Ford Valencia: Spanische Gewerkschaft UGT setzt Lohnkürzungen durch

Mittwoch letzter Woche haben die spanische Gewerkschaft UGT und der Ford-Konzern in Spanien den 18. Tarifvertrag für das Werk Almussafes in Valencia unterzeichnet. Der Vertrag ist der schärfste Angriff auf die Arbeiter in der 46-jährigen Geschichte des Werks in Valencia. Das zwischen der sozialdemokratischen Gewerkschaft und der Ford-Geschäftsführung ausgearbeitete Dokument sieht Lohnkürzungen und die Spaltung der europäischen Belegschaften entlang nationaler Grenzen vor, um von der Umstellung auf die Produktion von Elektrofahrzeugen massiv zu profitieren.

Ford will die Produktion bis 2030 vollständig auf Elektrofahrzeuge umstellen. Ford Europa hat die Werke in Almussafes und Saarlouis, Deutschland, aufgefordert, Vorschläge für größtmögliche Kürzungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen zu unterbreiten. Die Vorschläge sollen im nächsten Monat dem Ford-Hauptquartier in Detroit vorgelegt werden. Dem Werk, das in diesem Wettbewerb „unterliegt“, droht nach 2025 die Schließung, was Zehntausende Arbeitsplätze entweder in Spanien oder Deutschland gefährdet.

Hinter dem Rücken der Beschäftigten wurde der Tarifvertrag vom Direktor des Werks Almussafes, Dionisio Campos, und seitens der UGT vom Vorsitzenden des Betriebsrates, Carlos Faubel, und dem Sekretär, José Luis Parra, unterzeichnet.

Die Gewerkschaften haben sich geweigert, den Autoarbeitern den Entwurf des Tarifvertrags zugänglich zu machen und ihnen nur einige Punkte mitgeteilt. Am Montag letzter Woche gaben die UGT und die Unternehmensleitung den Minderheitsgewerkschaften nur 24 Stunden Zeit, den Tarifvertrag zu prüfen. Am Dienstag wurde er dem von der UGT kontrollierten Betriebsrat zur Abstimmung vorgelegt und am Mittwoch unterzeichnet. Auch die Minderheitsgewerkschaften weigerten sich, den Beschäftigten den Vertrag zugänglich zu machen.

Eine nicht näher bekannte Quelle aus den Reihen der UGT erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur EFE: „Die Vereinbarung sollte es Almussafes ermöglichen, der erfolgreiche Bieter für die beiden Elektro-Modelle zu sein, die Ford in Europa herstellen wird, was das deutsche Werk in Saarlouis auch versucht.“

Der Tarifvertrag stützt sich auf das sogenannte Elektrifizierungs-Abkommen, das am 27. Januar in Köln von der UGT und Ford Europa abgeschlossen wurde. Das Ergebnis sind drastische Kürzungen im Gegenzug für die Produktion neuer Elektrofahrzeuge:

  • Ein Einfrieren der Löhne und Gehälter für die nächsten vier Jahre, was angesichts der rasant ansteigenden Inflation drastische Einschnitte bei den Reallöhnen bedeutet. Bei der derzeitigen Inflation von 9,8 Prozent in Spanien würde dies für die Arbeiter bis Ende 2026 einen Kaufkraftverlust von 20 Prozent oder mehr bedeuten.
  • Eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit um 15 Minuten und die Streichung von 4 Urlaubstagen: Jeder Arbeiter würde 11 Tage pro Jahr zusätzlich arbeiten.
  • Samstagsarbeit an bis zu 18 Tagen im Jahr. Für acht dieser Samstage wird kein zusätzlicher Wochenendzuschlag gezahlt.
  • Die Einführung von flexiblen Nachtschichten.

Der Tarifvertrag sieht außerdem eine Bonuszahlung von 7000 Euro vor, die von 2022 bis 2026 gestaffelt wird. Im Jahr 2026 würden die Löhne und Gehälter um magere 1,6 Prozent steigen; ist die Inflation höher, würden die Beschäftigten 0,5 Prozent mehr verdienen.

Das sind Peanuts. In Anbetracht des starken Anstiegs der Kosten für Lebensmittel, Treibstoff, Wohnraum und andere lebensnotwendige Güter bei einer Inflation von fast 10 Prozent werden die Arbeiter Tausende von Euro an Lohneinbußen hinnehmen müssen. Quellen aus dem spanischen Ford-Werk bestätigten, dass die Lohnkürzung allein in diesem Jahr rund 4.000 Euro betragen würde.

Im vergangenen Februar hatte die UGT diese Vereinbarung einer Scheinabstimmung unterzogen. Da der vollständige Text nicht verfügbar war, wurde die Belegschaft im Dunkeln gelassen. Die Abstimmung war eine antidemokratische Farce. Die Arbeiter wurden gezwungen, über eine UGT-App abzustimmen. Eine traditionelle Urabstimmung, wie es sie seit der Gründung der Fabrik in den 1970er Jahren gibt, lehnte die UGT ab. Eine Auszählung der Stimmen war somit unmöglich; Ford-Beschäftigte erklärten gegenüber der WSWS, es sei möglich gewesen, über die App mehrfach abzustimmen.

