„Sie halbieren unsere Löhne – und die UAW lässt es zu!“

Autoarbeiter aus Indiana unterstützen Will Lehman und berichten über UAW-Verrat

Die Will Lehman-Kampagne veranstaltet am Sonntag, den 6. November, um 14:00 Uhr EDT (19 Uhr MEZ) eine Abschlusskundgebung. Zur Teilnahme kann man sich hier anmelden. Weitere Informationen über die Kampagne sind unter WillForUAWPresident.org zu finden.

Automobilarbeiter in Indiana haben am Dienstag ihre Unterstützung für den Präsidentschaftskandidaten der United Auto Workers (UAW), Will Lehman, zum Ausdruck gebracht. Dabei haben sie ausführlich über ihre Arbeitsbedingungen und Erfahrungen mit der UAW-Bürokratie berichtet. Ein Wahlkampfteam besuchte den General Motors Metallstanzbetrieb in Marion und den Allison Getriebekomplex in Indianapolis.

Die kleinen Industriestädte im Zentrum Indianas (Muncie, Anderson, Kokomo) spielten in den industriellen Massenstreiks, die zur Gründung der UAW in den 1930er Jahren führten, eine entscheidende Rolle. Mehrere Jahrzehnte lang fanden hier militante Kämpfe statt. Inspiriert durch den Sitzstreik in Flint (Michigan) in den Jahren 1936–1937 besetzten die Arbeiter die General Motors-Werke Delco Remy und Guide Lamp in Anderson und trotzten sowohl den Schlägern der Schwarzen Legion von General Motors, als auch dem Kriegsrecht und der Besetzung der Stadt durch die Nationalgarde.

In den letzten 40 Jahren hat sich die UAW jedoch an dem brutalen Angriff auf die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen in der Region beteiligt.

Am Tor des GM Stanzbetriebs in Marion

Lehmans Unterstützer sprachen mit GM-Arbeitern des Stanzwerks in Marion, in dem 758 Arbeiter Metallteile für GM-Fahrzeuge herstellen. Noch im Jahr 2014 hatte das Werk 1.600 Arbeiter.

Einst ein industrielles Zentrum, wurde Marion – wie andere Automobilstädte in Indiana – durch jahrzehntelangen Personalabbau und Lohnkürzungen zerstört. Bereits im Jahr 2017 lebte einer von vier Einwohnern von Marion in Armut. Von den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren lebt fast die Hälfte (45 Prozent) unterhalb der Armutsgrenze.

Die Arbeiter waren begeistert, als sie von Lehmans Wahlkampf und seinem Aufruf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Errungenschaften hörten. Ein Arbeiter kam auf die Wahlkämpfer zu und sagte: „Ich habe darauf gewartet, dass ihr kommt. Ich habe für Will gestimmt und seine Kampagne verfolgt. Ich habe gesehen, dass seine Unterstützer unten in Spring Hill (Tennessee) waren. Die unterschiedlichen Lohngruppen sind lächerlich, und sie müssen weg.“ Er schnappte sich einen Stapel Flugblätter, um sie im Werk zu verteilen, und klebte ein Plakat an das Schwarze Brett am Eingang.

Alex, Arbeiter des Metallstanzbetriebs in Marion

Ein altgedienter Arbeiter mit 24 Jahren Erfahrung in der Autoindustrie beschrieb das Werk in Marion als einen „Schmelztiegel“ von Arbeitern, die aus anderen, bereits geschlossenen GM-Werken kamen und schon die dortigen Massenentlassungen miterlebt hatten: „Wir haben hier Leute aus Hamilton (Ohio), Fort Wayne (Indiana), Bowling Green (Kentucky), Mansfield (Ohio), Janesville (Wisconsin), Grand Rapids (Michigan) und dem GM-Stanzwerk in Indianapolis.“

Er selbst war dabei, als General Motors 1999 die Teilesparte Delphi ausgliederte, die dann im Jahr 2007 Konkurs anmeldete und damit die Löhne, Renten und Arbeitsbedingungen von 42.000 ehemaligen GM-Mitarbeitern zerstörte. „Als ich bei Delphi war, haben sie unsere Löhne von 30 Dollar pro Stunde auf 15 Dollar halbiert, und die UAW hat das zugelassen.“

