„Kodex Wissenschaftsfreiheit“: Ein Plädoyer für die Gleichschaltung der Universitäten

Der „Kodex Wissenschaftsfreiheit“, der von der Universität Hamburg im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde, verteidigt nicht die Freiheit des demokratischen Gedankenaustauschs, sondern leistet einer modernen Form der Gleichschaltung der Universitäten Vorschub. Während die Bundesregierung Covid-19 freien Lauf lässt, beispiellos aufrüstet und im Krieg gegen Russland Panzer in die Ukraine entsendet, soll studentischer Protest gegen Kriegsforschung und rechte Ideologie mit Polizeigewalt unterdrückt werden.

Die akademische Freiheit – eine wichtige Errungenschaft der bürgerlichen Revolutionen des späten 18. und 19. Jahrhunderts – steht an Universitäten in Deutschland und der ganzen Welt seit Jahrzehnten unter Beschuss. Sie soll Professoren und Lehrbeauftragten, Nachwuchswissenschaftlern und Studierenden ermöglichen, ohne staatlichen Zwang und unbeeinflusst von den Profitinteressen der Konzerne nach neuer Erkenntnis zu streben und ihrer wissenschaftlichen Neugier ungehindert Ausdruck zu verleihen.

Dieses wichtige Ideal wurde von so großen Denkern wie Hegel, Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt geteilt – doch die Wirklichkeit könnte nicht weiter davon entfernt sein. Konzerne, Thinktanks, private Stiftungen und staatliche Auftragsforschung sind auf dem Campus allgegenwärtig. Die Interessen von Wirtschaft und Regierung bestimmen die wissenschaftliche Marschrichtung und das akademische Klima. Auch bürokratische Willkür und behördliche Schikane haben an den Hochschulen längst Einzug gehalten.

In welchem Ausmaß Wissenschaft von industriellen und staatlichen Interessen „gekauft“ und korrumpiert wird, zeigt eine offizielle Aufstellung des Statistischen Bundesamtes. Die größten technischen Universitäten Deutschlands verzeichneten demnach im Jahr 2020 jeweils hunderte Millionen Euro an zweckgebundenen „Drittmitteleinnahmen“. „Elite“-Universitäten wie die RWTH Aachen strichen im Durchschnitt für jeden einzelnen Professor rund eine Million Euro ein.

Insgesamt betrugen die von den Hochschulen eingeworbenen Drittmittel im Jahr 2020 8,9 Milliarden Euro, was einem Anteil von rund 20 Prozent der Gesamtetats entspricht und in vielen Fällen die Grundfinanzierung der Universitäten übersteigt. An den geisteswissenschaftlich geprägten Universitäten greifen parteinahe Stiftungen und milliardenschwere Akteure wie die Bertelsmann-, Körber-, Thyssen- und Volkswagen-Stiftungen abseits jeder demokratischen Kontrolle massiv in die Finanzierung der Politik- und Sozialwissenschaften ein.

Die von Bund und Ländern finanzierte Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – der mit Abstand größte Geldgeber – trifft ihre Förderentscheidungen in völliger Intransparenz. Jungen Wissenschaftlern, die einen Förderantrag stellen, wird im Falle einer Ablehnung weder eine Begründung mitgeteilt, noch wird ihnen eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt.

In den USA und immer mehr Ländern Europas werden derweil jedes Jahr hunderttausende junge Menschen über Studienkredite in die Knechtschaft der Banken getrieben. Allein in den USA haben Bachelor-Absolventen aktuellen Regierungsangaben zufolge durchschnittlich rund 25.000 Dollar Schulden. Das Gesamtvolumen der Studienschulden beläuft sich auf 1,6 Milliarden Dollar.

Wer in Deutschland einen Antrag auf eine BAföG-Förderung stellt, muss für seine Armut in demütigender Weise umfassende Belege erbringen. Ähnliches gilt für Behinderung und Krankheit, wenn diese „ursächlich“ für eine Verlängerung der Studienzeit sind. Für ausländische Studierende – die bereits jedes Semester große Hürden bei den Ausländerbehörden überwinden müssen – werden im grün-geführten Baden-Württemberg sogar zusätzliche Studiengebühren fällig.