Nach der Ankündigung der Abstimmung schickte die UGT Dutzende ihrer vom Konzern finanzierten Bürokraten in das Werk, um die Arbeiter zur Registrierung zu zwingen. Die Beschäftigten mussten ihre vollständigen Namen, Ausweisnummern und E-Mail-Adressen angeben. Dies bedeutete, dass die Gewerkschaftsbürokraten, die durch Gespräche mit der Unternehmensleitung Einfluss auf Entscheidungen über Beförderungen, Prämien und andere Vergünstigungen für die Beschäftigten nehmen, sehen konnten, wie jeder Arbeiter in der App abgestimmt hat.

Um dem Widerstand gegen die Scheinabstimmung zuvorzukommen, stellte die UGT ein Video auf YouTube ein, in dem sie die WSWS angriff, weil diese die reaktionäre Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft und Ford-Management anprangerte. Die WSWS hat sich stets gegen die deutschen und spanischen Gewerkschaften gewandt, weil sie sich an dem von Ford organisierten Bieterwettbewerb zu Lasten der Arbeiter beteiligten. Die WSWS hingegen kämpft dafür, die Ford-Beschäftigten über nationale Grenzen hinweg gegen Lohnkürzungen und Werksschließungen zu vereinen.

Die Abstimmung vom Februar ist Gegenstand eines laufenden Gerichtsprozesses. Die Minderheitsgewerkschaft der Metallarbeiter (STM) hat das Sitzungsprotokoll des Aufsichtsrats angefochten, in dem das Gremium aus Gewerkschaften und Management das Elektrifizierungs-Abkommen am 14. Februar genehmigt hatte. Die STM erklärte, bei der Abstimmung habe es „einen Mangel an Transparenz“ gegeben.

Sollte das Ford-Werk in Valencia den Zuschlag für die kommenden Elektro-Modelle nicht erhalten, bereitet die UGT schon jetzt die Schließung des Werks Almussafes vor. Laut Tarifvertrag sollen die Beschäftigten in diesem Fall mit einer Lohnerhöhung in Höhe des Verbraucherpreisindexes (VPI) plus 1 Prozent für 2022 ruhig gehalten werden. Da die Jahresrate des allgemeinen VPI im März 9,8 Prozent betrug, ein Rekord seit 1985, würde dies eine Erhöhung von 11 Prozent bedeuten, die allerdings nur für 2022 gilt. Zwischen 2023 und 2024 wären die Löhne nicht an den VPI gebunden, was angesichts der Inflation Reallohnkürzungen bedeutet.

Die UGT hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer den Abbau von Arbeitsplätzen durchgesetzt. Zuletzt einigte sie sich im April 2021 mit dem Ford-Management auf die Entlassung von 600 Arbeitern.

Im organisatorischen Rahmen des Europa-Betriebsrats von Ford arbeitet die UGT jetzt eng mit den deutschen Gewerkschaften zusammen, um jeden gemeinsamen Kampf der Arbeiter gegen den Bieter-Krieg und die geplanten Werksschließungen zu blockieren. Ebenso wie die IG-Metall-Betriebsräte in Saarlouis, befürchten die UGT-Funktionäre in Almussafes, dass die Belegschaft sich unabhängig organisiert und einen echten Kampf gegen die drohende Werksschließung, gegen Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen über nationale Grenzen hinweg aufnimmt.

Ein namentlich nicht genannter UGT-Funktionär erklärte gegenüber Europa Press, dass die für Juni erwartete Entscheidung von Ford „von grundlegender Bedeutung sein wird, da es nur noch Autos für eine der beiden Fabriken geben wird“. Der Gewerkschaftsvertreter fügte hinzu: „In den Sitzungen des Europa-Betriebsrats von Ford bemühen wir uns, die Unternehmensleitung davon zu überzeugen, nach tragfähigen Alternativen für das Werk zu suchen, das unweigerlich die Produktion von Autos einstellen wird.“

Sobald die Entscheidung von Ford im Juni bekannt gegeben worden sei, werde „es notwendig sein, nach Lösungen für die überschüssigen Arbeitskräfte zu suchen, die als Folge dieser Umwandlung in Europa anfallen werden“, so der UGT-Funktionär.

Mit anderen Worten: Die im Europäischen Betriebsrat vertretenen deutschen und spanischen Gewerkschaften werden weiterhin die deutschen und spanischen Kollegen gegeneinander ausspielen. Diejenige Gewerkschaft, die keine ausreichenden Lohnkürzungen durchsetzt, um ihr Werk offen zu halten, wird in der Folge dem Unternehmen dabei helfen, Arbeitsplätze abzubauen und das Werk eher kurz- als mittelfristig zu schließen.

Diese absolut reaktionäre Rolle der Gewerkschaften unterstreicht die Notwendigkeit des Aufrufs des Ford-Aktionskomitees in Saarlouis zu einem unabhängigen Kampf der Arbeiter in Deutschland und Spanien zur Verteidigung der Arbeitsplätze. Es fordert den sofortigen Stopp des Bieter-Wettstreits, die Offenlegung aller bisher getroffenen Vereinbarungen oder Absichtserklärungen und die Rücknahme aller Zugeständnisse.

Die World Socialist Web Site ruft die Arbeiter in Valencia auf, sich den schmutzigen Manövern der UGT zu widersetzen, das Ford-Aktionskomitee in Saarlouis zu kontaktieren und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees; IWA-RFC) aufzubauen, um den gemeinsamen Kampf gegen den Ford-Konzern zu organisieren.

Um Kontakt mit den Kollegen in Saarlouis aufzunehmen, schickt eine WhatsApp-Nachricht an +491633378340.

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