Mindestens 62 Flüchtlinge sind ums Leben gekommen, nachdem ihr Holzboot vor Italiens kalabrischer Küste auf den Felsen zerschellt ist. Unter den Toten befanden sich ein Neugeborenes und 19 weitere Kinder. Viele der Leichen wurden in der Nähe eines Badeorts an Land gespült.
Weitere 81 Menschen haben das Unglück überlebt, 20 davon wurden in Krankenhäuser gebracht, einer auf die Intensivstation. Überlebende erklärten, auf dem Boot, das vor drei bis vier Tagen aus der Türkei aufgebrochen war, hätten sich ursprünglich etwa 150 Menschen befunden.
Die Verantwortung für dieses schreckliche Verbrechen liegt bei allen europäischen Regierungen, die sich verschworen haben, den Kontinent in eine „Festung“ gegen verzweifelte Menschen zu verwandeln, sowie bei den USA und ihren Verbündeten, deren imperialistische Gewalt die Gesellschaften im gesamten Nahen Osten und Afrika zerstört hat und die Bewohner in noch nie gekannter Zahl zur Flucht aus ihrer Heimat zwingt.
Die faschistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äußerte mit abstoßender Heuchelei ihre „große Trauer“, bevor sie versprach, den Kurs fortzusetzen, der für das Blutbad an den europäischen Grenzen verantwortlich ist: das Schließen der Routen nach Europa, indem „Abreisen verhindert“ werden. Ihr Innenminister prahlte letzte Woche damit, in Tunesien und Libyen habe die Umsetzung dieser Maßnahmen die Ankunft von fast 21.000 Menschen „verhindert“. Sie werden nämlich unter höllischen Bedingungen in diesen Ländern gefangen gehalten und zahllose andere zu noch gefährlicheren Reisen gezwungen.
Sämtliche anderen europäischen Machthaber könnten dasselbe geäußert haben wie die Faschistin Meloni.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte: „Ich bin zutiefst betrübt über das schreckliche Schiffsunglück... Gemeinsam müssen wir unsere Anstrengungen für den Migrations- und Asylpakt und den Aktionsplan für das zentrale Mittelmeer verdoppeln.“ Die Details wurden beim EU-Gipfel Anfang des Monats dargelegt, auf dem ein „integriertes Paket von mobiler und stationärer Infrastruktur... von Fahrzeugen über Kameras und von Wachtürmen bis zu elektronischer Überwachung“ diskutiert wurde, die Asylsuchenden den Zugang verweigern sollen. Außerdem sollen Massenabschiebungen erleichtert und die Zusammenarbeit mit den brutalen Regimes an der nordafrikanischen Küste verbessert werden.
Von der Internationalen Organisation für Migration wurden im Jahr 2022 für die „Festung Europa“ bereits 2.406 Tote oder Vermisste im Mittelmeer registriert. Seit 2014 waren es fast 26.000 Menschen. Ganz zu schweigen von den Gräueln, die sie auf dem Weg zur türkischen oder nordafrikanischen Küste erleiden, oder dem Netz von Internierungslagern, in denen Zehntausende von Flüchtlingen inhaftiert sind und denen grundlegende demokratische Rechte verweigert werden.
Seit im Jahr 2015 das Bild eines toten syrischen Jungen an einem türkischen Strand in der Bevölkerung Erschütterung und Wut ausgelöst hatte, werden aufgrund der Politik der Regierungen regelmäßig tote Kinder an den Küsten angespült. Im November 2020 wurde die Leiche eines Fünfjährigen an der Küste der griechischen Insel Samos gefunden. Sein Vater hatte ihn verloren, als ihr Boot an den Felsen gekentert war. Ihm drohen jetzt zehn Jahre Haft, weil ihm vorgeworfen wird, er habe das Leben seines Sohnes gefährdet. Die Leiche seines Sohnes musste er in Handschellen identifizieren.
Einen Monat später wurden die Leichen von vier Kindern zwischen fünf und zehn Jahren an einem Strand westlich der libyschen Hauptstadt Tripolis gefunden. Fünf Monate später wurden drei weitere Kinder, darunter ein sechs Monate altes Baby und ein Dreijähriger, tot am gleichen Küstenabschnitt aufgefunden. Noch einen Monat später entdeckte man einen ertrunkenen Einjährigen an der norwegischen Küste, dessen Familie von Frankreich nach Großbritannien gelangen wollte.
Im Mai 2021 veröffentlichte der Guardian eine Analyse, in der er 2.000 Todesfälle mit den völkerrechtlich illegalen Pushback-Operationen der EU in Verbindung brachte, mit denen Flüchtlinge von den europäischen Grenzen ferngehalten werden sollen, einschließlich der Anwendung von Gewalt und Demütigung. Das ist jedoch nur die Spitze eines Eisbergs des Leids. Die schlimmsten Misshandlungen finden in Libyen und Tunesien statt, wo Flüchtlingsschiffe abgefangenen und Flüchtlinge in Lagern interniert werden, in denen Folter, Vergewaltigung, Erpressung, Mord und Sklaverei an der Tagesordnung sind.
Eine weitere Strategie besteht darin, Flüchtlinge auf hoher See ihrem Schicksal zu überlassen. Laut einem Bericht des europäischen Menschenrechtskommissars aus dem Jahr 2021 haben die europäischen Regierungen Schiffe aus Gebieten abgezogen, in denen sie am wahrscheinlichsten auf Flüchtlinge in Seenot stoßen würden.
