#WirWerdenLaut: Wie weiter im Kampf gegen die Durchseuchung?

Der Kampf um sichere Bildung und gegen die Durchseuchungspolitik der Regierung spitzt sich immer weiter zu. Während Schüler, Eltern und Lehrer zu Zehntausenden gegen die unsicheren Lernbedingungen protestieren, haben Bund und Länder beschlossen, noch die letzten Sicherheitsmaßnahmen aufzuheben und dem tödlichen Corona-Virus in den Schulen freie Bahn zu schaffen.

Die zahlreichen Kundgebungen von besorgten Eltern in Berlin, Bremen, Hamburg, Bonn, Frankfurt, Stuttgart und München, die Petition unter dem Hashtag #WirWerdenLaut, die in kürzester Zeit fast 150.000 Unterschriften erhielt und die Streiks von Schülern gegen die Durchseuchung sind Teil einer wachsenden internationalen Bewegung gegen die rücksichtslose Politik der Herdenimmunität.

Unter diesen Bedingungen ist die Bewegung mit grundlegenden Fragen konfrontiert. Richtet sie fruchtlose Appelle an die jeweiligen Regierungen, die die Durchseuchung mit aller Aggressivität durchsetzen oder schließt sie sich international zusammen und kämpft gegen die Regierung? Gegen Versuche einiger Initiatoren der #WirWerdenLaut-Petition, Illusionen in die Regierungen zu schüren, schrieben die IYSSE schon in einer Erklärung vom 8. Februar:

Dieser Appell an die Machthaber wird wie ähnliche Appelle in der Vergangenheit auf taube Ohren stoßen. Die Regierungsparteien haben in den vergangenen zwei Jahren bewiesen, dass sie die Profitinteressen der Wirtschaft höher stellen als die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung. Allein in Deutschland sind mehr als 119.000 Menschen an Corona gestorben und fast elf Millionen haben sich infiziert. Auf die Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante reagiert die Regierung nicht etwa mit einer Verstärkung der Schutzmaßnahmen, sondern mit ihrem weiteren Abbau.

Diese Warnung hat sich inzwischen auf dramatische Art und Weise bewahrheitet. Anstatt auf die Forderungen der Schüler einzugehen, haben die Ampel-Koalition und sämtliche Landesregierungen inmitten der bislang schlimmsten Corona-Entwicklung an Schulen und Kitas beschlossen, auch die letzten verbleibenden Corona-Schutzmaßnahmen zu beseitigen. Selbst Forderungen nach einem flächendeckenden Einbau von Luftfiltern und der Aufhebung der Präsenzpflicht begegnen die Regierungen mit offener Feindschaft.

Am aggressivsten tritt Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf, die zugleich Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) ist. Sie hat die Berliner Schülersprecher Anjo Genow und Tobias Westphal, die zu den Initiatoren der #WirWerdenLaut-Petition gehören, am Dienstag zu einem Gespräch eingeladen, das entgegen einer ursprünglichen Ankündigung Priens unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand und dazu dienen sollte, sich gegenseitig „anzunähern“.

„Wir sind nicht mit hohen Erwartungen in das Gespräch gegangen“, berichtet Tobias Westphal, Schülersprecher des Lichtenberger Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums, darüber auf Twitter. „Frau Prien fragte uns, warum sich so viele junge Menschen nicht impfen ließen, sprach von einer Endemie und verbreitete das Narrativ einer für Schülerinnen und Schüler vollkommen harmlosen Krankheit. Zugleich stellte sie unsere Aussagen immer wieder in Frage und warf uns vor, zu lügen.“

Die Gefahren leugnend, die Covid-19 für Kinder darstellt, habe Prien „die Sicherheitsmaßnahmen in den Schulen“ als „Ursache für eine Kultur der Angst“ bezeichnet, „unsere Wahrnehmung belächelt“ und noch am gleichen Tag angekündigt, Anfang März die Kohortenregelungen aufzuheben. In der rechten Tageszeitung Welt beschimpfte Prien – die ihren Twitter-Account deaktiviert hatte, um sich nicht länger mit kritischen Schülern, Eltern und Lehrern auseinandersetzen zu müssen – ihre Kritiker anschließend als „Psychopathen“.

Schon zuvor war Prien massiven Protesten auf Twitter ausgesetzt, nachdem sie das Corona-Leugner-Argument bediente, dass die Dutzenden Kinder, die an Covid19 verstorben sind, „mit und nicht an“ dem Virus gestorben seien. Tatsächlich werden sämtliche Todesfälle von Kindern vom RKI einzeln überprüft und nur dann in die Statistik aufgenommen, wenn Covid als Todesursache feststeht.

Angesichts dieser offenen Lügen und des beleidigenden Auftretens gegenüber den Schülern fordert Schülersprecher Westphal wie tausende Twitter-User den Rücktritt der KMK-Präsidentin: „Eine Frau, die den Tod von Kindern beschönigt und sich dabei Querdenker-Argumenten bedient, sollte nicht über das Wohlergehen hunderttausender junger Menschen in ganz Deutschland entscheiden dürfen.“

Das ist zweifellos richtig, doch es geht nicht nur um Prien. Ähnliche Erfahrungen haben die Schülersprecher schon in Gesprächen mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang gemacht. Die Durchseuchungspolitik wird von sämtlichen Bundestagsparteien auf Bundes- und Landesebene durchgesetzt, um die Profite der Banken und Konzerne zu sichern.

