau eines neuen E-Auto-Modells erhalten. Die Entscheidung soll bis zum 30. Juni 2022 fallen.
Wie alle Autokonzerne ist Ford dabei, seine Produktion auf Elektromobilität umzurüsten. Ab 2030 will Ford in Europa ausschließlich Elektro-Fahrzeuge produzieren. Da die Produktion von Autos mit Verbrennermotoren bedeutend komplexer ist als die von Fahrzeugen mit Elektromotoren, planen alle Auto-Konzerne massiv Arbeitsplätze abzubauen.
Der Mechanismus, der dabei zur Anwendung kommt, ist seit Jahrzehnten bekannt. Arbeiter einzelner Standorte werden von Konzernleitungen und Betriebsräten gegeneinander ausgespielt. Die Betriebsräte in den Ford-Werken in Saarlouis und im spanischen Almussafes (Valencia) befinden sich derzeit in regelmäßigen Verhandlungen mit ihren Geschäftsleitungen, um die Kosten zu drücken und so den konkurrierenden Standort im internen Bieterwettbewerb auszustechen. Die so erpressten Zugeständnisse sollen dann angeblich „den Standort sichern“. Doch bislang war noch jeder Weg zur Werksschließung mit solchen Zugeständnissen gepflastert.
Im Werk Saarlouis lief vor über 50 Jahren (1970) das erste Auto vom Band – ein Ford Escort. Noch vor kurzem waren über 7000 Arbeiter im Werk beschäftigt. 2019 fielen in Saarlouis über 2000 Arbeitsplätze einem Sanierungsprogramm zum Opfer, mit dem Ford weltweit 25.000 Arbeitsplätze abbaute, davon 12.000 in Europa und über 5000 in Deutschland.
Der saarländische Betriebsrat stimmte 2019 dem Wegfall der Nachtschicht und damit dem Abbau von 1800 Arbeitsplätzen zu. Weitere 600 Arbeitsplätze wurden in diesem Jahr abgebaut, so dass derzeit weniger als 5000 Beschäftigte übrig sind. Diese fertigen ausschließlich den Ford Focus, dessen Produktion voraussichtlich Mitte 2025 ausläuft.
Das Werk in Almussafes, Valencia, feiert sein 45-jähriges Bestehen. Hier begann 1976 die Produktion mit dem Ford Fiesta, die erst 2012 auslief. In den letzten Jahrzehnten sind rund ein Dutzend verschiedene Modelle gebaut worden. In den besten Jahren produzierten 9000 Arbeiter bis zu 450.000 Fahrzeuge im Jahr. Heute sind es knapp 6000 Arbeiter, die in zwei Produktionslinien den Mondeo, Galaxy und S-Max sowie den Kuga und den Transporter Transit bauen. Derzeit läuft die Produktion für Mondeo, Galaxy und S-Max aufgrund der rückläufigen Nachfrage nur im Einschichtbetrieb.
Genauso wie in Saarlouis und im Ford-Werk in Köln sind auch die Arbeiter in Valencia von Kurzarbeit betroffen. Im Werk Valencia liegt die Tagesproduktion aktuell bei rund 1300 Fahrzeugen, dieses Jahr dürften nur etwas über 160.000 Fahrzeuge hergestellt werden, 60 Prozent weniger als 2019. Im November kündigte die Geschäftsleitung den Wegfall der Nachtschicht ab Januar 2022 an.
Vor rund zwei Jahren hatte Ford noch Investitionen von 42 Millionen Euro angekündigt, um die Montagelinien der Hybrid-Modelle umzurüsten sowie zwei Montagelinien für Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Diese gingen im September 2020 in Betrieb. Im März dieses Jahres kündigte Ford dann an, die Batteriemontage in Valencia für 5,2 Millionen Euro zu erweitern. „Diese Fabrik dürfte der US-Konzern mit großer Wahrscheinlichkeit behalten,“ schrieb das Handelsblatt daher im September.
Management und Betriebsrat in Valencia treffen sich seit Mitte Oktober wöchentlich, um neue Kürzungen auszuarbeiten. Im Dezember läuft der laufende Tarifvertrag aus, der neue soll die Zusage für ein neues E-Modell garantieren. Denn auch in Valencia läuft schon bald die Produktion von vier der derzeit fünf produzierten Modellen aus. Die Produktion des Mondeos endet schon zu Beginn des Jahres, die des Transits wird im Laufe des Jahres eingestellt. 2024 endet der Lebenszyklus von S-Max und Galaxy, übrig bliebe dann nur noch der Kuga.
„Wir dürfen den Elektrifizierungszug nicht verpassen,“ erklären die spanischen Gewerkschaften und setzen damit die Belegschaft unter Druck. Wenn es keine „Einigung“ gebe, werde das Werk in Valencia zurückbleiben – während woanders bereits viele Milliarden Euro für den Umstieg auf die Elektromobilität investiert werden. Dies sei etwa beim Werk in Halewood in Großbritannien der Fall, das rund 273 Millionen Euro für den Bau von Elektrokomponenten für zukünftige Fahrzeuge erhält, oder in den USA, wo Investitionen von 11,4 Milliarden Dollar für die Inbetriebnahme von vier neuen Werken angekündigt worden sind.