Viele kleine NGOs haben sich eingeschaltet, um die internationale Verpflichtung zur Rettung von Menschen auf See zu erfüllen. Melonis Regierung steht an der Spitze von Bemühungen, diese Rettungseinsätze zu verbieten. Am Donnerstag verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Rettungsschiffe verpflichtet, nach einer Rettung sofort einen Hafen anzulaufen, statt noch weitere Boote in Seenot zu suchen.
Doch auch wenn die italienische Regierung rechtlich am weitesten gegangen ist, setzt sie damit nur die gemeinsame Politik aller europäischen Mächte um. Am Freitag forderten 15 EU-Staaten in einer Erklärung finanzielle Unterstützung für „jede Art von Grenzschutz einschließlich physischer Barrieren“. Sie fügten hinzu, dass „die Unterstützung für Frontex aufgestockt und in den am stärksten betroffenen Mitgliedsstaaten vollständig durchgesetzt werden sollte“. Sie forderten außerdem „mehr Möglichkeiten für beschleunigte [Abschiebe]verfahren in Folge von Abweisungen im Falle unbegründeter Asylanträge“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Rettungsschiffe mit Hunderten von Flüchtlingen an Bord müssen regelmäßig wochenlang auf See bleiben, da sich ein Land nach dem weigert, sie anlegen zu lassen. Im Jahr 2020 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht mit dem Titel „Solidarität auf dem Prüfstand in der Festung Europa“, in der verurteilt wurde, wie „Menschenrechts-Verteidiger und Organisationen der Zivilgesellschaft, die Flüchtlingen und Migranten geholfen haben, in mehreren europäischen Staaten unbegründet mit Strafverfahren, unzulässigen Einschränkungen ihrer Aktivitäten, Einschüchterungen, Schikanen und Verleumdungskampagnen überzogen wurden“.
Erwähnt wurde u.a. das noch laufende Verfahren der griechischen Regierung gegen eine Gruppe von 24 Freiwilligen, die Flüchtlinge vor der Küste von Lesbos gerettet hatten; ihnen wird Menschenschmuggel, Geldwäsche und Betrug vorgeworfen. Anfangs wurde gegen sie auch wegen Spionage ermittelt, das musste jedoch fallengelassen werden. Zu der Gruppe gehört auch Sarah Mardini, deren Geschichten, wie sie anderen Flüchtlingen half, von der Türkei über das Meer nach Griechenland zu gelangen, die Grundlage für den Film The Swimmers bildete.
Mardini war vor dem verheerenden Krieg in Syrien zwischen den islamistischen Stellvertreterkräften der Nato und der Regierung von Baschar al-Assad geflohen. Die Flüchtlinge, die am Sonntag ertranken, stammten aus Afghanistan, Pakistan, Somalia und dem Iran – aus Ländern, die ebenfalls von den USA besetzt, wahllos mit Drohnen angegriffen, oder mit verheerenden Sanktionen überzogen wurden sowie Opfer der globalen Ungleichheit und des Klimawandels sind. Diese Faktoren haben dafür gesorgt, dass eine Rekordzahl von 100 Millionen Menschen zu Vertriebenen geworden sind. Für die kapitalistischen Regierungen der Welt sind sie jedoch nur menschlicher Abfall.
In der Türkei leben fast vier Millionen Vertriebene, darunter bis vor kurzem auch diejenigen, die vor Kalabrien Schiffbruch erlitten haben. Weitere 6,6 Millionen leben als Binnenvertriebene in Syrien. Vielen hat das Erdbeben Anfang des Monats, das mindestens 50.000 Todesopfer gefordert und Millionen obdachlos gemacht hat, ein zweites Mal das Leben zerstört.
Die Reaktion der europäischen Regierungen sagt alles über die Prioritäten der herrschenden Klasse. Die Europäische Kommission hat bisher lediglich 6,5 Millionen Euro Hilfsgelder für die Erdbebenopfer zugesagt, während letztes Jahr 754 Millionen Euro für die Grenzschutztruppe Frontex bereitgestellt wurden. Gemeinsam mit der griechischen Regierung hat Frontex ihre Patrouillen in der Ägäis ausgeweitet, da sie mit einer steigenden Zahl von Flüchtlingen rechnet, die aus dem Katastrophengebiet entkommen wollen. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi erklärte: „Die Massenbewegung von Millionen Menschen ist keine Lösung.“
Der Angriff auf Migranten und die Verweigerung demokratischer Rechte ist ein globales Phänomen. US-Präsident Joe Biden kündigte letzte Woche eine Einwanderungspolitik an, die nahezu allen Migranten an der Südgrenze der USA Einreise und Asyl verwehrt, was ein grober Verstoß gegen das Völkerrecht ist.
Ereignisse wie diese widerlegen die Behauptungen, die USA und die europäischen Mächte würden in der Ukraine einen Krieg für „Demokratie“ und „Freiheit“ gegen Russland führen. In Wirklichkeit sind der Nato-Krieg und die Angriffe auf Flüchtlinge untrennbar miteinander verbunden. Ein großer Krieg in Europa ist mit demokratischen Rechten unvereinbar und erfordert einen massiven Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse, der sich sehr schnell und am stärksten gegen die schwächsten Gruppen richten wird, die bereits jetzt gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen.
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