Perspektive

Der Krieg der Biden-Regierung gegen Flüchtlinge

Hinter dem Rücken der Bevölkerung vollzieht die US-Regierung unter Präsident Joe Biden einen gefährlichen und reaktionären Wandel in der Einwanderungspolitik, den sie über eine Ausweitung der präsidialen Macht und mit diktatorischen Mitteln durchsetzt.

Das Ziel dieser Änderungen ist es, die Grenzübertritte so drastisch zu reduzieren, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Asylsuchende sollen daran gehindert werden, amerikanisches Gebiet zu erreichen, auf dem die Verfassung gilt. Diese Rechtswende entlarvt die Lüge, der US-Imperialismus sei ein Leuchtturm der „Demokratie“ und würde im Krieg gegen Russland „Menschenrechte“ verteidigen.

Am 30. Oktober berichtete NBC News über ein Strategiepapier der Biden-Regierung, das den Behörden die Befugnis erteilt, Einwanderer aus Haiti in einer Einrichtung in Guantánamo Bay zu inhaftieren. Diese grenzt direkt an das Militärgefängnis, in dem Hunderte Gefangene aus dem „Krieg gegen den Terror“ eingesperrt und gefoltert werden.

Die Biden-Regierung sagt, sie könne Guantánamo als „Lily-Pad-Base“ für Einwanderer nutzen – eine Bezeichnung für eine Cooperative Security Location, die kleinste Stufe eines Militärstützpunkts außerhalb der USA. Der korrekte Begriff wäre aber „Internierungslager“. Gemäß dem Vorschlag würden 400 haitianische Flüchtlinge in Zellen und auf Pritschen in einem Niemandsland festgehalten, in dem die Verfassung nicht gilt. Sie hätten folglich kein Recht, ihre Behandlung oder Abschiebung anzufechten, wie es normalerweise der Fall wäre, wenn sie US-Gebiet betreten.

Einige Tage zuvor hatte die Biden-Regierung die Vermittlungsgespräche mit Anwälten abgebrochen, die mehr als 300.000 Personen mit befristetem Schutzstatus (Temporary Protected Status, TPS) vertreten. Sie hatten die Trump-Regierung wegen der Aufhebung des Schutzstatus’ für 240.000 Salvadorianer, 77.000 Honduraner, 14.000 Nepalesen und 4.000 Nicaraguaner im Jahr 2018 verklagt. Die Biden-Administration wandte sich gegen die Klage der Flüchtlinge und unterstützt im Wesentlichen Trumps Aufhebung des TPS-Status, wodurch Hunderttausende von der Abschiebung bedroht sind.

Laut Daten der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) von Anfang Oktober hat die Regierung Biden im Haushaltsjahr 2021 insgesamt 2,8 Millionen Einwanderer aus den Vereinigten Staaten abgeschoben, mehr als je zuvor in einem Jahr.

Die Statistik zeigt, dass mehr als eine Million Menschen auf der Grundlage der Regelung „Title 42“ abgeschoben wurden. Nach dieser antidemokratischen Bestimmung darf die Regierung die Einwanderung aufgrund eines „gesundheitlichen Notstands“ verbieten. Der ehemalige Präsident Trump stützte sich im März 2020 auf „Title 42“ unter dem Vorwand der Corona-Pandemie, und die Gerichte haben diese Regelung auch unter Biden beibehalten. Wem gemäß „Title 42“ die Einreise in die USA untersagt wird, hat auch keine verfassungsmäßigen Rechte und kann kein Asyl beantragen.

Am 12. Oktober unterzeichnete die Biden-Administration einen neuen üblen Deal mit dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO), der Zehntausenden Flüchtlingen aus Venezuela die Einreise in die Vereinigten Staaten verbietet, ebenfalls unter „Title 42“. AMLO erlaubt den Immigranten aus Venezuela in Zeltstädten zu leben. Menschen, die aus zerstörten Gesellschaften geflohen sind, wo imperialistische Kriege und kapitalistische Ausbeutung wüteten, sind dort Elend und Seuchen ausgesetzt.