Der Betriebsratsvorsitzende in Valencia, José Luis Parra von der sozialdemokratischen Mehrheitsgewerkschaft UGT, teilte den Beschäftigten daher schon einmal mit, worauf sie sich einzurichten hätten. Die Geschäftsleitung verlange Lohn- und Urlaubskürzungen sowie Arbeitszeitverlängerungen, um „nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren“ und „neue Projekte zu gewinnen und neue Modelle zu fertigen“. Die Gewerkschaften werden dem zustimmen. Das verstehen sie unter einer „fairen und ausgewogenen“ Produktion.
Die Betriebsräte in Deutschland handeln nicht anders. Sie arbeiten derzeit permanent mit der Geschäftsleitung in mehreren „Arbeitsgruppen“, um die Kosten zu drücken. Laut Informationen der Saarbrücker Zeitung soll es dabei um „notwendige Investitionen, die Lohnkosten und mögliche staatliche Fördermittel“ gehen.
Über welche Kürzungen bei den Lohnkosten gesprochen wird, kündigte im September der Ford-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Martin Hennig an. In einem Brief an die Arbeiter in Saarlouis und Köln schrieb er, die Geschäftsleitung kenne gegenwärtig „offensichtlich keine Tabus mehr, nicht bei Arbeitszeitregelungen, nicht bei Zulagen, nicht bei Ausgleichszahlungen. Die Belegschaft soll bluten, soll zahlen und gleichzeitig liefern.“
Der Betriebsratsvorsitzende in Saarlouis, Markus Thal, hat die Beschäftigen auf weitere Kürzungen eingeschworen. Er hatte schon in der Vergangenheit behauptet, „Kostensenkungen“, u. a. durch Arbeitsplatzabbau, würden den Standort sichern.
„Wir können es in Saarlouis, wir können auch Elektroautos bauen – auch mit einer entsprechenden Profitrate,“ verkündete er am Aktionstag im September. Sechs Prozent Marge vom Umsatz hätten die Chefs in Detroit als Zielmarke ausgegeben. „Yes, we can,“ versicherte Thal.
In einem Info-Blatt des Gesamtbetriebsrats vom 9. Dezember schreibt dieser, die Geschäftsleitung habe darauf hingewiesen, „dass Valencia insbesondere hinsichtlich der Personalkosten erhebliche Vorteile gegenüber unserem Werk habe“. Die Reaktion des Gesamtbetriebsrats: Man habe dem „Europamanagement schriftlich mitgeteilt, dass wir in Deutschland [!] gemeinsam antreten, mit allen Kolleginnen und Kollegen, um das Werk in Saarlouis zu retten“. Saarlouis allein habe in diesem ungleichen Wettbewerb keine Chance. „Nur gemeinsam können wir die Arbeitsplätze erhalten und dauerhaft sichern.“
Mit anderen Worten: Der deutsche Gesamtbetriebsrat akzeptiert das „Bietergefecht“, das er in Worten kritisiert. So beschwert er sich darüber, dass der deutsche Betriebsrat nach Abgabe seines Konzepts für Saarlouis „nichts von dem, was in Valencia verhandelt wird“, erfahre und demnach „nicht bei Bedarf nachbessern“ könne.
Auf diese Weise wurden und werden die Arbeiter einzelner Werke und Länder gegeneinander ausgespielt. Der – kurzfristige – „Erfolg“ der einen ist die Niederlage der anderen. So wurde bereits die Produktion in Belgien, Frankreich und Wales eingestellt, in Russland sind vier Werke geschlossen worden. Erst kürzlich hat Ford bekanntgegeben, die Produktion in Indien und Brasilien zu beenden.
Die Ford-Arbeiter in Saarlouis haben in der Vergangenheit und in diesem Jahr gezeigt, dass sie zum Kämpfen bereit sind. Sie können ihre Arbeitsplätze nur gemeinsam mit den Kollegen in Köln, Valencia und allen anderen internationalen Werken gegen die Gewerkschaften und Betriebsräte verteidigen, die mit ihrer nationalistischen Standortpolitik in den letzten Jahren alle Angriffe des Konzerns gegen die Belegschaften durchgesetzt haben. Das planen sie auch jetzt wider.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihr angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien haben im Mai die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees gegründet, um die weltweiten Kämpfe der Arbeiter gegen die Angriffe der Unternehmen zu koordinieren. Wir rufen Ford-Arbeiter in Saarlouis, Valencia, Köln und weltweit auf, sich in von den Gewerkschaften unabhängigen Aktionskomitees zusammenzuschließen, um gemeinsame Streiks und Proteste an allen Standorten vorzubereiten. Nehmt noch heute mit uns Kontakt auf.
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