Ford-Saarlouis: Landesregierung bietet Konzern halbe Milliarde Euro zur geordneten Abwicklung des Werks an

Am heutigen Mittwoch geben Betriebsrat und Konzern bekannt, was sie hinter dem Rücken der 4.600 Ford-Beschäftigen zur Zukunft des Ford-Werks in Saarlouis beschlossen haben. Vorgestern Abend hat die Saarbrücker Zeitung gemeldet, dass die vormalige Landesregierung aus CDU und SPD dem internationalen Konzern 500 Millionen Euro angeboten hat, wenn das deutsche Werk nicht vollständig geschlossen wird.

Laut der Zeitung habe das alte CDU/SPD-Kabinett kurz vor der Landtagswahl im März dieses „dicke Paket geschnürt“. Die Saarbrücker Zeitung verweist darauf, dass die halbe Milliarde Euro eine Summe darstellt, „die aus dem Landeshaushalt nicht annähernd bezahlt werden kann“.

Vergleicht man einige Kennzahlen des gesamten Saarlandes mit denen von Ford, wird die Absurdität dieser Subvention deutlich. Der Ford-Konzern mit Sitz in Dearborn bei Michigan (USA) beschäftigt weltweit 183.000 Menschen. Jeder dieser Beschäftigten hat im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatz von 708.395 Euro erwirtschaftet. Insgesamt betrug der Umsatz von Ford gut 120 Milliarden Euro, der Jahresgewinn belief sich auf über 17 Milliarden Euro. Allein in Köln, wo mehr Menschen als im Saarland wohnen, investiert Ford in den nächsten Jahren 2 Milliarden Euro in die Produktion neuer Elektro-Fahrzeuge.

Das Saarland hat weniger als eine Millionen Einwohner. Nach einem Jahrzehnt des Sparens beträgt der gesamt Landeshaushalt nur noch rund fünf Milliarden Euro. Schon jetzt geht die Finanzplanung der Landesregierung bis 2025 von jährlichen Lücken in Höhe von 300 bis 360 Millionen Euro aus. Mit der Zahlung von 500 Millionen Euro für das Werk in Saarlouis würde die Landesregierung dem Ford-Konzern über 100.000 Euro für jeden der 4.600 Arbeiterinnen und Arbeiter zur Verfügung stellen.

Die Saarbrücker Zeitung schreibt, dass die jetzige saarländische SPD-Regierung beabsichtigt, für Ford auf Rücklagen des Saarlandes im Sondervermögen „Zukunftsinitiative“ zurückzugreifen, die vor allem für Investitionen etwa im Baubereich vorgesehen sind.

Landes-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) hatte darauf hingewiesen, dass die halbe Milliarde für Ford mit der Bundesregierung abgesprochen ist. Schon ein paar Tage zuvor hatte er im Interview mit der gleichen Zeitung gesagt: „Wir haben in engster Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt, mit der Bundesagentur für Arbeit und den einzelnen Ressorts der Landesregierung ein dickes Paket geschnürt, in dem alles drin ist, was rechtlich möglich ist. Das geht bis an die Grenzen des wirtschaftlich Leistbaren und politisch Vertretbaren.“

Beschäftigte sollten nicht glauben, dass dieses Geld ihnen in der ein oder anderen Weise zugute kommt. Die hunderten Millionen an Steuergeldern werden nicht die Arbeitsplätze retten, sondern die Dividenden der Aktionäre erhöhen. Die Nennung der Bundesagentur für Arbeit deutet an, wozu das Geld eingesetzt werden soll: nicht für die Beschäftigten und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, sondern für die geordnete Abwicklung des Werks.

Damit die Zuschüsse „rechtlich zulässig sind“, schreibt die Saarbrücker Zeitung, „wurde offenbar mit Kreativität versucht, das Subventionsrecht zu umgehen, etwa indem Subventionen als Zuwendungen für die Weiterbildung der Beschäftigten deklariert wurden“. Dann zitieren sie Barke, der davon gesprochen hatte, dass es auch „um Fragen der Umqualifizierung zu anderen Tätigkeiten im Umfeld der Produktion und die Vermittlung zu neuen Arbeitsplätzen“ gehe.

Das ist die Umschreibung für eine Transfergesellschaft, mit deren Hilfe die Arbeiter zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes gedrängt werden. Die IG Metall hat eine lange Tradition darin, über diese Art und Weise Betriebe abzuwickeln.

Seit Tagen und Wochen laufen die Spekulationen heiß, was die Zukunft für das Ford-Werk und den angeschlossenen Zulieferpark, in dem weitere 1.300 Menschen arbeiten, bringt. Gestern haben Arbeiter des Ford-Aktionskomitees in einem Aufruf geschrieben, was zu erwarten sei: „alternative Produktion, Ersatzarbeitsplätze, Sozialplan, Transfergesellschaft etc.“, weitere Ungewissheit.