Der Arbeiter sprach auch über die Erfahrungen der GM-Stanzarbeiter im rund 140 Kilometer entfernten Indianapolis. Im Jahr 2011 schloss GM sein Stanzwerk in Indianapolis und vernichtete 650 Arbeitsplätze. Zuvor hatten die Arbeiter die von der UAW unterstützte Forderung des Konzerns abgelehnt, auf der Suche nach einem Käufer für das Werk eine Lohnkürzung um 50 Prozent zu akzeptieren. In Bezug auf den militanten Kampf der Arbeiter kommentierte der Veteran: „Die Jungs hier haben mir erzählt, dass sie die Funktionäre der UAW-International aus der Versammlung geworfen haben, weil diese von ihnen Lohnkürzungen verlangt hatten.“

Ein anderer Arbeiter beschrieb die Gleichgültigkeit der örtlichen UAW-Funktionäre gegenüber den Bedingungen im Presswerk. „Man kann sie nicht einmal ans Telefon bekommen: Sie schlafen.“

Ein Walzwerker fügte hinzu: „Die UAW stellt sich nicht gegen die Unternehmensleitung. Die Betriebsratsmitglieder sagen immer: ‚Die dürfen das‘, und die Unternehmensleitung macht einfach, was sie will. Sie haben Facharbeiter-Positionen zusammengelegt und Arbeitsplätze abgebaut. Jetzt wollen sie Schweißer zu Presswerkern machen. Wir wissen nicht, ob das wegen der Elektrofahrzeuge ist, oder warum sonst. Es gibt einen Mangel an Facharbeitern, weil sie alles ausgegliedert und nicht genug Lehrlinge eingestellt haben. Die Presswerker sind die einzigen, die für die Bedienung der Pressen qualifiziert sind, aber jetzt wollen sie, dass die Arbeiter vom Fließband das tun. Ich habe ihnen gesagt, dass ich das nicht machen werde, und sagte: ‚Ihr müsst welche ausbilden. Oh, ich vergaß, ihr wisst ja gar nicht, wie das geht‘.“

Er fuhr fort und beschrieb Sicherheitsverstöße der Unternehmensleitung, die mit dem Einverständnis der örtlichen Gewerkschaftsfunktionäre begangen werden: „Sie wollen ‚kostengünstig und effizient‘ sein, aber sie gefährden uns dadurch. Sie sagen, wenn man für die Bedienung eines kleinen Portalkrans ausgebildet ist, dann sei man auch genug qualifiziert, um einen großen Brückenkran zu bedienen. Das Management hat den Verstand verloren. Diese Kräne bewegen Pressformen, die 50 Tonnen wiegen. Wenn sie sich nur ein paar Zentimeter in die falsche Richtung bewegen, können sie jemanden töten oder schwer verletzen. Das Unternehmen und die Gewerkschaft sagen: ‚Sicherheit geht vor‘, aber das ist alles Unsinn. Wir haben hier keine Gewerkschaft.“

Im Januar 2021 wurde ein Arbeiter in dem Werk von einem 3,5 Tonnen schweren Stahlwandstück erdrückt, als es von einem defekten Gabelstapler herunterfiel.

Lehman-Wahlkämpfer im Gespräch mit Autoarbeiter vor dem Allison Getriebewerk in Indianapolis

Lehman-Unterstützer sprachen auch mit Arbeitern vom Allison Getriebewerk in Indianapolis. Im Jahr 2007 verkaufte GM sein ziviles und militärisches Allison-Getriebegeschäft für rund 5,6 Milliarden Dollar an die Carlyle Group und die Onex Corporation. Dazu gehörten sieben Produktionsstätten in Indianapolis mit 3.400 Arbeitern. Sie stellen Automatikgetriebe für mittlere und schwere Nutzfahrzeuge her. Das Werk stellt auch Getriebe für Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge des US-Militärs her.

