US-Eisenbahner lehnen Tarifvertrag ab: Weiterer Schlag gegen die vom Weißen Haus unterstützte Vereinbarung

Präsident der Schienenarbeiter-Gewerkschaft gesteht Geheimabsprache mit Bahnunternehmen, um Streikfrist zu verlängern

Ein BNSF-Terminalarbeiter überwacht die Abfahrt eines Güterzugs, 15. Juni 2021 in Galesburg (Illinois). BNSF Railroad will zwei seiner Gewerkschaften durch einen Bundesrichter daran hindern, im nächsten Monat gegen eine neue Anwesenheitsregelung zu streiken, die Arbeiter für Fehlzeiten bestrafen würde (AP Photo/Shafkat Anowar, Archiv) [AP Photo/Shafkat Anowar]

Nehmt den Kampf auf für Arbeiterkontrolle auf! Tretet dem Aktionskomitee der Eisenbahner bei, indem ihr eine E-Mail an railwrfc@gmail.com, eine SMS an (314) 529-1064 schickt oder das Formular am Ende dieser Seite ausfüllt.

Wie die Gewerkschaft am Mittwochnachmittag mitteilte, stimmten die Eisenbahner mit 61 zu 39 Prozent dafür, den von der Brotherhood of Railroad Signalmen (BRS) vorgelegten vorläufigen Tarifvertrag abzulehnen.

Mit einer Beteiligung von 73 Prozent war die Wahlbeteiligung die höchste in der Geschichte der Gewerkschaft. Dies ist ein Zeichen für eine wachsende Welle von Widerstand. Selbst einen Monat, nachdem das Weiße Haus einen Ausverkauf mit den größten Eisenbahngewerkschaften ausgehandelt hat, um einen landesweiten Streik abzuwenden, hat der Widerstand nicht nachgelassen.

Damit ist die BRS die dritte von 12 Gewerkschaften, deren jeweilige vorläufige Tarifvereinbarungen abgelehnt wurden. Vor zwei Wochen lehnten die Arbeiter der Brotherhood of Maintenance of Way Employees (BMWED) ihren Vertragsvorschlag mit 56 Prozent ab. Die Mitglieder der International Association of Machinists (IAM), Distrikt 19, lehnten Anfang September ebenfalls einen Vertrag ab. Zusammen haben diese drei Gewerkschaften mehr als 40.000 aktive Mitglieder, etwa ein Drittel der Gesamtbelegschaft der großen Class-I-Eisenbahngesellschaften.

Ein Stellwerker, der mit der World Socialist Web Site sprach, schrieb das Ergebnis der Unterstützung und Solidarität der Arbeiter aller Gewerkschaften und Berufe zu. „Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass sie in alle Berufsgruppen hinweg zusammengehalten haben“, sagte er. „Eine Stimme mag nicht gehört werden, aber ich hoffe, dass jetzt alle unsere Stimmen gehört werden.“

Die Abstimmung am Mittwoch fand nur wenige Tage vor Beginn der Abstimmung der Lokführer und Zugbegleiter in der Brotherhood of Locomotive Engineers and Trainmen (BLET) und SMART-TD am 31. Oktober statt, der bei weitem größten Gruppe von Eisenbahnern. Das Ergebnis wird mit einiger Sicherheit den Widerstand des Bahnpersonals gegen den Tarifvertrag verstärken, die Wahrscheinlichkeit seiner Zurückweisung erhöhen und die Frage eines landesweiten Bahnstreiks aufwerfen.

Die BRS-Abstimmung ist auch der jüngste Rückschlag für die Verschwörung zwischen der Biden-Regierung, den Transportunternehmen und der Gewerkschaftsbürokratie, die einen Streik verhindern und einen Ausverkauf durchsetzen wollen. Das Weiße Haus hatte am 15. September – weniger als 24 Stunden vor Ablauf der gesetzlichen Frist für einen landesweiten Streik – eine Vereinbarung mit der BLET und SMART-TD ausgehandelt. Biden drehte daraufhin eine öffentlichkeitswirksame Siegesrunde, und die bürgerlichen Tageszeitungen atmeten erleichtert auf, da sie davon ausgingen, das Problem sei gelöst.

Die Tarifvereinbarung, die auf einer früheren Entscheidung des von Biden eingesetzten Zwangsschlichters (PEB) beruht, wird von den Arbeitern jedoch zutiefst gehasst. Sie waren vor allem darüber verärgert, dass die 24-Stunden-Bereitschaft des Zugpersonals nicht angegangen wird und dass der unbezahlte Krankheitsurlaub von null auf nur drei Tage pro Jahr erhöht wird. Die im Rahmen der Vereinbarung vorgeschlagenen Lohnerhöhungen wurden verlogen als „historisch“ dargestellt, doch in Wirklichkeit würden sie über die Vertragslaufzeit hinweg unter der Inflationsrate liegen – was der erste derartige Vertrag seit drei Jahrzehnten wäre.

