Will Lehmans Antwort auf die Fragen eines Lokführers zu den Aktionskomitees

Will Lehman, Arbeiter bei Mack Trucks (Volvo) und Sozialist, kandidiert für das Amt des Präsidenten der amerikanischen Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW). Hier im Folgenden der Brief eines Lokführers und Lehmans Antwort darauf (leicht editiert, um die Identität des Lokführers zu schützen). Lehmans Ziel ist es, den UAW-Apparat abzuschaffen und die Macht der Arbeiter durch Aktionskomitees zu stärken.

Die Eisenbahner arbeiten seit fast drei Jahren ohne Tarifvertrag. Der jüngste Spruch einer von Präsident Biden berufenen Zwangsschlichtungsstelle sorgt für großen Ärger, denn dieser Regierungsausschuss namens Presidential Emergency Board (PEB) begünstigt in praktisch allen Fragen die Bahngesellschaften. Die Eisenbahner sind in ihrer überwältigenden Mehrheit streikbereit, aber auch frustriert und wütend auf die Gewerkschaften, die den Präsidenten aufgefordert haben, das PEB einzusetzen, und die sich seit Bekanntwerden von dessen Bericht hauptsächlich um Schadensbegrenzung bemühen. Infolgedessen steigt das Interesse der Eisenbahner am Aufbau von Aktionskomitees, die sich sowohl gegen die Eisenbahnunternehmen als auch die Gewerkschaftsbürokratie richten.

Die World Socialist Web Site unterstützt Will Lehmans Kandidatur für die UAW-Präsidentschaft. Weitere Informationen dazu sind hier zu finden: WillForUAWPresident.org.

Abfahrt eines Güterzugs im Terminal der Bahngesellschaft BNSF, 15. Juni 2021, Galesburg, Illinois (AP Photo/Shafkat Anowar, Datei)

Hallo Will,

ich bin Lokführer bei einem der größten amerikanischen Bahnunternehmen. Immer wieder höre ich von der Gründung von gewerkschaftsunabhängigen Aktionskomitees. Ich bin daran interessiert, dies in meinem Betrieb aufzubauen, aber ich weiß nicht richtig, wie man das schaffen kann.

Ich weiß nicht, wie oder wo ich anfangen soll. Ich könnte eine Gruppe organisieren, um ein lokales Aktionskomitee zu gründen, aber darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, wie ich vorgehen soll. Welche Befugnisse hätten wir, und welche rechtlichen Aspekte wären damit verbunden? Ich wäre sehr daran interessiert, Literatur dazu zu lesen, wie auch an jedem Hinweis, den du mir geben kannst. Vielen Dank!

Will Lehman: Der Zweck eines Aktionskomitees ist es, die Arbeiter selbst als unabhängige Kraft zu organisieren. Es geht darum, dass sie bereit sind, den Kampf nicht nur gegen das Unternehmen, sondern auch gegen den unternehmensnahen Gewerkschaftsapparat und dessen bürokratische Unterdrückung der Arbeitskämpfe zu führen. Im Fall der Eisenbahnen verstehe ich, dass der Wunsch nach Streiks überwältigend ist. Das Problem liegt jedoch darin, dass die Bahngewerkschaften – BLET, SMART-TD usw. – alles den Bestimmungen des Bahn-Arbeitsgesetzes Railway Labor Act (RLA) unterordnen. Diese streikfeindlichen Bestimmungen setzen sie aggressiv um, und sie schüren Illusionen in die Regierung, die sie als „neutralen Schlichter“ darstellen. All dies ist jetzt durch die Entscheidung des PEB offen sichtbar geworden, und die Eisenbahner haben einfach die Nase voll.

Soweit ich weiß, könnt ihr bereits ab dem 15. September legal streiken. Aber ihr solltet zunächst einmal nicht davon ausgehen, dass die Gewerkschaften zu einem Streik aufrufen werden, nur weil du und deine Kollegen einen Streik einstimmig befürworten. Das sind Kreaturen der Konzerne und des Staats, und sie werden alles tun, um den Ausbruch eines Streiks zu verhindern. Genau das ist es, was die Aktionäre der Eisenbahngesellschaften und die Regierung Biden bezwecken. Und wenn es dann zu einem Streik kommt, oder vielleicht sogar schon vorher, wird der Kongress wahrscheinlich versuchen, einzugreifen.

