Perspektive

Untersuchungsausschuss vertuscht Rolle der Republikanischen Partei und der nationalen Sicherheitsbehörden bei Trumps Putschversuch

In dem 1974 erschienenen Buch All the President's Men von Bob Woodward und Carl Bernstein wird beschrieben, wie Dutzende Nixon-Mitarbeiter und Staatsbeamte daran beteiligt waren, den Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Gebäudekomplex zu organisieren und zu vertuschen.

Damals wurden 22 Mitarbeiter Nixons und Regierungsbeamte wegen Beteiligung an der Watergate-Verschwörung angeklagt und zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Die damaligen kriminellen und antidemokratischen Machenschaften hatten allerdings nicht annähernd das Ausmaß des groß angelegten, gewaltsamen und nur knapp gescheiterten Staatsstreichs unter der Führung von Donald Trump am 6. Januar 2021.

Doch obwohl sich mittlerweile die Beweise türmen, dass Trump, die Republikanische Partei und große Teile des Militärs, der Polizei und der Geheimdienste in den Versuch verwickelt waren, die Wahl 2020 zu kippen und Trump als diktatorischen Präsidenten zu installieren, wurden weder Trump noch seine wichtigsten Mitverschwörer angeklagt, geschweige denn inhaftiert. Die einzige Ausnahme ist Steve Bannon, der allerdings nur wegen eines zweitrangigen Fehlverhaltens belangt wurde.

Ausgehend von der Sitzung des Untersuchungsausschusses, der am Donnerstagabend zur besten Sendezeit übertragen wurde, könnte ein Buch der Demokratischen Partei über Trumps Aufstand vielleicht den Titel tragen: A One-Man Coup oder Wie der böse Präsident sich seinen guten Beratern widersetzte.

Die Haltung der Demokraten ist von einem massiven Widerspruch geprägt. Einerseits haben die Anhörungen erdrückende Beweise dafür geliefert, dass ein mächtiges Netzwerk, das in alle Teile des Staatsapparats hineinreicht, knapp davor stand, die Verfassung außer Kraft zu setzen und eine Diktatur zu errichten. Und die befragten Zeugen haben bestätigt, dass Trump und seine Verbündeten bereits den nächsten Putschversuch planen. Andererseits nutzen die Demokraten die Anhörungen, um Werbung für die Republikanische Partei und ihre Politiker zu machen (zum Beispiel für Liz Cheney) und Trumps Verschwörer vor Strafverfolgung zu schützen. Das Ziel der Demokraten besteht darin, die Institution des Zweiparteiensystems zu retten, von dem die Stabilität der kapitalistischen Herrschaft abhängt.

Dies wurde am vergangenen Donnerstag sehr deutlich. Beinahe drei Stunden lang verbreitete der von den Demokraten kontrollierte Ausschuss die absurde Darstellung, dass die faschistische Belagerung des Kapitols am 6. Januar deshalb so lange geduldet wurde, weil Trump nicht auf Mitarbeiter des Weißen Hauses, Familienmitglieder, führende Kongressabgeordnete und andere Getreue hörte, die sich heldenhaft für die Verteidigung der Verfassung einsetzten, obwohl sie zuvor seine haltlosen Behauptungen über die „gestohlene Wahl“ unterstützt hatten.

Auf einem schockierenden Videoclip war zu sehen, wie der damalige Vizepräsident Mike Pence, seine Mitarbeiter und seine Personenschützer vom Secret Service vor dem Mob flohen, der bis auf wenige Meter an Pence’ Versteck herangerückt war. Sie fürchteten um ihr Leben. Tonaufnahmen dokumentieren, wie Agenten des Secret Service ihre Ehefrauen und Familienmitglieder anriefen, um sich von ihnen zu verabschieden.

Dass der Staatsstreich schließlich scheiterte, war nicht das Verdienst Bidens oder der Demokraten. Der designierte Präsident sah stundenlang schweigend zu und meldete sich nur zu Wort, um Trump aufzufordern, im Fernsehen zum Abbruch seines eigenen Staatsstreichs aufzurufen. Die Abgeordneten der Demokraten kauerten unter ihren Schreibtischen im Kapitol. Sie riefen die Bevölkerung nicht dazu auf, aktiv zu werden und den Staatsstreich zu verhindern.

Die Anhörung vom letzten Donnerstag war die letzte einer Serie von acht im Fernsehen übertragenen Anhörungen. Sie war ein weiterer Schritt in dem Versuch, alle Aufmerksamkeit auf Trump und eine Handvoll seiner Kumpane – Bannon, Rudy Giuliani, John Eastman – zu lenken und die weitaus breiteren Teile der herrschenden Klasse und des Staatsapparats, die an dem Staatsstreich beteiligt waren, gegenüber der Öffentlichkeit abzuschotten.

Wer die Krise um die Präsidentschaftswahlen 2020 aufmerksam verfolgt hat, war mit Sicherheit nicht überrascht über den genauen Verlauf dessen, was Trump an jenem Tag tat oder unterließ – genauer, in den 187 Minuten zwischen dem Ende der Rede, in der er seine Anhänger zum Marsch auf das Kapitol aufrief, und seiner Erklärung von 16:17 Uhr, in der er dieselben „Patrioten“ aufforderte, das Kapitol zu verlassen und nach Hause zu gehen. In seiner TV-Debatte mit Joe Biden Ende September hatte Trump sich geweigert, eine friedliche Machtübergabe zu garantieren, und die faschistischen Proud Boys angewiesen, sich „bereitzuhalten“, falls er zum Verlierer erklärt würde.

Die World Socialist Web Site hatte damals mit bemerkenswerter Voraussicht skizziert, wie Trump im Vorfeld der Wahl und im Anschluss daran vorgehen würde. Wir haben die Arbeiterklasse vor der Gefahr eines Staatsstreichs gewarnt.