Weil immer mehr Familien nicht in der Lage sind, für die inflationären Lebensmittelpreise und die explodierenden Mieten in den Universitätsstädten aufzukommen, sind Studierende zudem gezwungen, neben dem anspruchsvollen Studium zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gastronomieunternehmen, Logistikkonzerne und der Einzelhandel betrachten sie als günstige Lohnsklaven, die zum Mindestlohn ausgebeutet werden können.

Was der „Kodex Wissenschaftsfreiheit“ fordert

Im „Kodex Wissenschaftsfreiheit“, der in den letzten zwei Jahren von Hamburger Professoren hinter verschlossenen Türen erarbeitet wurde, findet all dies keinerlei Erwähnung. Das Papier, das laut Medienberichten Vorbild für Universitäten in ganz Deutschland werden soll, beschränkt sich auf ein Lippenbekenntnis zur Zulässigkeit „wissenschaftlicher Kritik“, um anschließend die akademische Freiheit an allen Fronten anzugreifen.

Die Professoren erklären, dass eine „Beeinträchtigung“ der Wissenschaftsfreiheit dann vorliege, wenn „Personen aufgrund ihrer inhaltlichen Position diffamiert werden oder der Diskursraum durch ein Klima moralischer oder gesellschaftspolitischer Verwerfung eingeengt“ werde. Dies geschehe u.a. durch „vorgeblich wörtliches Zitieren“ oder ein „Heraustragen vorläufiger Thesen in die Öffentlichkeit“. Im Falle derartiger „Beeinträchtigungen“ müssten Wissenschaftler von ihren Einrichtungen „unabhängig von ihrer wissenschaftlichen Position unterstützt und geschützt werden“.

Als weitere „Praktiken“, welche „die Hervorbringung neuen Wissens bedrohen“, nennt das Papier die „Delegitimierung wissenschaftlicher Themen oder Gegenstände“, eine „Verweigerung wissenschaftlicher Auseinandersetzung aufgrund von politischen oder religiösen Einstellungen“, „fehlende Bereitschaft, sich mit Vorstellungen und Inhalten, die als unbequem oder bedrohlich empfunden werden, auseinanderzusetzen“, sowie „politisch motivierten Druck“ und „subtile und informelle Einflussnahme“.

Dass Letzteres nicht die wenig „subtile“ Einflussnahme durch Politik und Wirtschaft meint, sondern die Intervention von Studierenden, ist offenkundig. Der Kodex fährt fort, dass im Falle einer „Störung, Verhinderung oder Skandalisierung von Veranstaltungen“ die „Schutzpflicht des Staates“ greife, die sich neben den Polizeibehörden auch auf „Präsidien, Rektorate und Dekanate“ erstrecke. Entscheidungen über den „Freiraum für Diskussionen“ seien dem Lehrbeauftragten selbst überlassen und im Rahmen der „Freiheit der Lehre“ allein von dessen „Konzept der jeweiligen Veranstaltung“ abhängig.

Unter dem Schlagwort „Abwehr von Sekundäreffekten“ verlangt der Kodex gar bedingungslose „kollegiale Unterstützung“ für „angegriffene Wissenschaftler“, damit diese „als wissenschaftliche Gesprächs- und Kooperationspartner“ nicht „gemieden“ werden. Es liege darüber hinaus in der Verantwortung „aller am Prozess der Wissenschaft Beteiligten“, „die Vertraulichkeit von Beratungen und Entscheidungsprozessen zu wahren“ – also Personal-, Strategie- und Finanzentscheidungen vor dem kritischen Blick der Öffentlichkeit abzuschirmen.

„Freiheit“ für Kriegsforschung und rechte Propaganda

Die Autoren des „Kodex“ lassen keinen Zweifel daran, dass sich die „inhaltlichen Positionen“, deren Verfechter nicht „angegriffen“ werden dürfen, aus den militärischen und sicherheitspolitischen Interessen des deutschen Imperialismus ergeben. So heißt es mit Blick auf „sicherheitsrelevante Forschung“ explizit, dass „jegliche Kontrolle durch die Etablierung von Zulassungsverfahren grundsätzlich abzulehnen“ sei.

Konkret erklären die Autoren mit Blick auf den hypothetischen „Bau einer Atombombe“, dass „die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung“ von Forschungsergebnissen „keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit“ rechtfertige. Insbesondere „Zivilklauseln“ – die eingeführt wurden, um eine Einbindung der Universitäten in einen dritten Weltkrieg zu verhindern – seien „im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit kritisch zu betrachten“ und ebenso wie andere „von außen aufgeprägte Normen“ abzulehnen.