Ein Arbeiter sagte, er habe für Will gestimmt, weil „wir eine Veränderung brauchen“. Er bestätigte, dass im Werk zahlreiche Arbeiter in der niedrigeren Lohngruppe beschäftigt seien, und fügte hinzu: „Ich weiß, dass er [Will] davon spricht, die Lohnunterschiede zu beseitigen. Und ich denke, das sollten wir auch tun. Die stellen Arbeiter für weniger als 15 Dollar pro Stunde ein. Das ist verrückt. Dieses Unternehmen hat in den letzten Jahren Rekordgewinne erzielt.“ Wills Aufruf an die Belegschaft, dem UAW-Funktionärsapparat die Entscheidungsgewalt zu entziehen, kommentierte er mit den Worten: „Ich stimme dem zu. Die UAW, denke ich, ist eine betrügerische Bande.“

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Scott, ein Arbeiter, der seit über vier Jahrzehnten in dem Werk arbeitet, beschrieb die Veränderungen, die er erlebt hat: „Für die alten Arbeiter ist noch alles geregelt, aber für die neuen gibt es keine Renten oder gute Löhne mehr. Seit Jahren hat keiner von uns einen Inflationsausgleich [COLA] erhalten. Die Gewerkschaft hat einen Sechsjahresvertrag ausgehandelt, und er läuft aus, während wir in eine Rezession geraten. Wir haben unsere gesamte Verhandlungsmacht aufgegeben. Das Unternehmen kann bei einem Einstiegslohn von 15 Dollar nicht einmal Stellenbewerber finden. Amazon zahlt mehr.“

Er fuhr fort: „GM hat uns 2007 ausverkauft. Wir haben seit 15 Jahren keine Lohnerhöhung mehr bekommen. Irgendwann werden wir streiken müssen. Wir haben mit 97,2 Prozent für die Ablehnung des letzten Tarifvertrags gestimmt, aber sie haben den Vertrag dennoch durchgesetzt. Jetzt werden wir gezwungen, zwei Samstage hintereinander zu arbeiten, und für viele ist der Sonntag ihr einziger freier Tag. Das Ziel der Gewerkschaft wäre es eigentlich, uns zu schützen und unsre Interessen zu vertreten. Doch den höheren Funktionären in der Gewerkschaft ist das schnuppe. Dabei sind wir diejenigen, die das Produkt herstellen und die Gewinne erzeugen.“

Ein anderer Arbeiter sagte: „Ich habe gestern für Will gestimmt. Die Gewerkschaft überlässt dem Unternehmen zu viel Macht. Das Unternehmen sagt der Gewerkschaft, was sie zu tun hat. Es gibt kein Beschwerdeverfahren. Die Beschwerden sind einfach nur kindisch. Ich habe 20 Jahre lang bei Ford gearbeitet und war dort Vertrauensmann. Diese Gewerkschaft hier ist völlig anders. Sie ist in der Hand des Unternehmens. Ford hat 2011 dichtgemacht. Dann folgte das GM Stanzwerk, die Chrysler-Gießerei, Harvester und all die großen Werke. Ich mache mir Sorgen um dieses Werk. Hoffentlich schaffe ich es noch, bis zur Rente zu arbeiten. Aber dann ist da noch die nächste Generation, der ich gerne etwas hinterlassen würde, aber ich weiß nicht wie.“

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Zunächst äußerte der Arbeiter die Hoffnung, dass die Chip-Knappheit und die wachsenden Spannungen mit China und Russland die Unternehmen dazu bringen könnten, „Arbeitsplätze in die Vereinigten Staaten zurückzuholen“.

Er lenkte jedoch sofort ein, als Lehman-Unterstützer ihm sagten, dass Will für die internationale Einheit aller Arbeiter gegen die globalen Konzerne kämpft.

„Ich denke, das wäre großartig. Auf diese Weise müssen wir alle auf das gleiche Niveau kommen. Ich meine, das brauchen wir. Wir müssen alle zusammenhalten“, sagte er weiter. „Ob wir nun in Mexiko oder Japan oder wo auch immer sind. Wenn wir alle Automobilarbeiter sein wollen, müssen wir alle zusammenstehen, wir müssen solidarisch zusammenhalten.“

Die Will Lehman-Kampagne veranstaltet am Sonntag, den 6. November, um 14:00 Uhr EDT (19 Uhr MEZ) eine Abschlusskundgebung. Zur Teilnahme kann man sich hier anmelden. Weitere Informationen über die Kampagne findet ihr unter WillForUAWPresident.org.

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