Perspektive

Blinken vor der UNO: Erinnerungen an Colin Powell

Die Entwicklungen der letzten 48 Stunden machen deutlich, dass die Biden-Regierung, die für dominante Teile der amerikanischen herrschenden Klasse spricht, entschlossen ist, die Konfrontation mit Russland zu eskalieren – bis hin zum Weltkrieg.

Die Regierung Biden will keine Kompromisslösung: Sie strebt die totale Unterwerfung oder gar die Zerschlagung Russlands an, auch mit militärischen Mitteln. Nachdem die Vereinigten Staaten im vergangenen Vierteljahrhundert Jugoslawien zerschlagen und den Irak, Afghanistan, Syrien und Libyen zerstört haben, befinden sie sich nun erneut auf dem Kriegspfad.

Die Gefahr eines totalen Krieges eskaliert. Am Donnerstag begann das ukrainische Militär, zweifellos in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten, mit dem Beschuss der Stellungen der pro-russischen Separatisten in Donezk, woraufhin die pro-russischen Kräfte das Feuer erwiderten. Die Offensive erfolgte einen Tag nach dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij bei den Truppen in der Ostukraine.

In den vergangenen Wochen haben die US-Medien unaufhörlich die Behauptung verbreitet, ein Einmarsch Russlands in die Ukraine stünde „unmittelbar bevor“, und sogar ein Datum genannt: Mittwoch, den 16. Februar. Das Datum kam und ging, und es gab keine russische Invasion in der Ukraine. Stattdessen hat Russland einen Teil seiner Truppen von der Krim und aus Weißrussland abgezogen, nachdem die dortigen Militärübungen planmäßig beendet worden waren.

Die Vereinigten Staaten reagierten auf den Rückzug mit einem Auftritt von Außenminister Anthony Blinken vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wo er Russland anprangerte.

Blinkens Auftritt war eine unheimliche Wiederholung der berüchtigten Rede, die der damalige Außenminister Colin Powell im Februar 2003 im Vorfeld des Irakkriegs gehalten hatte. Powell hat im nationalen Fernsehen einen Meineid geleistet, um einen illegalen Angriffskrieg zu rechtfertigen, der schätzungsweise einer Million Irakern das Leben gekostet hat.

Blinkens Auftritt war in seiner Lügenhaftigkeit und Heuchelei noch schamloser als der seines Vorgängers.

„Die Grundprinzipien für Frieden und Sicherheit, die nach zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg verankert wurden, sind bedroht“, so Blinken. „Der Grundsatz, dass ein Land die Grenzen eines anderen Landes nicht gewaltsam verändern kann; der Grundsatz, dass ein Land einem anderen Land nicht seine Entscheidungen oder seine Politik vorschreiben kann oder mit wem es sich zusammentun will; der Grundsatz der nationalen Souveränität.“

Wen glaubt Blinken eigentlich auf den Arm nehmen zu können? Er sprach als Vertreter einer Regierung, die seit Jahrzehnten an einer ununterbrochenen Reihe von Interventionen, Putschen, Kriegen und von der CIA unterstützten Regimewechsel-Operationen gegen Länder in aller Welt beteiligt ist.

In den 1990er Jahren organisierten die USA unter der Clinton-Regierung zusammen mit ihren NATO-Verbündeten die gewaltsame „Veränderung der Grenzen“ Jugoslawiens, die in der 78-tägigen Bombardierung Serbiens gipfelte, um das Land zu zwingen, die Abspaltung des Kosovo zu akzeptieren.

Die Vereinigten Staaten haben unzählige Putsche in Lateinamerika und der Karibik angezettelt, um „ihre Entscheidungen und ihre Politik zu diktieren“, darunter der Sturz des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Árbenz (1954), der Sturz und die Ermordung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende (1973), die Invasion Grenadas (1983), die wiederholten Interventionen in Haiti, einschließlich des US-Militäreinsatzes 1994 und eines von der CIA unterstützten Putsches im Jahr 2004, usw. usw.

In den letzten 30 Jahren haben die USA systematisch den „Grundsatz der nationalen Souveränität“ und das grundlegende Völkerrecht verletzt, indem sie im Irak, in Somalia, Afghanistan, Libyen und Syrien einmarschiert sind, diese bombardiert oder einen Bürgerkrieg angezettelt haben. Sie verkündet das Recht, Drohnenangriffe in jedem Land durchzuführen und jeden zu ermorden, den sie will, einschließlich des iranischen Generals Qassem Suleimani im Januar 2020.

In Form einer Anklage wegen russischer Aggression legte Blinken dann dar, wie die USA einen Konflikt mit Russland zu provozieren gedenken. „Erstens plant Russland, einen Vorwand für seinen Angriff zu schaffen. Dabei könnte es sich um ein gewalttätiges Ereignis handeln, das Russland der Ukraine in die Schuhe schieben wird, oder um eine ungeheuerliche Anschuldigung, die Russland gegen die ukrainische Regierung erheben wird“, einschließlich eines erfundenen so genannten „terroristischen Bombenanschlags in Russland“, eines „inszenierten Drohnenangriffs auf Zivilisten“ oder eines „gefälschten oder sogar echten Angriffs mit chemischen Waffen.“

Mit anderen Worten: Blinken gibt den faschistischen paramilitärischen Gruppen, die in den ukrainischen Staat und das ukrainische Militär integriert wurden, einen Freibrief, jede Art von Verbrechen gegen pro-russische Separatisten oder in Russland selbst zu begehen. Jede Reaktion Russlands wird als Beweis dafür angeführt, dass es eine Operation unter „falscher Flagge“ inszeniert hat.