Ihre Haltung zusammenfassend, schreiben die Professoren: „Ethische Erwägungen allein vermögen eine rechtliche Einschränkung der Freiheit nicht zu rechtfertigen.“

Hans-Heinrich Trute [Photo by Bernhard Ganter / CC BY-SA 3.0]

Hauptautor des „Kodex“ ist Hans-Heinrich Trute, seines Zeichens Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg. In einem aktuellen Podcast-Beitrag der Universität bezeichnete Trute es als „zweifelhaft“, aus „ethischen Überlegungen“ Verpflichtungen abzuleiten, die den „Spielraum“ der Wissenschaftler „verengen“ könnten. Während es stets darauf ankomme, „Forschenden die größtmögliche Freiheit zu geben“, müssten Studierende und Kritiker „lernen, in einer Form zu widersprechen, die es dem Gegenüber ermöglicht, weiterzumachen“.

Die Implikationen dieser Auffassungen liegen auf der Hand: Inmitten der größten deutschen Aufrüstung seit dem Ende der Nazi-Diktatur sollen alle „Einschränkungen“ fallen, die der Forschung für Krieg und Polizeistaat im Wege stehen. Während kritischen Studierenden untersagt sein soll, die Thesen ihrer Professoren auch nur „in die Öffentlichkeit hinauszutragen“ oder „wörtlich zu zitieren“, sollen Professoren unabhängig von ihrer Agenda „weitermachen“ und „die größtmögliche Freiheit“ genießen.

Wie reaktionär die Stoßrichtung des „Kodex Wissenschaftsfreiheit“ ist, machte Trute in einem weiteren Interview mit Zeit Online deutlich. Dort verteidigte er explizit die Professoren Thomas Rauscher, Bernd Lucke und Roland Wiesendanger, die in den letzten Jahren ihre privilegierten Stellungen missbraucht haben, um unter Missachtung grundlegender wissenschaftlicher Standards rechte Propaganda zu verbreiten.

Der mittlerweile emeritierte Jura-Professor Thomas Rauscher hatte sich seit 2016 mit rechtsextremen Forderungen nach einem „weißen Europa“ solidarisiert und die Folgen imperialistischer Ausplünderung der „ungehemmten Vermehrung“ von „Afrikanern und Arabern“ angelastet. Dass die Leipziger Jura-Fakultät Rauscher trotzdem in das Amt des „Beauftragten für ausländische Studierende“ erhoben habe, bezeichnete Trute gegenüber der Zeit als „völlig legitim“. Die Twitter-Äußerungen des Professors seien dessen private Angelegenheit und die Entscheidung der Universitätsleitung hätte „mit Wissenschaft wenig zu tun“.

Der Hamburger Nanophysik-Professor Roland Wiesendanger hatte im Februar 2021 mit Unterstützung der Universitätsleitung ein zusammengeschustertes Machwerk veröffentlicht, das die gegen China gerichtete „Wuhan-Lab“-Verschwörungstheorie der Trump-Regierung wiederholte. Die Universität publizierte die Ansammlung von Screenshots und Social-Media-Postings auf ihrer offiziellen Webseite und bezeichnete das Dokument als „Studie“, die einen „wissenschaftlichen Ansatz“ verfolge und eine „breit angelegte Diskussion“ verlange.

Eine internationale Expedition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zu diesem Zeitpunkt längst festgestellt, dass ein Laborunfall in der chinesischen Stadt Wuhan auszuschließen sei. Wenig später mussten selbst die von der US-Regierung beauftragten Geheimdienste zugeben, dass die Vorwürfe gegen China nicht untermauert werden konnten. Obwohl Wiesendangers eigene Fakultät sich „befremdet“ zeigte und sich von dem Papier distanzierte, sprach Trute gegenüber der Zeit von einem „Versuch eines wissenschaftlichen Beitrags“ und einer „Auseinandersetzung innerhalb der Wissenschaft“.