Deshalb reagieren Regierungspolitiker und rechte Medien auf die jüngsten Proteste mit extremer Hetze. Eltern und Lehrer, die in den sozialen Medien die Durchseuchung kritisieren und sich dagegen zur Wehr setzen, werden als „Terroristen“ verleumdet, von Neonazis bedroht und von den Behörden mit Klagen überzogen. Wer die planmäßige Durchseuchung der Jugendlichen und der ganzen Gesellschaft beim Namen nennt, wird als „Verschwörungstheoretiker“ verunglimpft.

In Wirklichkeit ist die vorsätzliche Durchseuchung der Kinder keine „Verschwörungstheorie“, sondern eine politische Tatsache, die von Politikern und Regierungsberatern selbst immer wieder offen ausgesprochen wird.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mehrfach klargestellt, dass die Pandemie aus Sicht seines Ressorts noch „zehn Jahre“ oder auch „dreißig, vierzig Jahre“ andauern wird. Er bringt damit die Tatsache zum Ausdruck, dass ein ernsthafter Kampf gegen die Pandemie aus kapitalistischer Sicht nicht rentabel ist und die herrschende Klasse keinerlei Absicht hegt, das Massensterben durch eine international koordinierte Strategie zu beenden. Die immer neue Herausbildung weiterer Coronavirus-Mutanten und der Tod von Millionen Menschen sollen zum gesellschaftlichen Normalzustand erklärt werden.

Dieses Phänomen ist auch nicht auf Deutschland beschränkt. Die Politik der Durchseuchung wird von fast allen kapitalistischen Regierungen ohne jede Rücksicht durchgesetzt. In vielen Ländern sind Todeszahlen wieder fast so hoch wie auf der bisherigen Spitze im Todeswinter 2020/21 und dennoch wird weiter geöffnet. In Großbritannien wurde nun sogar die Pflicht zur Isolation von erkrankten Personen abgeschafft.

Schon der internationale Gleichschritt der Durchseuchungspolitik zeigt, dass sie ihre Grundlage nicht in der Beschränktheit des ein oder anderen Politikers, sondern im kapitalistischen System hat. Um ihre Profite zu erhöhen und die Produktion nicht zu gefährden, sind die Herrschenden bereit über Leichen zu gehen. Das zeigt sich auch im aggressiven Kriegskurs gegen Russland, der von den Nato-Mächten unablässig vorangetrieben wird.

Unter diesen Bedingungen muss sich die Bewegung gegen die Durchseuchung mit den wachsenden Kämpfen der Arbeiterklasse gegen Lohnraub und Massenentlassungen verbinden und internationale Formen annehmen. Deshalb rufen die IYSSE dazu auf, unabhängige Aktionskomitees für sichere Bildung aufzubauen, die sich gegen die Regierungen in Bund und Ländern richten, sich international koordinieren und mit Aktionskomitees in den Betrieben zusammenschließen.

In dem Statement vom 8. Februar schrieben wir:

Statt Appelle an die etablierten Parteien zu richten, die Tag für Tag deutlich machen, dass ihnen unsere Leben nichts wert sind, müssen sich Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer unabhängig in Aktionskomitees für sichere Bildung organisieren, die den Kampf in die eigene Hand nehmen und die Sicherheitsmaßnahmen, die in der Petition genannt werden, sofort durchsetzen. Mit Schulstreiks und Protesten müssen Schüler den Auftakt für eine umfassende Rebellion der gesamten Arbeiterklasse gegen die Durchseuchung bilden.

Die einzige Möglichkeit, die endlose Durchseuchung zu stoppen, ist der internationale Kampf für „Zero Covid“, gestützt auf eine sozialistische Perspektive und eine Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus:

Statt Milliarden an die Unternehmen und Superreichen zu überweisen, müssen die Zahl der Lehrer verdoppelt und Schulen zu sicheren Lernorten werden. Um die notwendigen Lockdowns – allen voran für Schulen und nicht lebensnotwendige Betriebe – inklusive Lohnausgleich, Unterstützung für arme Familien, Entschädigung von Kleinunternehmen etc. zu finanzieren, müssen die Pandemieprofite zu 100 Prozent versteuert werden.

Ein Gesellschaftssystem, das für Profite über Leichen geht und die Gesundheit und die Zukunft ganzer Generationen zerstört, muss abgeschafft und durch ein System ersetzt werden, das dem Leben Vorrang vor Profiten gibt. Der Kampf gegen die Pandemie ist wie der Kampf gegen soziale Ungleichheit und Krieg im Kern ein Kampf gegen den Kapitalismus und für Sozialismus.

Wir rufen alle Schüler, Lehrer und Eltern dazu auf, mit uns Kontakt aufzunehmen, um für diese Perspektive zu kämpfen.

Loading