Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz stand ganz im Zeichen der Kriegseskalation der USA und der Nato gegen Russland.
Führende Vertreter der imperialistischen Mächte – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris, US-Außenminister Antony Blinken und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – kamen in der bayrischen Landeshauptstadt zusammen, um Russland zu drohen und den Konflikt mit der Nuklearmacht weiter zu befeuern.
Scholz sprach in seiner Rede am Samstag offen aus, wie zugespitzt die Situation ist. „In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt“, erkläre er.
Wie alle Sprecher, mit Ausnahme des chinesischen Außenministers Wang Yi, machte er ausschließlich Russland für die Situation verantwortlich. „Der Aufmarsch von weit über 100.000 russischen Soldaten rings um die Ukraine“ sei „durch nichts gerechtfertigt“. Russland habe „die Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum Casus Belli erhoben“, obwohl hierzu „gar keine Entscheidung“ anstehe.
Dann drohte er Moskau. Bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 15. Februar habe er „deutlich gemacht: Jede weitere Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wird hohe Kosten haben für Russland – politisch, ökonomisch und geostrategisch.“ Zugleich habe er „betont, dass Diplomatie an uns nicht scheitern wird.“ Es gehe „schließlich um nichts Geringeres als den Frieden in Europa“.
Der Versuch von Scholz, sich als Makler „für den Frieden“ hinzustellen, ist absurd.
Man muss nicht Putins bankrotten russischen Nationalismus und Militarismus unterstützen, um anzuerkennen, dass die Nato der Aggressor ist. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie vor 30 Jahren kreist das Militärbündnis Russland entgegen aller damaligen Versicherungen systematisch ein. Insgesamt gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten fünf Nato-Osterweiterungen. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn dem Militärbündnis bei; 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien; 2009 Albanien und Kroatien; 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien.
Das Beharren der Nato auf dem „Recht“ der Ukraine, nun ebenfalls ein Mitglied des Militärbündnisses zu werden, ist Bestandteil der Strategie, Russland zu schwächen und letztlich komplett zu unterwerfen. Wenn Vertreter des Westens in München immer wieder „die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität“ der Ukraine durch Moskau anführten, stellte das die Realität auf den Kopf.
Tatsächlich orchestrierten Washington und Berlin Anfang 2014 in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften einen Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, nachdem sich dieser geweigert hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Seitdem stärken sie systematisch das rechte, anti-russische Regime in Kiew, um die Krim und den Donbass zurückzuerobern, die sich mit großer Mehrheit gegen den Umsturz stellten und auf Moskau orientierten.
Die nun eskalierende Konfrontation ist das Ergebnis der systematischen Offensive der Nato, die immer offener die Form direkter Kriegsvorbereitungen annehmen. Bereits 2017 stationierte das Militärbündnis im Rahmen der „Enhanced Forward Presence“ vier Battlegroups mit je tausend Mann in Polen, Litauen, Lettland und Estland, die aktuell aufgestockt werden. Am vergangenen Mittwoch beschlossen die Nato-Verteidigungsminister auf ihrem Treffen in Brüssel die Aufstellung zusätzlicher „Battlegroups“ in Bulgarien, Slowenien, Ungarn und der Slowakei.
In München prahlte Harris mit weiteren Truppenverlegungen. „Wir haben zusätzliche 6.000 amerikanische Soldaten nach Rumänien, Polen und Deutschland entsandt. Wir haben weitere 8.500 Soldaten in den Vereinigten Staaten in erhöhte Bereitschaft versetzt“, erklärte sie. Die USA würden „jeden Zentimeter des NATO-Gebiets verteidigen“ und die Ukraine weiter mit „militärischer, humanitärer und ökonomischer Hilfe“ unterstützen.
Wie stark die Nato das Regime in Kiew bereits jetzt als engen Bündnispartner betrachtet, unterstrich der Auftritt von Selenskyj. Unter tosendem Applaus der Anwesenden forderte der ukrainische Präsident, einen „klaren Zeitrahmen“ für Aufnahme des Landes in die Europäische Union und die Nato und die „Lieferung der neuesten Waffen, Maschinen und Ausrüstungen für unsere Armee – eine Armee, die ganz Europa schützt“.