Bernd Lucke beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Essen, 4. Juli 2015 (Olaf Kosinsky/Skillshare.eu) [Photo by Olaf Kosinsky / CC BY-SA 3.0]

Bernd Lucke, Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg, hatte im Jahr 2013 zusammen mit anderen Professoren die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) gegründet und eine zentrale Rolle dabei gespielt, die Politik der Partei auszuarbeiten. Zu den studentischen Protesten, die nach Luckes Rückkehr an seinen Lehrstuhl im Jahr 2019 stattfanden, erklärte Trute in der Zeit: „Natürlich muss er seine Vorlesungen halten können… Und das muss dann auch durchgesetzt werden können.“

Mit Polizeieinsätzen gegen kritische Studierende

Die Universitätsleitung und der Hamburger Senat hatten Luckes Vorlesungen damals „durchgesetzt“, indem sie eine Hundertschaft der Polizei auf den Campus entsandten, um die Studierenden zu terrorisieren und die Proteste einzuschüchtern. Vor dem Hintergrund einer Hetzkampagne in Politik und Medien berichteten Studierende gegenüber der WSWS von einem Klima polizeistaatlicher Unterdrückung, Hakenkreuz-Schmierereien auf dem AStA-Gebäude, sowie Bomben- und Todesdrohungen von Rechtsextremisten.

Studierende demonstrieren gegen die Rückkehr von Bernd Lucke, 2019 (AStA Uni Hamburg)

Seitdem wird die Polizei überall in Europa in immer kürzeren Abständen an die Universitäten geschickt, um studentische Proteste brutal niederzuschlagen. Zuletzt geschah dies etwa an der Pariser Sorbonne nach den französischen Präsidentschaftswahlen, bei Protesten in Griechenland gegen die Einführung einer „Campus-Polizei“ und bei Massenprotesten gegen die Erdoğan-Regierung an der Boğaziçi-Universität in der Türkei.

Massendemonstration von Studierenden in İstanbul, January 6, 2020 [Credit: @ boundayanisma on Twitter]

Auf die Behauptung der Zeit, dass in Deutschland noch „eine gewisse Zurückhaltung“ bestehe, „Polizei auf den Campus zu rufen“, entgegnete Trute, es müsse „selbstverständlich“ sein, „Solidarität“ auch mit rechtsradikalen Professoren wie Lucke zu zeigen: „Es wird aber immer Fälle geben, bei denen es nicht reicht, wenn wir uns alle einig sind. Dann hilft manchmal nur die Polizei.“

Wissenschaft statt Militarismus und Kriegspropaganda

Der „Kodex Wissenschaftsfreiheit“ unterstreicht in aller Nachdrücklichkeit die Warnung der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), dass die Universitäten wie vor dem ersten und zweiten Weltkrieg wieder in Zentren des Militarismus und Kaderschmieden für rechte Ideologie verwandelt werden sollen.

Das programmatische Perspektivdokument „Neue Macht, neue Verantwortung“ rief bereits im Jahr 2013 „Universitäten, Forschungseinrichtungen, Stiftungen und außenpolitische Institutionen“ dazu auf, eine „Denklandschaft“ zu errichten, die der deutschen Außenpolitik „politische Optionen schnell und in operationalisierbarer Form“ bereitstellen könne.

Heute forschen Professoren führender technischer Universitäten längst unverhüllt an Waffen für den dritten Weltkrieg. Die Universität Hamburg selbst berief zuletzt die Bundeswehr-Professorin Simone Neumann auf eine Professur für Logistik- und Mobilitätssysteme. In einem Beitrag auf den Webseiten der Universität bezeichnet es Neumann als ihr „Ziel“, ihre „bestehenden Netzwerke weiter auszubauen“, sie „mit der Uni Hamburg zu verknüpfen“ und in Form von Kooperationen „auch Studierenden näher zu bringen“.

Weit davon entfernt, eine fortschrittliche Kritik an „Cancel Culture“ zu artikulieren, zielt der „Kodex“ im Gegenteil darauf ab, diese militaristischen Netzwerke zu schützen, Kriegsforschung zu legitimieren und rechte Hetze zu ernstzunehmenden Diskussionsbeiträgen zu verklären. Rechte Professoren sollen schalten und walten können, ohne von kritischen Studierenden behelligt zu werden – auch wenn sie rechtsextreme Parteien gründen, auf ein „weißes Europa“ hinarbeiten oder, wie im Falle des rechtsradikalen Professors Jörg Baberowski, in ihrem Werk den Holocaust relativieren.