In den vergangenen zwei Monaten haben sich Arbeiter unabhängig vom Gewerkschaftsapparat organisiert, um den Vertrag zu bekämpfen. Das Eisenbahner-Aktionskomitee (Railroad Workers Rank-and-File Committee, RWRFC) hat eine Reihe von Informationsposten im ganzen Land organisiert und öffentliche Online-Sitzungen abgehalten, an denen hunderte Eisenbahner teilnahmen.

Angesichts der wütenden Reaktionen sowohl auf die PEB-Entscheidung als auch auf das Abkommen vom September hat sich die Gewerkschaftsbürokratie dafür entschieden, den Abstimmungsprozess so lange wie möglich hinauszuzögern, um die Dynamik zu bremsen. Die Abstimmung für die Lokführer und Zugbegleiter wird bis weit nach den Zwischenwahlen andauern, um die Handlungsfähigkeit des Kongresses zu stärken, sollte dieser nach einem „Nein“ eingreifen wollen.

In allen drei Gewerkschaften, in denen Arbeiter die angebotenen Verträge abgelehnt haben, hat die Gewerkschaftsbürokratie außerdem einseitig die Streikfristen bis Mitte November oder sogar noch später verlängert. In Anlehnung an den von der BMWED gesetzten Zeitplan erklärte die BRS am Mittwoch bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses, dass sie ihre Streikfrist bis „fünf Tage nach Wiederzusammentritt des Kongresses“ verlängern werde.

Unterdessen haben die meisten der fünf kleineren Gewerkschaften, die ihre Verträge „ratifiziert“ haben, dies in einem völlig undurchsichtigen Abstimmungsverfahren getan, bei dem schwerwiegende Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind. Zahlreiche Elektriker berichteten, dass sie ihre Briefwahlunterlagen für die IBEW-Abstimmung nie erhalten haben. SMART-MD (die kleinere Mechanikerabteilung von SMART) veröffentlichte ihre Abstimmungsergebnisse ohne Erklärung zwei Tage zu früh. Die NCFO gab keine über die Prozentzahlen hinausgehende Aufschlüsselung der Stimmabgabe bekannt, und Präsident Dean Devita beschimpfte einen WSWS-Reporter wütend, als dieser ihn um weitere Einzelheiten bat, und beschuldigte ihn, sich „in die Angelegenheiten meiner Organisation einzumischen“.

Washington ist entschlossen, einen Streik zu vermeiden, der nicht nur insbesondere für die Demokraten ein politisches Desaster wäre, sondern die gesamte korporatistische Politik ernsthaft untergraben würde, mit der die Biden-Regierung versucht, den Klassenkampf zu unterdrücken.

Noch während die Eisenbahner über die vorläufigen Vereinbarungen abstimmen, hat die Biden-Regierung mit der ILWU zusammengearbeitet, um die Hafenarbeiter an der Westküste drei Monate lang ohne Vertrag arbeiten zu lassen, was de facto einer Streikverfügung gleichkommt. Ein landesweiter Eisenbahnerstreik würde nicht nur dazu führen, dass die ohnehin schon durch bahnbedingte Verspätungen angespannte Schiffabfertigung und andere wichtige Glieder in der US-Lieferkette zum Erliegen kämen. Er würde auch die Hafenarbeiter und die Arbeiter in anderen Branchen ermutigen, ihre eigenen Forderungen durchzusetzen.

BMWED-Präsident räumt Geheimabsprache mit Eisenbahnunternehmen ein, um Streikfrist zu verlängern

Der Gewerkschaftsapparat erweist sich immer offener als entscheidendes Bollwerk der herrschenden Klasse, aber auch hier mehren sich die Zeichen der Besorgnis. Ebenfalls am Mittwochnachmittag gab der BMWED-Vorsitzende Tony Cardwell eine äußerst defensive Erklärung ab, in der er ungenannte „Randgruppen, die gefährliche Ideen von nicht genehmigten Arbeitsniederlegungen vorschlagen“, angriff. Dies ist eindeutig eine Anspielung auf das Aktionskomitee der Eisenbahner, RWRFC.

Cardwells Erklärung war nur die jüngste in einer Reihe zunehmend nervöser Äußerungen von Spitzenfunktionären der Gewerkschaft.

In Wirklichkeit ist es die Position der Gewerkschaftsbürokratie, die „randständig“ ist. Unter Arbeitern ist die Forderung nach Streiks nahezu einhellig. BMWED-Mitglieder stimmten zu 99 Prozent für einen Streik, BLET-Mitglieder zu 99,5 Prozent und IAM-Mitglieder zu 80 Prozent. Der Wille der Mitglieder wurde jedoch einfach ignoriert, während die Funktionäre zu Lügen, Einschüchterung und möglicherweise sogar Wahlbetrug griffen, um eine knappe „Ratifizierung“ zu erreichen.

