Trotz 250.000 Neuinfektionen täglich: Bund und Länder lockern weiter

Während die Corona-Infektionen täglich neue Höchstwerte erreichen, diskutiert die herrschende Klasse darüber, auch die letzten Schutzmaßnahmen aufzuheben. Am Freitag infizierten sich fast 250.000 Menschen bundesweit mit dem Virus und die 7-Tage-Inzidenz stieg auf 1.350.

Am höchsten ist die Inzidenz in Berlin (1.803), Bayern (1.695), Brandenburg (1.683) und Hessen (1.622). In 17 Kreisen liegt die Inzidenz bereits über 2.000. In Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf liegt sie bei 2.705. Die Anzahl positiv getesteter Proben ist um 9 Prozentpunkte zur Vorwoche auf 41 Prozent angestiegen, was auf eine massive Untererfassung der tatsächlichen Infektionszahlen schließen lässt.

Auch die Zahl von Ausbrüchen in medizinischen Behandlungseinrichtungen, sowie Alten- und Pflegeheimen nimmt weiter zu. In der vergangenen Woche kam es zu 154 Ausbrüchen in medizinischen Behandlungseinrichtungen (29 mehr als in der Vorwoche) und 246 Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen (15 mehr als in der Vorwoche). Das widerlegt die Behauptungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der letzten Bundespressekonferenz, dass es gelungen wäre, die älteren Generationen vor der Omikron-Welle zu schützen.

Besonders verhängnisvoll ist die steigende Zahl der Hospitalisierungen. Die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz liegt bereits zwischen acht und neun und verzeichnet einen starken Aufwärtstrend. Jeden Tag werden über 1.200 Menschen hospitalisiert. Der Anteil freier Intensivbetten liegt im Bundesschnitt aktuell knapp über 10 Prozent, was als Grenzwert für die Reaktionsfähigkeit der Kliniken gilt. Seit Beginn der Woche erlagen bereits über 600 Menschen dem Virus.

Ein zentraler Treiber des Infektionsgeschehens sind entgegen der offiziellen Propaganda die Schulen. Die Inzidenz in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen beträgt 1.684. Unter den 5- bis 14-Jährigen liegt sie bereits bei 3.818 – das heißt, dass sich jede Woche fast vier Prozent der Schüler aus dieser Altersgruppe neu mit dem Virus infizieren. Allein in den letzten vier Wochen wurden 1.566 Ausbrüche an Schulen gemeldet, wobei insbesondere die letzten zwei Wochen auf Grund von Nachmeldungen noch nicht abschließend bewertbar sind.

Auf diesen Tsunami von Infektionen der bisher größten Welle der Pandemie reagiert die herrschende Klasse mit einer noch rücksichtsloseren Durchseuchungspolitik. Die noch verbleibenden Schutzmaßnahmen werden nach und nach beendet. Dabei überbieten sich Politik und Medien mit Rufen nach einer Aufhebung aller Maßnahmen, wie es bereits in Dänemark umgesetzt wurde.

Am Mittwoch beschlossen alle Bundesländer einheitlich die Obergrenze für erlaubte Zuschauer bei Großveranstaltungen massiv zu erhöhen. In Innenräumen sind somit bis zu 4.000 Besucher erlaubt – bei Großveranstaltungen im Freien sogar 10.000. In Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen hatte die maximale Zuschauerzahl bisher bei 750 gelegen. Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt kündigten bereits an, noch über die 10.000 Zuschauer hinauszugehen.

Zahlreiche Regierungsvertreter fordern bereits weitgehendere Lockerungen. Der Bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte am Sonntag in der ZDF-Sendung Bericht aus Berlin „konsequente Öffnungsschritte“ und einen Stufenplan zum Lockern im Bereich von Großveranstaltungen und Gastronomien. Konkret forderte er ein Ende der 2G-Regel im Handel und der Testpflicht in Gastronomien. Grundsätzlich solle man nach dem Grundsatz vorgehen „Wo FFP2-Masken getragen werden, kann man Kontaktbeschränkungen runterfahren.“

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte gegenüber RTL ein Ende der 2G-Regel im Handel. Dem Spiegel erklärte er: „Wir müssen schon jetzt konkret daran arbeiten, wann und unter welchen Bedingungen es zu schrittweisen Öffnungen kommen kann“.

