Urabstimmung bei der Post: Aufruf des Post-Aktionskomitees für Streik erhält große Unterstützung

Der Aufruf des Post-Aktionskomitees, den nahenden Streik bei der Deutschen Post DHL AG selbst in die Hand zu nehmen, um einen Ausverkauf des Arbeitskampfs durch Verdi zu verhindern, ist unter den Beschäftigten auf große Unterstützung gestoßen. In den ersten Tagen ist er mehr als 25.000 Mal aufgerufen worden. Viele Post-Arbeiter haben das Aktionskomitee kontaktiert. Sie berichten über ihre Arbeitsbedingungen, ihre Haltung zu Verdi und thematisieren auch die Kriegsentwicklung und die internationale Entwicklung des Klassenkampfs.

Kundgebung von Postbeschäftigten am 6. Februar in Berlin

An den Zustellstützpunkten (ZSP) und Verteilzentren nahmen viele Beschäftigte gleich mehrere Flyer für ihre Kolleginnen und Kollegen mit. Sowohl die schriftlichen Rückmeldungen der Beschäftigten als auch die Reaktionen beim Verteilen der Flyer zeigen: Die Unzufriedenheit der Beschäftigten ist riesig. Vertreter von Verdi und Post reagierten entsprechend gereizt auf den Aufruf.

Das Angebot der Post beinhaltet, die Löhne erst ab 2024 um 150 Euro pro Monat und dann noch einmal im Dezember 2024 um 190 Euro zu erhöhen. Die steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro will der Konzern auf die Laufzeit von 24 Monaten verteilen.

Alles deutet darauf hin ,dass in der laufenden Urabstimmung bedeutend mehr als die erforderlichen 75 Prozent der Verdi-Mitglieder das Angebot ablehnen und für einen unbefristeten Streik stimmen. Verdi möchte einen Vollstreik aber, wenn es irgendwie möglich ist, verhindern.

Beschäftigte, die noch nicht viele Jahre bei der Post arbeiten und meist jünger sind, sind über die niedrigen Löhne verärgert, mit denen es gerade in den Großstädten immer schwieriger wird auszukommen. Die niedrigste Lohngruppe bei der Post startet mit einem Stundenlohn von 12,60 Euro, die Zustellerinnen und Zusteller bekommen 14,34 Euro. Die neuen Kolleginnen und Kollegen erhalten dabei weniger Zulagen als die langjährig Beschäftigten. „So kann es sein, dass ein Kollege im Monat rund 600 Euro weniger bekommt als der andere, obwohl beide die gleiche Arbeit machen“, berichtet ein Zusteller.

Eine Alleinerziehende erklärt in Leipzig, dass aufgrund der schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen in den letzten drei Monaten zehn ihrer Kollegen gekündigt hätten. „Und wenn das Post-Angebot angenommen wird, kündigen wir hier alle.“ Am Monatsende bleibe nichts übrig, als Alleinerziehende könne sie nicht einmal mit den Kindern in den Urlaub fahren.

Ein 23-jähriger Paketzusteller aus Baden-Württemberg beklagt vor seinem ZPS die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen. „Den ganzen Tag zu fahren ist kein leichter Job, man braucht viel Konzentration während der Tour und dann die Kraft, um die Pakete zuzustellen.“ Er hält die 15 Prozent-Forderung für mehr als legitim. „Berücksichtigt man die exorbitanten Preissteigerungen bei allen notwendigen Dingen, muss die Forderung eigentlich weit über 15 Prozent liegen“, sagt er. Sein Kollege pflichtet ihm bei: „Von dem, was wir jetzt verdienen, ist es nicht möglich, ein anständiges Leben zu führen.“

Die langjährig Beschäftigten sind insbesondere wütend über die ständig steigende Arbeitsbelastung. Sie berichten, dass „die McKinsey-Leute im Vorstand“ immer ausgefeiltere Methoden benutzen, um die Arbeitsbelastung zu erhöhen. Eine der letzten Veränderungen betraf die Flexibilisierung der Bezirke.

„So hat sich zwar nicht die Postmenge erhöht“, berichtet ein Zusteller. „Aber ich habe nun viel längere Wege. Früher hatte ich 20 Kilometer, jetzt 25 Kilometer am Tag zu laufen.“ Aber um Arbeitsbedingungen gehe es Verdi und Post nicht. „Die sitzen zusammen im Aufsichtsrat.“ Es heiße immer, „schlechte Arbeitsbedingungen gibt es nicht in Deutschland, nur in China“. Aber das stimme natürlich nicht.

Der Zusteller erinnert daran, dass „in den Anfängen der Arbeiterbewegung ständig um Lohn und Arbeitsbedingungen gekämpft“ wurde. „Heute werden Löhne geringfügig erhöht, und dafür müssen wir mehr arbeiten.“ So könne man die Rente nicht gesund erreichen.

Die Skepsis unter den Beschäftigten gegenüber Verdi ist groß. „Ältere Kollegen haben mir schon gesagt, dass Verdi auf der Seite des Arbeitgebers steht“, berichtet ein junger Zusteller aus Süddeutschland. Er habe seinen Betriebsrat gefragt, ob der Streik sofort nach der Urabstimmung begonnen werde. „Da hat er rumgedruckst, man wüsste nicht, ob sie den Streik staffeln usw. Wenn die uns ausverkaufen, dann gehen bei uns hier 80 Prozent wieder raus aus Verdi“, ist er sich sicher.

