Man kann nur als Spektakel bezeichnen, was Dienstag letzter Woche auf dem Gelände von Teslas neue Elektroautofabrik östlich von Berlin zelebriert wurde.
Tesla-Gründer Elon Musk, der reichste Mann der Welt, übergab die ersten Fahrzeuge aus brandenburgischer Produktion höchstpersönlich an Kunden, die in der Lage waren, 70.000 Euro auf den Tisch zu legen. Ähnlich wie seinerzeit Helmut Kohl, der „blühende Landschaften“ versprach, behauptete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Einweihung: „Der Osten ist industriell vorne mit dabei.“
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete das US-Unternehmen als Vorbild für Deutschland. Tesla habe sich für Deutschland entschieden, weil das Unternehmen hier den Leitmarkt für Elektromobilität erwarte. Das sei auch sein Ziel, fügte er hinzu. Dass das in Rekordzeit hochgezogene Autowerk größtenteils ohne Genehmigung und unter sklavenhaften Arbeitsbedingungen auf der Baustelle entstand, scherte Habeck nicht im Geringsten.
Im Gegenteil, er empfahl den deutschen Konzernherren, mit derselben Rücksichtslosigkeit vorzugehen: „Diese kurze Zeit des Fabrikbaus kann natürlich ein bisschen auch eine Maßgabe sein für Tesla-Tempo auch in anderen Bereichen,“ sagte Habeck bei der Eröffnung des Werks. „Ich arbeite daran, 24 Stunden, 7 Tage die Woche.“
Sichtlich angetan von Musks skrupellosen Methoden, gab der Wirtschaftsminister seine Vorstellung von grünem Kapitalismus kund: „Wären die Genehmigungen nicht gekommen, hätten die zurückbauen müssen. Das ist eine andere Unternehmens-Wagemut-Kultur – aber hat ja geklappt.“
Die lobenden Äußerungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie klingen im Vergleich dazu nahezu verhalten „Das Tempo bei Tesla muss als Vorbild für Investitionsprojekte in Deutschland dienen,“ sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Gleichzeitig benutzten sämtliche anwesenden Politiker die Eröffnung des Elektroautowerks als willkommenen Anlass, um die energiepolitische Unabhängigkeit Deutschlands von Russland zu betonen. Auch hier gab Habeck den Ton an: „Wir wollen unabhängig von russischem Öl werden. Das ist nicht trivial.“ In Bezug auf den Ukraine-Krieg sagte er: „Zu zeigen, wir können nicht nur Öl durch Öl ersetzen, sondern wir können auch elektrisch, ist natürlich an diesem Tag ein schönes Symbol.“
Bei so viel Zustimmung und Begeisterung konnte die IG-Metall natürlich nicht fehlen. Birgit Dietze, die IGM-Bezirksleiterin für Berlin, Brandenburg und Sachsen, schickte folgende Botschaft an Tesla: „Zur Werkseröffnung gratuliere ich dem Unternehmen Tesla und seinem Gründer Elon Musk.“ Sie fügte hinzu: „In Grünheide arbeiten die Beschäftigten als Pioniere der Elektromobilität in einem weltweit führenden Werk an der Antriebstechnik des 21. Jahrhunderts.“
Die Schwärmerei der IG-Metallbürokratin kannte keine Grenzen: „Wer auf einer Weltkarte die großen Automobilstandorte sucht, wird künftig auf den Ort Grünheide in Brandenburg stoßen. Mit der Eröffnung der Tesla-Fabrik stärkt Ostdeutschland seine internationale Vorreiterrolle bei der Elektromobilität.“ Sie schloss mit der Aussage, diese Innovationskraft und die hohe Produktivität seien eine „wichtige Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne in Deutschland“.
Es sei einmal dahingestellt, wie innovativ und umweltfreundlich Elektroautos wirklich sind. Sicher ist, dass die Autokonzerne die Umstellung, oft Transformation genannt, gezielt nutzen, um Kosten zu senken, Personal abzubauen und ihre Profite zu steigern.
Laut jüngsten Studien des Ifo-Instituts werden allein in Deutschland in den nächsten drei bis vier Jahren etwa 180.000 Arbeitsplätze überflüssig. Auch wenn in der Gigafactory in Brandenburg bald 12.000 Menschen arbeiten sollten, wiegt das in keiner Weise den Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen auf.
