In Griechenland sind Arbeiter aus allen Wirtschaftszweigen am Dienstag in einen 24-stündigen Generalstreik getreten.
Der Streik wurde aus Protest gegen die rapide ansteigenden Lebenshaltungskosten, wovon Millionen Menschen betroffen sind, und gegen die zunehmende soziale Ungleichheit ausgerufen. Er legte weite Teile des Landes lahm.
Der öffentliche Nahverkehr kam in Athen weitgehend zum Erliegen, wo U-Bahn, Straßenbahn, Trolleybus und Vorortbahn nicht mehr fuhren. Die Busse verkehrten ab 9 Uhr morgens nur 12 Stunden lang, wobei zwei dreistündige Streiks der Busarbeiter zu Beginn und am Ende ihrer Schichten stattfanden. Die Fähren, die für die Versorgung der zahlreichen griechischen Inseln eine wichtige Rolle spielen, blieben in den Häfen. Die Schulen waren geschlossen, da die staatlichen Einrichtungen geschlossen waren. In den staatlichen Krankenhäusern behandelte das Pflegepersonal nur Notfälle.
Der Streik hätte eine noch größere Wirkung gehabt, wenn die Zivilluftfahrtbehörde nicht durch ihr antidemokratisches Eingreifen eine gerichtliche Verfügung erwirkt hätte, die die Teilnahme von Fluglotsen, Elektroingenieuren und Telekommunikationspersonal für illegal erklärte.
Die Bewegung der griechischen Arbeiter ist Teil eines weltweiten Ausbruchs des Klassenkampfes, der durch die Zerstörung des Lebensstandards der Arbeiter infolge der Pandemie und des Krieges in der Ukraine angeheizt wird. In den letzten Wochen kam es in vielen Ländern, darunter Sri Lanka, Spanien, Sudan, Tunesien und Kanada, zu Streiks und Massenprotesten gegen die brutale Sparpolitik.
Die Einkommen von Millionen von Menschen wurden vor allem durch die steigenden Energiepreise geschmälert, die durch die Beteiligung Griechenlands an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland noch verschärft wurden. 40 Prozent des jährlichen Energiebedarfs Griechenlands stammen aus russischen Gasimporten.
Dieser Angriff richtet sich gegen die Arbeiterklasse in Griechenland, die seit fast 15 Jahren unter einem sozialen und wirtschaftlichen Krieg leidet, den aufeinanderfolgende Regierungen gegen ihren Lebensstandard geführt haben. An der Spitze der Regierungen standen sowohl die sozialdemokratische PASOK, als auch die pseudolinke Syriza (an der Regierung von 2015 bis 2019) und die rechte Nea Dimokratia (ND).
Zu dem Streik hatten die beiden größten Gewerkschaften Griechenlands mit 2,5 Millionen Mitgliedern aufgerufen: der Allgemeine Griechische Gewerkschaftsbund (GSEE) für den privaten und der Gewerkschaftsverband ADEDY für den öffentlichen Sektor. Der von der stalinistischen Kommunistischen Partei (KKE) geführte Verband „Militante Arbeiterfront“ (PAME) nahm ebenfalls teil.
In allen größeren Städten fanden Kundgebungen statt, insgesamt über 70 im Verlauf des Tages. Zehntausende nahmen an den Kundgebungen in Athen teil. Associated Press berichtete, dass „9.000 Menschen in Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands, demonstrierten“.
In Athen fanden drei Kundgebungen auf verschiedenen Plätzen statt, die von den verschiedenen Verbänden und „linken“ Parteien angeführt wurden.
Die tausenden Teilnehmer der Kundgebungen sprachen wiederum für Millionen und nutzten die Gelegenheit, um die starke Beteiligung der ND-Regierung an dem von den USA und den Nato-Mächten bewusst provozierten Krieg in der Ukraine anzuprangern. Tausende nahmen an der PAME-Kundgebung auf dem großen Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament teil. Auf dem Plakat der PAME, mit der sie für die Teilnahme an der Kundgebung warb, fanden sich Slogans wie „Gegen die steigenden Lebenshaltungskosten“, „Für Tarifverhandlungen und Lohnerhöhungen“ und „Nein zur Beteiligung Griechenlands am Krieg“.