Die Demokraten sind bestrebt, die Opposition gegen Trumps Staatsstreich so konservativ und patriotisch wie möglich zu gestalten. Sie haben es zugelassen, dass die Kriegsfanatikerin Liz Cheney, eine von zwei Republikanern im Ausschuss, das Verfahren dominiert. In ihrer Abschlussrede lobte sie Ronald Reagan und Margaret Thatcher und bescheinigte den Aufständischen vom 6. Januar fehlgeleitete „Vaterlandsliebe“.

Der Ausschuss betraute zwei Militärveteranen mit der Leitung der Zeugenbefragung: Elaine Luria aus Virginia, eine langjährige Navy-Kommandantin, und den Republikaner Adam Kinzinger aus Illinois, einen Air Force-Piloten im Afghanistan- und im Irak-Krieg. Luria brachte in ihrem Schlusswort die politische Linie der Anhörung auf den Punkt: „Präsident Trump saß in seinem Esszimmer und verfolgte den Angriff im Fernsehen, während seine ranghöchsten Mitarbeiter, engsten Berater und Familienmitglieder ihn anflehten, das zu tun, was von jedem amerikanischen Präsidenten erwartet wird.“

Wie bereits bei den vorangegangenen Anhörungen waren auch letzte Woche als Zeugen ehemalige Trump-Berater geladen: Matthew Pottinger und Sarah Matthews. Pottinger ist ein Veteran der Marine, der in den Kriegen im Nahen Osten kämpfte und anschließend als stellvertretender nationaler Sicherheitsberater an der Ausarbeitung von Trumps aggressiver Politik gegen China beteiligt war. Matthews ist stellvertretende Pressesprecherin des Weißen Hauses unter Trump.

Pottinger führte als Vorbild für das Prinzip der „friedlichen Machtübergabe“ die Kapitulation von Al Gore an, der akzeptierte, dass der Oberste Gerichtshof eine tatsächliche Fälschung des Wahlergebnisses im Jahr 2000 absegnete.

Auch der Skandal um den Secret Service, der u.a. für den Personenschutz des Vizepräsidenten zuständig ist, wurde nicht erwähnt. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat der Generalinspekteur des Heimatschutzministeriums strafrechtliche Ermittlungen gegen den Secret Service eingeleitet, weil dieser massenhaft Textnachrichten gelöscht hat, die seine Agenten zur Zeit des Putsches am 6. Januar versandt und empfangen haben. Der Secret Service löschte diese Nachrichten, obwohl er zuvor vom Kongress angewiesen worden war, alle Aufzeichnungen dieses Tages aufzubewahren, und obwohl er vom Untersuchungsausschuss verpflichtet worden war, die Texte auszuhändigen.

Am 6. Januar selbst hatten die für Pence zuständigen Mitarbeiter des Secret Service versucht, ihn aus dem Kapitol fortzubringen. Ohne die Anwesenheit des Vizepräsidenten hätten die Stimmen der Wahlleute nicht gezählt werden können. Trump hätte freie Bahn gewonnen, den Notstand auszurufen und sich zum Sieger zu erklären.

In keiner der Anhörungen wurde versucht zu erklären, warum das Kapitol am 6. Januar so schlecht geschützt war. Oder warum das FBI es versäumt hatte, vor der offiziellen Bestätigung des Sieges von Biden eine Bedrohungsanalyse zu erstellen. Oder warum das Heimatschutzministerium (DHS) es versäumt hatte, die gemeinsame Sitzung des Kongresses am 6. Januar zu einem besonderen nationalen Sicherheitsereignis zu erklären, obwohl dem FBI, dem DHS und anderen Behörden die Drohungen gegen Pence und die Abgeordneten bekannt waren.

Der Ausschuss konzentrierte sich ganz auf die 187 Minuten zwischen Trumps Rede hinter dem Kapitol und seiner Aufforderung um 16:17 Uhr, das Kapitol zu verlassen. Er äußerte sich jedoch mit keinem Wort über die 199 Minuten zwischen dem Antrag des damaligen Befehlshabers der Nationalgarde von Washington, William Walker, auf Genehmigung des Einsatzes seiner Truppen zur Sicherung des Kapitols, der um 13:49 Uhr gestellt wurde, und der Erteilung dieser Genehmigung durch Trumps amtierendem Verteidigungsminister Christopher Miller um 17:08 Uhr. Zwischenzeitlich beobachtete Trumps handverlesene Pentagon-Führung zusammen mit den Armeechefs, darunter der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs Mark Milley, den gewaltsamen Angriff auf den Kongress und unternahm nichts, um ihn zu stoppen.

Diese massive Vertuschung, angeführt von der Demokratischen Partei und der Regierung Biden, die weiterhin zur „Einheit“ mit ihren republikanischen „Kollegen“ aufrufen, zielt darauf ab, die Arbeiterklasse politisch zu entwaffnen. Unterdessen schöpfen Trump, die Republikanische Partei und ihre Verbündeten im Staatsapparat und in der Finanzoligarchie neuen Mut und können ungehindert ihre Pläne vorantreiben, die nächsten Wahlen zu kippen und eine Diktatur zu errichten.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiterklasse auf der Grundlage ihres eigenen, unabhängigen sozialistischen Programms in die Todeskrise der amerikanischen Demokratie eingreift. Innerhalb des kapitalistischen Systems, das ein ungeheuerliches Ausmaß an sozialer Ungleichheit und Krieg hervorbringt, kann es keine Demokratie geben. Im weiteren Verlauf des Klassenkampfs ist es notwendig, mit den Demokraten und dem gesamten kapitalistischen Zweiparteiensystem zu brechen und für die Arbeitermacht zu kämpfen.

Loading