US-Konzerne wie Tesla oder Amazon haben in den vergangenen Jahren gezeigt, was „Innovationskraft und hohe Produktivität“ für die Beschäftigten bedeutet. Der Arbeitsdruck und das Arbeitstempo wurden drastisch erhöht. Arbeitszeiten, Pausenregelungen, soziale Standards, relative hohe Löhne und überwiegend Festverträge, wie sie hier einst von den Arbeitern erkämpft wurden und in der Autoindustrie noch vorherrschen, gibt es dort kaum mehr. Die Begeisterung von Regierung, BDI und IG Metall für Tesla muss in diesem Zusammenhang betrachtet werden.
Musks Starlink unterstützt Krieg gegen Russland
Mit dem Ukraine-Krieg werden weitere Fragen aufgeworfen, die sehr direkt mit Elon Musk in Verbindung stehen.
Tesla, aber auch deutsche Autokonzerne, insbesondere VW, beklagen einen kriegsbedingten Mangel an Material und Rohstoffen. Nicht nur Lieferengpässe bei Gas, Kohle oder Öl werden in der Industrie befürchtet. Vor allem Nickel, zentral für die Batterieproduktion, und Magnesium, der Rohstoff für Aluminium-Legierungen, aber auch Palladium für den Bau von Katalysatoren werden in der Autoindustrie benötigt. Die größten Produzenten und Lieferanten dieser Rohstoffe sind Russland und China.
Bereits lange vor dem Krieg gab es pandemie- und spekulationsbedingte Lieferengpässe und Preissteigerungen von bis zu 400 Prozent. Der Krieg und die massiven Sanktionen gegen Russland führen jetzt zu massiven Lieferausfällen. Laut einer branchenübergreifenden Umfrage des Münchner Ifo-Instituts nannten 89 Prozent der Firmen in der Autoindustrie Probleme beim Einkauf.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Elon Musk – ebenso wie die Nato, die USA und Europa – mittendrin im Krieg gegen Russland steckt. Wie Stern-Online kürzlich berichtete, spielt das von Musks Firma SpaceX betriebene Satelliten-Internetnetzwerk Starlink eine wichtige Rolle im Krieg gegen Russland.
Laut dem Bericht erreichten gleich zu Kriegsbeginn ganze LKW-Ladungen mit Starlink-Bodenstationen die Ukraine. Der ukrainische Digitalminister Fedorow habe Elon Musk via Twitter darum gebeten. Insbesondere die Einheit Aerorozvidka (Luftaufklärung), die Drohnen für die Überwachung und den Angriff auf russische Panzer und Stellungen einsetzt, habe davon profitiert. Sie nutzt Starlink für den Zugriff auf strategische Datenbanken, den Kontakt zu den Leitstellen und zur Unterstützung der Artillerie.
„Sobald die Aerorozvidka russische Ziele identifiziert hat, steuern die Soldaten unbemannte Fluggeräte mit Antipanzer-Munition darüber und lassen die Bomben fallen – oder geben die Koordinaten weiter,“ berichtet Stern-Online. Ein ukrainischer Soldat habe die Effektivität der Angriffe bestätigt: „In der Nacht ist es unmöglich, unsere Drohnen zu sehen. Wir suchen gezielt nach dem wertvollsten Lastwagen im Konvoi und treffen ihn dann genau. Wir können das sehr gut und mit sehr geringen Kollateralschäden machen – sogar in den Dörfern ist das möglich.“
Arbeiter müssen den Kriegseinsatz der Nato ebenso strikt ablehnen, wie den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Nato hat den Krieg durch die systematische Einkreisung Russlands gezielt provoziert. Sie führt in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg, dessen Ziele ein Regimewechsel in Moskau, die Zerschlagung Russlands und der ungehinderte Zugriff auf seine wertvollen Rohstoffe sind. Um dies zu erreichen, riskiert sie einen Atomkrieg.
Die Bundesregierung nutzt den Krieg zudem als Vorwand für die größte Rüstungsoffensive seit Hitler. Sie liefert Waffen ins Kriegsgebiet und verdreifacht den Rüstungshaushalt in diesem Jahr von 50 auf 150 Milliarden Euro. Das kann nur als Kriegserklärung an die arbeitende Bevölkerung verstanden werden, die die Kosten tragen muss. Die Kriegsgefahr kann nur durch den vereinten Widerstand der Arbeiterklasse Russlands, der Ukraine, Deutschlands und weltweit bekämpft werden.
Die Rolle der IG Metall
Doch zurück zu Tesla in Grünheide. Die Arbeiter, die bald bis zu 500.000 Elektroautos im Jahr produzieren sollen, werden es mit einem Elon Musk zu tun haben, der vor nichts zurückschreckt, wenn es um die Profitmaximierung seines Konzerns geht.