Die KKE und die PAME sind vehement nationalistische Organisationen, deren Geschichte von den konterrevolutionären Verbrechen der sowjetischen Bürokratie durchdrungen ist. Zu ihrer Wählerschaft gehören Mitglieder und deren Nachkommen, die sich an die faschistische Besetzung des Landes durch Hitlers Truppen im Zweiten Weltkrieg und an die Machtübernahme durch die von den USA unterstützte faschistische Junta im Jahr 1967 erinnern können, die bis 1974 an der Macht blieb. Derartige Aufrufe von PAME/KKE gegen den Krieg sowie ihre Erklärungen gegen den Imperialismus erfolgen immer unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der „nationalen Interessen“ Griechenlands.
PAME ist sich ebenso wie die anderen großen Gewerkschaftsverbände der wachsenden antiimperialistischen Stimmung und des Widerstands gegen eine herrschende Elite in der Arbeiterklasse bewusst, während Griechenland seine Beziehungen zur Nato vertieft und als wichtiger Stützpunkt für Provokationen gegen Russland fungiert.
Diese Stimmungen sind so stark, dass die Gewerkschaftsbürokratie gezwungen ist, eine taktische Änderung vorzunehmen. Die Website The Press Project berichtet: „ADEDY hat ihrerseits mit ihrer Forderung nach einer sofortigen Beendigung des Kriegs dem Streik einen Antikriegs-Ton verliehen“. Sie beschuldige „die Regierung, den Krieg zu nutzen, um von ihrer eigenen Verantwortung für den Anstieg der Lebenshaltungskosten und die Lohnkürzungen für die Arbeitnehmer abzulenken und ihre arbeitnehmerfeindliche und neoliberale Politik fortzusetzen.“
Die Inflation nimmt exponentiell zu und stieg von 6,2 Prozent im Januar auf 7,2 Prozent im Februar und nach vorläufigen Daten, die letzte Woche veröffentlicht wurden, auf 8 Prozent im März. Eine Studie der griechischen Statistikbehörde vom Februar ergab, dass die Inflation die Strompreise um sage und schreibe 71,4 Prozent in die Höhe getrieben hat. Die Kosten für Erdgas sind um 78,5 Prozent gestiegen. Viele Familien sind für die Heizung ihrer Häuser auf Heizöl angewiesen, dessen Preis um 41,5 Prozent gestiegen ist. Die Preise für Kraft- und Schmierstoffe stiegen um 23,2 Prozent.
Solche Preise sind in einem Land, in dem der Mindestlohn nach einer winzigen Erhöhung durch die ND-Regierung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis im Januar nur 663 Euro (723 US-Dollar) pro Monat beträgt, schlichtweg unerschwinglich. Angesichts der sich rasant entwickelnden Inflationsrate und der bereits erfolgten drastischen Senkung des Lebensstandards würde eine vom GSEE geforderte 13-prozentige Anhebung des Mindestlohns diesen auf nur 751 Euro bringen.
Der Anstieg der Energiepreise und die Verteuerung von Grundnahrungsmitteln sowie die Verknappung von Brot und anderen Mehlprodukten haben eine soziale Krise ausgelöst. Griechenland importiert etwa 250.000 Tonnen Weichweizen aus Russland und der Ukraine, was 30 Prozent seiner gesamten Weizenimporte entspricht. Schon vor dem Ukraine-Krieg waren die Großhandelspreise für Weizen um 80 Prozent höher als im Jahr 2020, was hauptsächlich auf die Energiekosten zurückzuführen ist. Vor zwei Wochen verhängten Supermärkte Beschränkungen für den Kauf von Mehl, Öl und anderen Produkten.