„Eine nicht genehmigte Arbeitsniederlegung ist nicht nur illegal, sondern ein unkoordinierter Streik ist kurzsichtig und wird nicht das Ergebnis bringen, das zumindest eine anonyme Gruppe behauptet“, erklärt Cardwell in seinem Statement. „Gewerkschaften, die sich an illegalen Streiks beteiligt haben, sind mit katastrophalen finanziellen Strafen belegt worden... Die BMWED wird eine illegale Arbeitsniederlegung weder unterstützen noch dulden, und unsere Satzung verbietet Streikgelder oder andere Leistungen für einen illegalen Streik.“

Im Eisenbahnsektor, wo das arbeiterfeindliche Eisenbahnarbeitsgesetz (Railway Labor Act, RLA) das verfassungsmäßige Streikrecht der Arbeiter stark einschränkt, sind Gewerkschaftsfunktionäre seit langem daran gewöhnt, eine fertige, angeblich „legale“ Ausrede dafür zu haben, warum Arbeiter nicht streiken können und Ausverkäufe akzeptieren müssen.

Tatsächlich aber ist Cardwells Behauptung, ein Streik sei „illegal“, völlig falsch. Alle Beschränkungen für Streiks und „Self-Help“ (eigenständiges Tätigwerden) gemäß den Bestimmungen des RLA wurden am 16. September offiziell aufgehoben. Dies hat die Gewerkschaften nicht daran gehindert, weiterhin zu behaupten, ein Streik sei „illegal“, doch weder Cardwell noch ein anderer Funktionär haben ein einziges Gesetz angeführt, um diese Behauptung zu untermauern.

Was Cardwells Erklärung betrifft, die Gewerkschaft würde sich weigern, „nicht genehmigte“ Streiks zu unterstützen, so wäre ein Streik nur dann „nicht genehmigt“, wenn die Gewerkschaft sich weigert, ihn zu genehmigen. Damit erklärt er schlicht und ergreifend, dass er und der Apparat als offene Streikbrecher agieren und sich auf die Seite der Unternehmensleitung und der Gerichte gegen die Arbeiter stellen würden, wenn diese gegen den Willen der Bürokratie streiken.

Später sagte Cardwell, die Unterhändler des Konzerns hätten von der Gewerkschaft verlangt, „einer Streikfrist zuzustimmen, solange der Kongress in den Ferien ist und die vorläufige Vereinbarung nicht ratifiziert wird“.

Mit anderen Worten: Die Verlängerung der Streikfrist bis nach den Zwischenwahlen war eine freiwillige Vereinbarung, die ausschließlich zwischen den Unterhändlern der Gewerkschaft und des Unternehmens ausgehandelt wurde. „Kein Politiker hat unsere Vereinbarung für uns ausgehandelt, sie war das Ergebnis einer vorläufigen Vereinbarung zwischen dem BMWED und den Eisenbahnunternehmen auf der Grundlage der PEB-Empfehlungen“, fügte er hinzu.

Diese geheimen Vereinbarungen, die vermutlich den Verträgen aller 12 Gewerkschaften beigefügt sind, wurden nicht nur hinter verschlossenen Türen und ohne Anhörung der Arbeiter ausgearbeitet. Es scheint auch das erste Mal zu sein, dass ein hoher Gewerkschaftsfunktionär die Existenz solcher Vereinbarungen öffentlich zugibt. Frühere Erklärungen waren in einer vagen Sprache verfasst, die Arbeiter bewusst im Unklaren darüber ließ, warum oder auf wessen Veranlassung die Verlängerung vorgenommen wurde.

Kein echter Repräsentant der Arbeiter hätte solchen Bedingungen jemals zugestimmt. Sie locken Arbeiter in eine Zwickmühle, in der sie nicht streiken können, solange sie einen Vertrag nicht ablehnen, aber auch dann nicht streiken können, wenn sie ihn ablehnen. Solange die Gewerkschaften weiterhin Tarifverträge mit diesen geheimen Streikfrist-Verlängerungen vorschlagen, können Arbeiter auf diese Weise für immer bei der Stange gehalten werden, egal wie schlecht die Verträge sind und wie hoch die Niederlage ausfällt.

„Sie wollen sich nur um die Bürokratie kümmern und die Arbeiter [übers Ohr hauen]“, sagte ein Elektriker und Mitglied der RWRFC als Antwort auf Cardwells Brief. „Die Eisenbahner haben mit Nein gestimmt, wir von der IBEW auch! Die allgemeine Meinung ist hier, dass wir im Falle eines Streiks [an einem beliebigen Standort] nicht zur Arbeit erscheinen und keine Streikpostenkette übertreten werden. Das ist gut. Wir müssen streiken. Wir sollten uns an das halten, was WIR sagen, nicht an das, was die Konzerne sagen.

Diese Leute werden kommen und sagen, dass sie alle Ressourcen dieser Welt besitzen. Das Öl, das Benzin, das Erdgas, das alles gehört angeblich ihnen. Also müssen wir ihnen das Licht ausschalten.“

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