Mit einer Mischung aus Zynismus und Heuchelei, die die Demokratische Partei in den letzten 200 Jahren perfektioniert hat, spielen sich Biden und die Demokraten weiterhin als Verteidiger der Einwanderer auf.

Auf einer Veranstaltung für neue US-Bürger wiederholte Biden kürzlich den abgedroschenen Appell der Demokratischen Partei: „Es sind die Träume von Einwanderern wie Ihnen, die Amerika aufgebaut haben.“ Doch als am Montag eine Gruppe von Geflüchteten versuchte, den Rio Grande bei El Paso zu überqueren, und dabei eine Fahne mit der Aufschrift „Wir Einwanderer haben Amerika aufgebaut“ trug, feuerte Bidens Grenzschutz mit Pfefferspraygeschossen auf ihre Köpfe. Sie mussten sich über den Fluss zurück in ihre Zelthäuser in Mexiko flüchten.

Der Angriff auf die Flüchtlinge erfolgt zu einer Zeit, in der die Arbeiterklasse in Lateinamerika und der Karibik von Armut und Elend heimgesucht wird. Die Pandemie und der andauernde Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine haben verheerende Auswirkungen auf Hunderte von Millionen Menschen in den Ländern, die seit über einem Jahrhundert unter der imperialistischen Vorherrschaft der USA leiden.

In Haiti steht die Gesellschaft am Rand des Zusammenbruchs. Die Cholera breitet sich aus, Lebensmittel und Gas werden knapp und Banden kontrollieren weite Teile des Landes. Trotzdem hat die US-Regierung Flüchtlinge zurück nach Haiti abgeschoben, auch nachdem Familienangehörige berichtet hatten, dass die haitianische Regierung Abgeschobene gegen Lösegeld in einem Gefängnis festhält.

Wer es in die USA schafft, wird mit brutaler Härte empfangen. Die World Socialist Web Site sprach mit einer jungen Mutter aus Haiti, die letztes Jahr von der Biden-Regierung an der Grenze festgehalten wurde:

Es ist schmerzhaft, über das zu sprechen, was mir in Texas widerfahren ist. Wenn ich darüber spreche, fühlt es sich an, als würde mir jemand eine Gabel ins Herz stoßen. Als ich inhaftiert wurde, war es furchtbar. Zuerst war ich gezwungen, mit meinem Baby unter einer Brücke zu schlafen. Einige der Wärter schlugen uns unter der Brücke, wie man es aus den Nachrichten kennt. Als wir in ein Gefängnis verlegt wurden, dachte ich, es würde besser werden, aber das wurde es nicht. Im Gefängnis nahmen sie meinem Kind die Medikamente weg, obwohl es blutete. Ich war vier Tage dort, sie gaben uns nichts zu essen, wir aßen nur Kekse. Wir konnten nicht baden, uns nicht die Zähne putzen und mussten auf dem Boden schlafen. Die Babys waren dehydriert, ihre Augen sahen aus, als würden sie ohnmächtig werden. Man weiß nicht, was man als Mutter tun soll, wenn das Kind sagt: „Mama, ich habe Hunger, ich habe Hunger“, aber man kann nichts tun. Mein Baby hat sich übergeben, es hatte Durchfall und blutete an den Füßen. Und als wir gingen, verspotteten uns die Wachen, dass wir stinken.

Der politische Schwenk, den die Regierung Biden derzeit vollzieht, ist ein massives Zugeständnis an die faschistische Rechte.

Die Strategie der Republikanischen Partei für die Zwischenwahlen geht weit über die übliche chauvinistische Rhetorik der Rechten hinaus. Die republikanischen Gouverneure von Texas und Florida (Greg Abbott und Ron DeSantis) haben die letzten Monate damit verbracht, mehr als 11.000 Einwanderer mit Bussen und Flugzeugen in Großstädte zu bringen, die von Demokraten regiert werden, um die eingewanderten Arbeiter als Kriminelle darzustellen.