Eisenbahner haben mächtige Gegner, aber die Eisenbahner selbst sind mächtiger. Wie du weißt, würde ein Eisenbahnerstreik das ganze Land lahmlegen. Er würde auch enorme Unterstützung von uns allen, der ganzen Arbeiterklasse, erhalten. Wir würden ihn als Signal auffassen, um unseren eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, denn wir haben ebenfalls mit galoppierender Inflation, Überstunden und wahnsinnigem Arbeitsdruck zu kämpfen. Das Problem ist jedoch, dass die Eisenbahner keine Organisation haben, die sie selbst kontrollieren und die sie wirklich vertritt. Daher die Notwendigkeit zur Gründung und dem Aufbau von Aktionskomitees.

Nun zu Deiner Frage: Wie baut man ein Aktionskomitee auf? Ein Komitee muss natürlich danach streben, zu wachsen und sich auf alle großen Bahngesellschaften auszudehnen. Mindestens ein gewichtiger Teil der Eisenbahner sollte das Komitee als ihre Organisation, als ihre Führung, betrachten. Aber glaub nicht, dass du ein Aktionskomitee erst dann gründen kannst, wenn du schon eine so große Unterstützung hast. Sobald du mit einem oder zwei deiner Kollegen gesprochen hast, die dir zustimmen, dass die Gründung eines Aktionskomitees notwendig sei, könnt ihr ein Komitee gründen.

Der Einfluss des Komitees ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache, dass es die einzige Gruppe ist, die eine tragfähige Strategie für die Arbeiter hat, die einzige Gruppe ist, die die tiefe Opposition der Arbeiter zum Ausdruck bringt und sie artikuliert. Du kannst dann eine Gründungserklärung schreiben, und meine Kampagne, wir können dir beim Entwurf und der anonymen Veröffentlichung helfen. Danach kannst du sie so weit wie möglich bekannt machen und die Fragen erklären, was das Aktionskomitee ist, warum es gegründet wurde, wofür es kämpft oder was seine Strategie und seine Forderungen sind. Auf der Grundlage dieses Gründungsprogramms kannst du daran arbeiten, den Einfluss und die Mitgliederzahl des Aktionskomitees auszuweiten.

Um zu sehen, wie Aktionskomitees in der Praxis aussehen, kann ich dir dringend empfehlen, die Erfahrungen des Streiks bei Volvo in Dublin (Virginia) im letzten Jahr zu studieren. Das dortige Aktionskomitee spielte eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung des Widerstands gegen mehrere Ausverkaufsverträge der United Auto Workers, und es zwang die Gewerkschaft, einen Streik auszurufen. Dies hatte übrigens auch einen großen Einfluss auf mich. Ich begann, in unserm Werk Mack Trucks ein Aktionskomitee zur Unterstützung des Streiks aufzubauen.

Ein letzter Punkt: Du hast nach dem rechtlichen Status der Aktionsausschüsse gefragt. Sei zunächst versichert, dass das Aktionskomitee völlig legal und durch den ersten Verfassungszusatz zur freien Meinungsäußerung gedeckt ist. Aber die Gewerkschaftsbürokratie erkennt die Meinungsfreiheit nicht an. Deshalb solltest du vor allem in der Anfangsphase des Komitees Maßnahmen treffen, um die Identität der Mitglieder zu schützen und sie vor Repressalien zu bewahren.

Die Gewerkschaft wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Beschäftigten davon abzuhalten, dem Aktionskomitee beizutreten. Sie wird auch Lügen über das Gewerkschaftsrecht verbreiten. Sie wird fälschlicherweise behaupten, dass die Mitgliedschaft in einem Aktionskomitee mit der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft unvereinbar sei, da das Komitee eine alternative Verhandlungsvertretung darstelle. Aber ihr seid beitragszahlende Mitglieder, und somit ist das falsch. Der Zweck des Komitees besteht darin, der Basis die Handlungsvollmacht zurückzugeben. Um ihre eigenen Spuren zu verwischen, werden die Gewerkschaftsfunktionäre nicht müde zu behaupten, dass „die Gewerkschaft das Abbild ihrer Mitglieder“ sei. Ihre Reaktion auf die Aktionskomitees zeigt jedoch, dass sie in Wirklichkeit sich selbst, die Bürokratie, als die Gewerkschaft betrachten, aber nicht die Mitglieder. Gerade ihre Reaktion auf ein Aktionskomitee wird zeigen, warum wir die Aktionskomitees brauchen!

Danke, dass du dich gemeldet hast,

Will

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Anmerkung der Redaktion: Hier weitere Informationen über die Aktionskomitees. Hier im Anschluss Publikationen von überbetrieblichen Komitees, die die WSWS veröffentlicht hat.

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