Drohend fügte er hinzu: „Ich möchte glauben, dass der Nordatlantikvertrag und Artikel 5 wirksamer sein werden als das Budapester Memorandum.“ Im Budapester Memorandum von 1994 hatten die früheren Sowjetrepubliken Kasachstan, Belarus und die Ukraine auf Nuklearwaffen verzichtet.
Scholz und Harris versicherten in ihren Reden, dass Deutschland und die USA voll hinter dem Artikels 5 das Nato-Vertrags stehen. „Lassen Sie mich eines klarstellen: Amerikas Engagement für Artikel 5 ist unumstößlich. Diese Verpflichtung ist für mich, für Präsident Biden und für unsere gesamte Nation unantastbar“, gab Harris zu Protokoll. Und Scholz: „Deutschland steht zur Garantie des Artikels 5 – ohne Wenn und Aber.“
Diese Aussagen haben weitreichende Konsequenzen. Artikel 5 legt fest, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere“ Parteien „als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“ und „dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen … der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, … einschließlich der Anwendung von Waffengewalt“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Um es klar auszusprechen: Falls sich der Konflikt in der Ostukraine, der von rechtsextremen Milizen systematisch befeuert wird, auf ein osteuropäisches Nato-Mitglied ausweitet, verpflichten sich Washington und Berlin gegen die zweitstärkste Atommacht der Welt in den Krieg zu ziehen – mit unabsehbaren Konsequenzen.
Trotzdem verschärft neben den USA ausgerechnet auch Berlin, das Russland im Zweiten Weltkrieg überfallen und ganz Osteuropa mit einem Vernichtungskrieg überzogen hat, den Kriegskurs.
„Gerade die Entwicklungen der vergangenen Monate zeigen uns doch, wie unverändert nötig die Konzentration auf das Thema ‚Bündnisverteidigung‘ im nordatlantischen Raum ist. Die Fähigkeiten, die dafür erforderlich sind, müssen wir aufbringen“, forderte Scholz. „Und ja, das gilt auch für Deutschland. Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen können, Soldatinnen und Soldaten, die optimal ausgerüstet sind für ihre gefährlichen Aufgaben – das muss ein Land unserer Größe, das ganz besondere Verantwortung trägt in Europa, sich leisten können.“
Scholz lies dabei keinen Zweifel daran, dass sich Deutschland am Kriegsaufmarsch gegen Russland beteiligt, um seine eigenen geostrategischen und wirtschaftlichen Großmachtinteressen zu verfolgen.
„Die Europäische Union ist unser Handlungsrahmen, unsere Chance“, betonte er. „‚Macht unter Mächten‘ zu bleiben, darum geht es, wenn wir von ‚europäischer Souveränität‘ reden. Drei Dinge braucht es auf dem Weg dorthin: Erstens den Willen, als ‚Macht unter Mächten‘ zu handeln, zweitens gemeinsame strategische Ziele und drittens die Fähigkeiten, diese Ziele zu erreichen. An allem arbeiten wir.“
Bereits zu Beginn der Sicherheitskonferenz hatte die sozialdemokratische Verteidigungsministerin Christine Lambrecht eine weitere massive Aufstockung des Verteidigungsetats angemahnt. Am Sonntag wiederholte sie ihre Forderung. „Wir werden kontinuierlich die Verteidigungsausgaben erhöhen“, verkündete sie bei einer Diskussionsrunde zur Zukunft der EU-Sicherheits- und Außenpolitik. Ziel der Ampelkoalition sei es, künftig drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung, Diplomatie und Entwicklungshilfe auszugeben.
Inmitten der Pandemie, die allein in Deutschland bereits mehr als 120.000 Menschenleben gefordert hat, ist das eine doppelte Kriegserklärung. Während für die Bekämpfung von Covid-19 angeblich keine Mittel vorhanden sind und die Regierung alle Schutzmaßnahmen beendet, sollen dutzende weitere Milliarden ins Militär fließen. Die Arbeiterklasse muss auf der Grundlage eines unabhängigen sozialistischen Programms eingreifen, um das Massensterben in der Pandemie zu stoppen und einen dritten Weltkrieg zu verhindern.