Und genau so reagierten die US-Medien auf den Beschuss pro-russischer Separatisten in Donezk durch das ukrainische Militär am Donnerstag. Die New York Times erklärte, dass der „dramatische Anstieg des Beschusses ... Moskau nun den Vorwand bieten könnte, nach dem Russland den USA zufolge angeblich für eine Invasion sucht.“

Blinken schloss seinen Bericht darüber, wie Russland eine Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen gedenkt, mit der Erklärung, dass die USA ihre Beweise für die aggressiven Absichten Russlands „sehr detailliert“ darlegen würden. In der Tat hat Blinken keine „Details“ über irgendetwas geliefert. Seine Rede bestand ausschließlich aus unbelegten Behauptungen über die Schlussfolgerungen der „amerikanischen Geheimdienste.“

Die Lügen des amerikanischen Imperialismus zur Rechtfertigung von Kriegen sind so berüchtigt, dass sogar Blinken gezwungen war, sie in einer hinterhältigen Weise anzuerkennen. „Ich bin mir darüber im Klaren, dass einige unsere Informationen in Frage gestellt haben“, sagte er und erinnerte an frühere Fälle, in denen die Informationen letztendlich nicht stimmten. „Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Ich bin heute nicht hier, um einen Krieg zu beginnen, sondern um einen zu verhindern.“

Die Geister der toten Iraker verfolgten die Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Das Blut, das durch die früheren Lügen des amerikanischen Imperialismus produziert wurde - nicht die „Geheimdienstinformationen, [die] sich letztlich nicht bewahrheitet haben“ - kann nicht so einfach weggespült werden. Blinkens Erklärung, er sei „nicht gekommen, um einen Krieg anzufangen, sondern um einen zu verhindern“, war die größte Lüge in seiner gesamten Rede.

Die Vereinigten Staaten drohen in völliger Rücksichtslosigkeit, die Welt in einen neuen Weltkrieg zu stürzen. Das Vorgehen der Biden-Regierung hat etwas Verrücktes an sich, aber es hat eine klare Logik.

Es gibt zwei grundlegende und sich überschneidende Ursachen für die hysterische Kriegstreiberei.

Da ist zunächst einmal das geopolitische Kalkül. Die Militäroperation, die jetzt stattfindet, wurde über Jahre oder sogar Jahrzehnte vorbereitet. Die Vereinigten Staaten sahen die Auflösung der UdSSR vor 30 Jahren als Gelegenheit, alle Beschränkungen für ihre weltweiten militärischen Operationen aufzugeben. Was Europa betrifft, so haben die Vereinigten Staaten die kontinuierliche Osterweiterung der Nato überwacht, um Russland einzukreisen. Wie Hitler 1941, so sehen auch der US-amerikanische und der europäische Imperialismus in Russland ein weites Feld für die Ausplünderung.

Zweitens, und das ist noch entscheidender, ist da die zunehmend explosive soziale und innenpolitische Krise in den USA und ihren Nato-Verbündeten. Nach offiziellen Angaben hat die COVID-19-Pandemie bereits fast eine Million Amerikaner das Leben gekostet. Jede Woche sterben etwa 15.000 Amerikaner an COVID-19.

Wie Jack F. Matlock, Jr., der letzte US-Botschafter in der Sowjetunion, in einem am Mittwoch auf Consortium News veröffentlichten Artikel feststellte, „kann ich den Verdacht nicht von der Hand weisen, dass wir Zeugen einer ausgeklügelten Scharade sind, die von prominenten Elementen der amerikanischen Medien grob aufgebauscht wird, um einem innenpolitischen Ziel zu dienen. Angesichts der steigenden Inflation, der Verwüstungen durch Omicron, der (größtenteils ungerechtfertigten) Schuld am Rückzug aus Afghanistan und der Tatsache, dass es der Regierung Biden nicht gelungen ist, die volle Unterstützung seiner eigenen Partei für das Gesetz „Build Back Better“ zu erhalten, taumelt sie unter sinkenden Zustimmungswerten, während sie sich auf die diesjährigen Kongresswahlen vorbereitet.“

Matlock bekleidete während des Kalten Krieges wichtige außenpolitische Ämter, ist also pro-russischer Sympathien unverdächtig. Umso verheerender ist seine Anklage gegen die USA, die die Krise angezettelt haben.

Angesichts einer Reihe von unlösbaren Krisen wendet sich die amerikanische herrschende Klasse, wie unzählige bankrotte herrschende Klassen vor ihr, dem Krieg als Ausweg zu. Doch während täglich Tausende an der Pandemie sterben, hat sich die herrschende Klasse nicht die Mühe gemacht zu erklären, warum ein Krieg mit Russland eines der wirklichen Probleme der amerikanischen Bevölkerung lösen wird. Stattdessen stützt sie sich auf willfährige Medien, die ihre Lügen und Propaganda verbreiten und das Land und die ganze Welt in einen Krieg mit weitreichenden und katastrophalen Folgen hineinziehen.

Die Kriegstreiberei des amerikanischen Imperialismus entspringt im Grunde nicht einer Position der Stärke, sondern der Schwäche und Verzweiflung. Sie ist eine Antwort auf eine innenpolitische und globale Situation, die einen massiven Ausbruch von sozialer Wut und Widerstand in der Arbeiterklasse hervorruft.

Die dringende Aufgabe besteht darin, diesen objektiven Prozess in eine bewusste politische Bewegung für den Sozialismus umzuwandeln. Dies erfordert vor allem den Aufbau einer revolutionären Führung, die sich gegen Krieg, Ungleichheit, Diktatur und das kapitalistische Profitsystem wendet.

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