Entsprechend nervös haben Verdi und die Leitungen in den Zustellstützpunkten reagiert. In Duisburg kamen insgesamt drei Vertreter von der ZSP-Leitung und Verdi zu den Unterstützern des Post-Aktionskomitees vor das Betriebsgelände und wollten ihnen verbieten, die Flyer zu verteilen. Zwei von ihnen reagierten extrem aufgebracht. Sie unterstellten dem Aufruf, er würde zu „wilden Streiks“ aufrufen. Außerdem meinte einer der beiden zu wissen: „Die Kollegen verstehen das doch gar nicht.“

Die Unterstützer des Aktionskomitee ließen sich nicht beirren. Als zwei Arbeiter Flyer entgegennahmen, entriss einer der leitenden Beschäftigten einem das Flugblatt mit dem Hinweis, „das brauchst du nicht“. Der Arbeiter drehte sich zu den Unterstützern um und nahm sich ein zweites.

Berichten zufolge haben die Verdi-Betriebsräte unter den Belegschaften vehement den Aufruf und die WSWS verteufelt. „Ich solle das vergessen, das sei üble Nachrede, wurde mir gesagt“ berichtet ein Zusteller. Er solle daher den Aufruf nicht weiterleiten, man müsse „in dieser Situation die Füße stillhalten“. „Da bin ich erst recht hellhörig geworden“ berichtet er.

So wie er befürchten viele, die sich beim Aktionskomitee gemeldet haben, dass der Streik noch in letzter Minute abgesagt wird – oder dass er halbherzig und ineffektiv, „gestaffelt“ geführt wird.

„Man muss den Arbeitgebern richtig auf die Füße treten, nicht diese Streichel-Streiks organisieren“, meint ein Beschäftigter. Ein DHL-Zusteller aus Baden-Württemberg unterstützt die Vorbereitung für einen Streik, „aber nicht nur für einen oder zwei Tage“. Er meint, „ein Streik sollte für einen Monat oder länger sein, alle Pakete müssen liegen bleiben und nicht zugestellt werden“. Nur „wenn die DHL Geld verliert, dann werden sie einlenken“.

Mehrere Post-Beschäftigte thematisieren nicht nur den offensichtlichen Zusammenhang zwischen den hohen Milliardengewinnen der Post und den schlechter werdenden Arbeitsbedingungen und sinkenden Löhnen. Sie verstehen auch die hohe Inflation als Folge des Kriegs in der Ukraine und sprechen sich ausdrücklich für seine sofortige Beendigung aus.

So wie ein Paketzusteller es formulierte, denken viele: „Wer unterstützt schon Kriege, die Tod und Zerstörung bringen?“ Ein anderer Kollege fragt: „Die Ukraine unterstützen, was heißt das?“ und folgert: „Wir müssen das dann bezahlen.“

Einer jungen Post-Beschäftigten gefiel, dass „wir die Zusteller bei den anderen Lieferanten mit ansprechen, dass man gemeinsam kämpfen muss. Wir haben schon miese Löhne, aber die anderen sind noch schlimmer dran“.

Ein Mitinitiator des Post-Aktionskomitees, beschäftigt in der Verwaltung, zeigte sich erfreut über die große Resonanz des Aufrufs. Jetzt heiße es, die wachsende Bewegung gegen Post und Verdi im größeren Zusammenhang zu sehen. „Denn es zeigt sich, dass die Entwicklung in jedem Land zwar eine eigene Charakteristik hat, aber überall die Gleiche ist. Überall in der Welt stehen die Beschäftigten gegen ihre ständig wachsende Verarmung und die stetige Bereicherung der Reichen auf.“

Nun kämen noch die Kosten des Krieges dazu. „Dabei halte ich die Position, dass Putin allein für den Krieg verantwortlich ist, für grundfalsch“, so der Post-Beschäftigte. „Sollen doch alle mal ihre geheimen Pläne und Absprachen veröffentlichen. Dann würden wir sehen, wer welche Verantwortung trägt. Deutschland und die USA eskalieren den Krieg; auch weil sie selbst in einer enormen Krise stecken.“ Diejenigen, die aus dem Krieg Profit zögen, hätten kein Interesse, diesen zu beenden. „Die Rüstungsfirmen verdienen, die Beschäftigten, z. B. im öffentlichen Dienst, sollen laut [SPD-Verteidigungsminister Boris] Pistorius den Gürtel enger schnallen, um die Kosten des Kriegs zu tragen.“

Arbeiter seien daher mit politischen Fragen konfrontiert. „Die Parteien in Berlin und die Gewerkschaften stehen auf der anderen Seite. Wir Arbeiter benötigen eine eigene Organisation, in den Betrieben und auch eine eigene politische Partei, und die muss international sein.“ Globale Probleme wie Klimawandel und Kriegsgefahr ließen sich nur international lösen. Das zeige sich auch in der sozialen Frage. „Nur indem Arbeiter über das eigene Unternehmen und selbst das eigene Land hinaus blicken, die gemeinsamen Probleme und Ziele erkennen, haben wir die Chance, der aktuellen Entwicklung entgegenzutreten.“

Es ist nun dringend notwendig, dass das Post-Aktionskomitee weiter gestärkt wird. Das Ergebnis der Urabstimmung wird am 9. März bekanntgegeben. „Nur indem wir jetzt selbst aktiv werden und uns unabhängig zusammenschließen“, heißt es im Aufruf, „können wir unsere Löhne und Arbeitsbedingungen verteidigen.“

Das Aktionskomitee ist einfach per Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 zu erreichen oder registriert euch gleich hier über das folgende Formular.

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