Als Tesla Anfang des Jahres ankündigte, bereits am 28. Februar 2022 einen Betriebsrat wählen zu lassen, wurde dies von der IG Metall, die in der Autoindustrie seit langem als Fürsprecherin der Konzerninteressen dient, umgehend begrüßt.
Die IG Metall war jedoch nicht in der Lage, eine eigene Liste aufzustellen, weil sie schlicht nicht über genügend Mitglieder im Betrieb verfügte. Nun gibt es einen Betriebsrat, der mehrheitlich von der Liste „Gigavoice“ gestellt wird. Diese Liste wurde von Tesla selbst aufgebaut und finanziert, ihre Kandidaten entstammen ausnahmslos der mittleren und sogar oberen Führungsebene und nennen sich Manager, Supervisor, Superintendent.
Nach Informationen aus zwei unterschiedlichen Quellen sieht das Ergebnis der Betriebsratswahl vermutlich wie folgt aus: 881 von 1879 abgegebenen Stimmen gingen an „Gigavoice“, die damit zehn Mitglieder des vermutlich 19-köpfigen Gigafactory-Betriebsrats stellen kann. 404 Stimmen und damit vier Sitze bekam die Liste „Giga4You“, 340 Stimmen und drei Sitze die Liste „Heart of Tesla“ und 196 Stimmen und zwei Sitze die Liste „Energy for the Future“.
Bereits aus den Namen der drei kleineren Listen ist zu erkennen, dass sie sich ebenso an den Profitinteressen von Tesla ausrichten, auch wenn sie einige „normale Mitarbeiter“ in ihren Reihen haben mögen und von der IG Metall deshalb als Alternative dargestellt werden.
Obwohl das Wahlergebnis für die IG Metall einer Ohrfeige gleichkommt, begrüßte Bezirksleiterin Dietze die Wahl. Damit habe der Autobauer den „ersten Schritt in die hier gewachsene Mitbestimmungslandschaft“ gesetzt.
„Die Betriebsratswahl hatte einige Probleme wie den frühen Termin, da die Belegschaft stark wächst und viele Stellen gerade in der Produktion noch nicht besetzt waren,“ sagte Dietze. „Dennoch war diese erste Betriebsratswahl bei Tesla in Grünheide eine gelungene Premiere.“ Nun müssten „dem ersten Schritt in die Mitbestimmungskultur weitere folgen“. Die IG Metall habe „jedes Interesse daran, dass dieses Werk floriert und dauerhaft Erfolg hat“.
Die WSWS hat die Arbeiter lange vor der Eröffnung der Tesla-Fabrik und der Betriebsratswahl davor gewarnt, irgendwelche Illusionen in einen wie auch immer zusammengesetzten Betriebsrat zu hegen. Stattdessen hat sie die Tesla-Arbeiter dazu aufgerufen, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen.
Wir schrieben: „Doch die eigentliche Frage für die vielen Tausend Produktionsarbeiter, die demnächst dort schuften werden, ist eine ganz andere: Ist ein Betriebsrat mit oder ohne IG Metall-Beteiligung überhaupt wünschenswert? Warum soll die neue Belegschaft, die sehr schnell mit den üblen Arbeitsmethoden von Musk in Konflikt kommen wird, sich freiwillig einen zweiten Gegner schaffen?“
Und weiter: „Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) lehnen aus diesen Gründen einen Betriebsrat bei Tesla ab. Ein Betriebsrat, ob unter der Kontrolle der Geschäftsführung oder unter der Leitung der IG Metall, würde die Arbeitsbedingungen nicht verbessern. Im Gegenteil, überall wo Betriebsräte und Gewerkschaften Einfluss haben, wurden in den vergangenen Jahren die Löhne und Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtert.
Diese Apparate sind dazu da, die Arbeiter zu kontrollieren und ihre Kämpfe zu unterdrücken und zu spalten. Sie bemühen sich zu verhindern, dass sie zum Ausgangspunkt für eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse werden.
Wir rufen die Arbeiter stattdessen dazu auf, bei Tesla ihre eigenen, unabhängigen Aktionskomitees aufzubauen, die demokratisch gewählt sind und von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Solche Organisationen sind wichtig, um sich mit Tesla-Kollegen in den USA und weltweit zu vernetzen und einen gemeinsamen Kampf vorzubereiten.“
Mehr lesen
- Tesla-Grünheide: Baut ein unabhängiges Aktionskomitee auf, statt einen Betriebsrat zu wählen!
- Autoindustrie: Die Tesla-Giga-Factory in Brandenburg und der weltweite Verdrängungswettbewerb
- Behind Tesla’s rise, part 1: Tesla’s market value and Wall Street speculation
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