Die ersten Bundesländer beginnen bereits, die Lockerungen umzusetzen. So plant beispielsweise die Landesregierung von Schleswig-Holstein ab dem 9. Februar die Aufhebung der 2G-Regelung in Geschäften und den Wegfall der Sperrstunde in Gastronomien. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) pries den „dänischen Weg“ und erklärte sein Bundesland wolle sich „ein Stück in Richtung Normalität bewegen“. Kurze Zeit später erklärte auch die hessische Landesregierung, dass sie ein Ende der 2G-Regeln im gesamten Einzelhandel plant.

Kommentare in der Presse sprechen offen aus, in wessen Interesse die Durchseuchungspolitik umgesetzt wird, die allein in Deutschland bereits mehr als 118.000 das Menschen gekostet hat. „Die Corona-Starre beenden – der Wirtschaft zuliebe“ lautet die Überschrift eines Kommentars in der Welt. Um aus der „Corona-Falle wieder herauszukommen“, brauche „es vor allem eines: einen klugen Plan, wie sich das Land – dem Vorbild anderer Staaten folgend – sukzessive öffnen kann“.

Tatsächlich geschieht das längst. Die erste Amtshandlung der Ampel-Koalition bestand darin, die „epidemische Lage“ offiziell zu beenden. Seitdem haben SPD, FDP und Grüne bewiesen, dass sie die Interessen des Finanzkapitals noch rücksichtsloser durchsetzen als die Große Koalition zuvor. Die Quarantäne-Zeit wurde verkürzt und Kontaktverfolgung und Tests reduziert. Nun arbeitet die Regierung mit Unterstützung aller Bundestagsparteien und den Medien systematisch daran, die Pandemie vollends zu „normalisieren“.

Die Kampagne, die Pandemie würde Ende Februar ihren Höhepunkt erreichen und „endemisch“ werden, zielt darauf ab, die Bevölkerung auf unbestimmte Zeiten an Durchseuchung und Massensterben zu gewöhnen. Schon jetzt finden die über 150 Toten pro Tag kaum noch eine Erwähnung in den Nachrichten. Auch die Berichterstattung über die Situation in den Krankenhäusern oder gar schwere und tödliche Verläufe unter Kindern und Jugendlichen werden systematisch ausgeblendet.

Dabei entwickelt sich eine immer größere Katastrophe. Wie der gesamte bisherige Verlauf der Pandemie gezeigt hat, führt die Politik der Durchseuchung nicht zu einem „endemischen“ Ende der Pandemie, sondern zu immer ansteckenderen und resistenteren Varianten. Bereits jetzt breitet sich die Omikron-Untervariante BA.2 aus, die 80 bis 90 Mutationen aufweist.

Die einzige Möglichkeit die Pandemie zu beenden und das Massensterben zu stoppen, ist eine Zero-Covid-Strategie zur globalen Eliminierung des Virus. Vor allem das Beispiel Chinas zeigt, dass dies möglich ist. Von den kapitalistischen Regierungen der imperialistischen Länder wird die Zero-Covid-Strategie jedoch vehement bekämpft, da sie dem Profitstreben der Konzerne und einer kleinen parasitären Finanzelite entgegensteht. Nur eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, kann die notwendigen Maßnahmen – Lockdowns in Verbindung mit Impfung, Kontaktverfolgung und der Isolierung infizierter Personen – durchsetzen.

In den USA, Frankreich, Griechenland, Österreich und weltweit entwickeln sich zunehmend Kämpfe von Schülern und Lehrern gegen die Durchseuchungspolitik. Auch in Deutschland geht aktuell eine Petition von über 100 Schülersprechern viral, die sich gegen die Durchseuchungspolitik an den Schulen richtet. Ein Kampf für sichere Bildung kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn er mit einer sozialistischen Perspektive bewaffnet ist und nicht an die Regierungen appelliert, die seit zwei Jahren diese Politik bewusst umsetzen.

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