Die Demokraten verfolgen die Strategie, sich an dieses Narrativ anzupassen. In der Pennsylvania Senate Debate zwischen dem von Trump unterstützten republikanischen Kandidaten Mehmet Oz und dem Demokraten John Fetterman attackierte letzterer die „illegalen Einwanderer“ und forderte „sichere Grenzen“.

In diesem rechten Klima, das vom politischen Establishment gefördert wird, kommt es immer häufiger zu Gewalt gegen Flüchtlinge. Ende September schoss Michael Sheppard, der Leiter einer Haftanstalt für Einwanderer in Sierra Blanca, Texas, auf eine Gruppe von Migranten, die in der Wüste etwas trinken wollten. Dabei wurde der 22-jährige Mexikaner Jesús Iván Sepúlveda Martínez getötet und die 31-jährige Brenda Berenice Casias Carrillo schwer verletzt.

Die Angriffe auf Arbeitsmigranten und Flüchtlinge sind ein internationales Phänomen und müssen als Warnung an die gesamte Arbeiterklasse gesehen werden. Am Montag erklärte die britische Tory-Innenministerin Suella Braverman, die Einwanderung sei eine „Invasion“ und „außer Kontrolle“. Am selben Tag warf ein Rechtsextremer Brandbomben auf ein Zentrum für Migranten in der Küstenstadt Dover. Dort werden Flüchtlinge in überfüllten Internierungslagern festgehalten, wo sie auf dem Boden schlafen und sich Krankheiten wie Diphtherie einfangen.

Das Gleiche gilt für die „demokratische“ Europäische Union. Jedes Jahr ertrinken Tausende Menschen im Mittelmeer beim Versuch, aus Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa zu fliehen.

Erst vorgestern ist ein Boot mit 68 Flüchtlingen an Bord vor der griechischen Insel Evia gesunken. Anfang Oktober wurden 92 Einwanderer aus Marokko, Iran, Bangladesch und Pakistan in Griechenland entdeckt, nachdem sie von den Behörden völlig nackt ohne Kleidung ausgesetzt worden waren. In Italien ernannte die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Dienstag einen Mann zum Minister, der mit einer Nazi-Armbinde fotografiert wurde.

Die Offensive gegen Flüchtlinge wird von der Logik des eskalierenden Kriegs gegen Russland angetrieben. In Kriegszeiten gehören die Einschränkung der Einwanderung und die Verstärkung des staatlichen Repressionsapparats immer zu den rücksichtslosesten Angriffen auf demokratische Rechte.

Als der US-Imperialismus in den Ersten Weltkrieg eintrat, unterzeichnete die Regierung Wilson den Espionage Act, der sowohl die Redefreiheit von Kriegsgegnern als auch die Einwanderung einschränkte und heute als Grundlage für die Strafverfolgung von Julian Assange dient. Als sich die USA auf den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg vorbereiteten, unterzeichnete die Roosevelt-Regierung den Smith Act, der auch als Alien Registration Act bekannt ist und ebenfalls Kritik am Krieg verbot, die Einwanderung blockierte und die Internierung der Japaner ermöglichte.

Der Kampf zur Verteidigung der Rechte von Geflüchteten muss sich auf die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den imperialistischen Krieg, die soziale Ungleichheit und deren Ursache, das kapitalistische System, stützen. Die Socialist Equality Party (US) fordert die Aufhebung des „Title 42“, die Gewährung eines legalen Status für alle, die in die USA einreisen wollen, das garantierte Recht auf Reisen für alle, unabhängig von ihrer Nationalität, sowie die Auflösung der Grenzschutzagenturen CBP, ICE, DHS und anderen nationalen Sicherheitsbehörden.

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