„Unser Leben besteht jetzt nur noch daraus, dass wir Schulden haben“, sagte Georgios Alexandropoulos, ein 60-jähriger Kurierfahrer, während des Streiks gegenüber Reuters. „Ich habe Schulden beim Energieversorger und bei meinem Vermieter, ich bin zwei Monate mit der Miete im Rückstand, und ich habe die letzten beiden Stromrechnungen nicht zahlen können. Bald sind wir bei allen verschuldet... so kann es nicht weitergehen.“ Der Psychologe Michalis Tokaras sagte, er sei gezwungen, „bei allem Abstriche zu machen“ und fügte hinzu: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir unsere Hypothek oder die Rechnungen bezahlen. Wir haben den Tiefpunkt erreicht.“
Der GSEE erklärte zum Streikaufruf: „Seit 14 Jahren tragen die Beschäftigten die Last einer tiefen Krise, die sich auf das Einkommen und das Leben aller ausgewirkt hat.“
Die Forderungen der Gewerkschaftsbürokratie sind zutiefst zynisch. ADEDY hat unter anderem Lohnerhöhungen mindestens in Höhe des BIP-Wachstums und der Inflation sowie die Abschaffung der verhassten Solidaritätssteuer in Höhe von 1 bis 4 Prozent des Einkommens, die erstmals 2011 eingeführt wurde und schon 2015 auslaufen sollte, gefordert. Dabei haben die Gewerkschaften Jahr für Jahr mit den Regierungen zusammengearbeitet, um jeden Kampf der Arbeiterklasse zu unterdrücken.
Der Kampf der Arbeiter gegen die systematischen Sozialangriffe und die Superausbeutung durch die Konzerne überschneidet sich nun mit dem wachsenden Widerstand gegen Krieg, Imperialismus und Diktatur.
Wochenlang weigerten sich die Arbeiter der griechischen Eisenbahngesellschaft TrainOSE in Thessaloniki, gepanzerte Nato-Militärfahrzeuge an die ukrainische Grenze zu transportieren, die auf US-Frachtschiffen im Hafen von Alexandroupolis im Norden Griechenlands angekommen waren. Sie sollten nach Rumänien und Polen an die ukrainische Grenze gebracht werden, um dort vom Selenskyj-Regime eingesetzt zu werden. Obwohl TrainOSE den Arbeitern mit Entlassung drohte, gelang es dem Unternehmen nicht, die Zustimmung zum Transport des Zuges zu erhalten. Schließlich musste das Unternehmen Streikbrecher anwerben, um den Zug nach Alexandroupolis zu bringen.
Berichten zufolge wurden vorgestern in Thessaloniki acht Streikende verhaftet, darunter nach Angaben der Tageszeitung Ta Nea auch Mitglieder des Zentralkomitees der KKE. Abends fand eine Kundgebung vor dem Polizeipräsidium in der Stadt statt, um ihre Freilassung zu fordern.
Die politische Bedeutung der Aktion in Griechenland wurde durch die Reaktion ukrainischer Neonazis unterstrichen, die gestern in einem Post auf Telegram wüteten: „Mitglieder des roten Gesindels in Griechenland... Eine Kompanie ukrainischer Nationalisten würde das Problem ein für alle Mal lösen.“ In Anspielung auf die faschistische Junta, die Griechenland regierte, fügten sie hinzu: „Lasst uns die Macht der ,schwarzen Obristen‘ zurückbringen – schnell und effizient.'
Angesichts einer Flutwelle von Regierungs- und Medienpropaganda, die Russland dämonisiert und von allen verlangt, ihren Lebensstandard zu opfern, um die Nato-Operation zu unterstützen, berichtete Ta Nea, dass eine Zweidrittelmehrheit in einer Umfrage erklärte, dass die Lieferung von Kriegsmaterial an die Ukraine Griechenland in Gefahr bringe.
Eine Mehrheit sprach sich dafür aus, nur humanitäre Hilfe zu schicken. Nur 32 Prozent stimmten zu, sowohl humanitäre Hilfe als auch Kriegsmaterial zu schicken. Nur eine knappe Mehrheit (53 Prozent) glaubt, dass der Krieg lokal begrenzt sein wird, und 40 Prozent befürchten, dass er zu einem globalen Konflikt führen könnte.