Unabhängig davon, ob nun in Saarlouis nach 2025 Elektro-Autos gebaut werden oder nicht, ist klar, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Ob tatsächlich nur 2000 von 4.600 Arbeitsplätzen in Saarlouis übrig bleiben, wie die Saarbrücker Zeitung gestützt auf „Branchenexperten“ spekuliert, ist unklar. Auf jeden Fall dürfte bereits in diesem Jahr der Abbau von weiteren 800 Stellen in Saarlouis anstehen. In einem Flugblatt des Betriebsrates vom 1. Juni heißt es, der Konzern plane ab Ende August eine Volumenabsenkung von aktuell 1000 Einheiten am Tag auf 860 Einheiten am Tag. Dadurch würde „nach dem Werksurlaub ein rechnerischer Personalüberhang von nicht ganz 800 Kolleg*innen bei rund 4600 Beschäftigten im Werk bestehen“. Rund zwei Drittel davon würden in der Produktion erwartet, ein Drittel im indirekten Bereich.

Die saarländische Landesregierung genauso wie die Betriebsräte und die IG Metall fürchten nichts mehr als wütende Belegschaften, die außerhalb der Kontrolle des Betriebsrates und der Gewerkschaft beschließen, für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen.

Markige Worte von Betriebsrat und Landespolitikern, die heute bei der Betriebsversammlung erwartet werden, sollen die berechtigte Wut auffangen und in die üblichen „sozialpartnerschaftlichen“ Kanäle lenken, die die Belegschaft in Saarlouis dorthin geführt haben, wo sie jetzt sind: vor der drohenden Schließung des Werks und damit dem Verlust ihrer Lebensgrundlage und der ihrer Familien.

Einen Vorgeschmack solch markiger Worte hat der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Ulrich Commerçon, der SZ zu Protokoll gegeben. Die „zwei Standorte gegeneinander auszuspielen auf dem Rücken der Beschäftigten“ sei ein Unding, erklärte er. Es sei die „übelste Seite des Kapitalismus‘“, die Manager würden Steuermittel aus EU-Geldern nutzen, um den Wettbewerb zu befeuern. „Sie haben nur Dollarzeichen in den Augen und wollen möglichst viel Steuergeld abgreifen“, ein „schäbiges Verhalten, ein schäbiger Wettbewerb“.

Das erklärt der Vorsitzende der Fraktion, die dem Konzern gerade 500 Millionen Euro an Steuergeldern angeboten hat! Das ist auch nicht die „übelste Seite des Kapitalismus“, das ist Kapitalismus, den Commerçon mit Haut und Haar verteidigt. Die Konzerne und ihre Aktionäre bestimmen die Politik, Commerçon und Co sind ihre ausführenden Organe.

Und der „schäbige Wettbewerb“, von dem er spricht, den haben im letzten halben Jahr die sozialdemokratischen Betriebsräte organisiert. Ende Januar hatten die Betriebsräte in Saarlouis unter Markus Thal und in Almussafes unter José Luís Parra gemeinsam mit den jeweiligen lokalen Geschäftsführungen Angebote abgegeben, in denen sie weitgehende Einsparungen bei den Personalkosten – z. B. durch Lohnkürzungen oder Arbeitszeitverlängerungen – offeriert hatten. Im Anschluss haben die jeweiligen Betriebsräte in Deutschland und Spanien in wöchentlichen Verhandlungen sich ständig unterboten. Spanische Medien nannten dieses Verfahren treffend „Rückwärtsauktion“ und „Hunger Games“.

Der spanische Betriebsrat unter Parra versicherte: „Wir kennen keine roten Linien und sind bereit zu verhandeln.“ Und sein Partner Thal erklärte bereits Ende 2021 in der Süddeutschen Zeitung, er setze seine Hoffnung zur „Rettung des Werks“ in erster Linie auf die Opferbereitschaft der Arbeiter. Sie hätten die Zugeständnisse in der Vergangenheit immer mitgetragen, und sie seien auch jetzt bereit, Zugeständnisse zu machen.

Die Millionen (oder Milliarden), die so von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Betriebsräten aus der Belegschaft herausgepresst werden, fließen über die Dividende direkt an die Aktionäre und Hedgefonds.

Der einzige Weg, das zu verhindern, liegt in der unabhängigen internationalen Organisation der Belegschaften, nicht nur bei Ford, sondern in der gesamten Autoindustrie und darüber hinaus. Das Ford-Aktionskomitee schreibt in seinem gestrigen Aufruf: „So wie wir nicht nur mit dem Ford-Konzern, der IG Metall und der Ampel-Koalition konfrontiert sind, so können wir auch nur erfolgreich sein, wenn wir uns international vernetzen. Die Möglichkeiten dafür sind besser als je zuvor.“ Damit waren die weltweiten Proteste, Streiks und Betriebsbesetzungen der letzten Monate gemeint. Aktuell streiken allein in Großbritannien rund 50.000 Eisenbahner.

Das sind diejenigen, an die sich die Ford-Arbeiter in Saarlouis, Almussafes und anderswo wenden müssen, nicht die Gewerkschaften und deren betrieblichen Vertreter, die der verlängerte Arm der Konzernspitzen sind.

Gestern rief das Ford-Aktionskomitee dazu auf, sich ihm anzuschließen. Der Kampf zur Verteidigung ihrer Lebensgrundlage sei Teil der internationalen Kämpfe der Arbeiterklasse. „Der Angriff auf uns ist ein Angriff auf uns alle. Wir können ihn nur zurückschlagen,wenn wir alle gemeinsam dagegen mobilisieren.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das Ford-Aktionskomitee ist hierüber zu erreichen: Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340

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