Jörg Baberowski 2012 [Photo by Amrei-Marie / CC BY-SA 3.0]

Historisch betrachtet ist das Manifest Bestandteil einer systematischen Kampagne, die demokratischen und sozialen Reformen rückgängig zu machen, die von der 1968er-Studentenbewegung inmitten eines weltweiten Aufschwungs des Klassenkampfes errungen wurden. Damals verjagten die Studierenden eine Reihe von Nazi-Professoren von ihren Lehrstühlen, die unter der Schirmherrschaft der Adenauer-Regierung nach dem Krieg auf privilegierte Positionen zurückgekehrt waren.

Eine der frühesten und berühmtesten Aktionen fand im November 1967 ausgerechnet an der Universität Hamburg statt. Die ehemaligen AStA-Vorsitzenden Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer entrollten damals bei einer Prozession zum Amtsantritt des neuen Universitätspräsidenten Werner Ehrlicher ein Banner mit der Aufschrift „Unter den Talaren – Muff von tausend Jahren“, um gegen die Rolle der Universitäten in der Nazi-Diktatur zu protestieren. Ein Hamburger Professor rief ihnen daraufhin entgegen: „Sie gehören alle ins Konzentrationslager!“

Unter Bedingungen der tiefsten Krise des Kapitalismus seit dem Zweiten Weltkrieg knüpft die herrschende Klasse erneut offen an diese Traditionen an. Als die Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski im Jahr 2014 die historischen Verbrechen des deutschen Imperialismus verharmlosten, lieferten sie damit die ideologische Rechtfertigung für eine aggressive Rückkehr des deutschen Militarismus. Während der Politikwissenschaftler Münkler forderte, Deutschland müsse „Zuchtmeister“ Europas werden, stellte der Historiker Baberowski den Holocaust auf eine Stufe mit Erschießungen während des russischen Bürgerkriegs.

Herfried Münkler 2015 [Photo by Stephan Roehl / CC BY-SA 3.0]

Die Bundesregierung orchestrierte noch im selben Jahr zusammen mit den USA einen rechten Putsch in der Ukraine, der den gewählten Präsidenten vertrieb und ein rechtsextremes pro-westliches Marionettenregime installierte.

Obwohl beide Professoren das erklärte Ziel verfolgten, die Rolle des deutschen Imperialismus in zwei Weltkriegen herabzumindern und die Frage der Kriegsschuld zu revidieren, wurden Münkler und Baberowski vom gesamten politischen, medialen und akademischen Establishment verteidigt. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes Professor Bernhard Kempen ging im Jahr 2019 sogar so weit, Studierende des „Meinungs- und Gesinnungsterrorismus“ zu bezichtigen, die diesen staatlich verordneten Rechtsextremismus kritisierten.

Mit Beginn des Stellvertreterkrieges, den die Bundesregierung und ihre Nato-Verbündeten in der Ukraine gegen Russland führen, sind die Positionen Münklers und Baberowskis zum Credo der deutschen Regierungspolitik geworden. Medienkommentatoren und führende Politiker setzen das militärische Vorgehen der russischen Seite routinemäßig mit Hitlers Vernichtungskrieg und den beispiellosen Gräueltaten der SS-Einsatzgruppen gleich.

Das zunehmend offen verkündete Kriegsziel der deutschen Regierung besteht darin, sich zur führenden Militärmacht Europas aufzuschwingen und die Ukraine in den Einflussbereich der EU zu ziehen. Angeführt von den Vereinigten Staaten verfolgen die Nato-Mächte zugleich das Ziel, die Russische Föderation aufzuspalten, um mithilfe ihrer Ressourcen Krieg gegen China zu führen – unter bewusster Inkaufnahme eines Atomkrieges.

Der Kampf der IYSSE gegen Militarismus, Geschichtsfälschung und rechte Propaganda gewinnt unter diesen Bedingungen größte Bedeutung. Die Auseinandersetzungen an den Universitäten in Hamburg, Berlin und anderen Städten zeigen, dass der Kampf gegen die Gleichschaltung der Universitäten einen Kampf gegen den Kapitalismus und die gesamte herrschende Klasse erfordert. Er muss sich deshalb auf die internationale Arbeiterklasse und ein sozialistisches Programm stützen.

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