Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir rufen euch auf, den Tarifabschluss von Verdi und dem Post-Vorstand abzulehnen. Er bedeutet heftige Reallohnkürzungen. Er unterscheidet sich nicht von dem Angebot, das wir zuvor mit 86 Prozent der abgegebenen Stimmen abgelehnt haben.
Die gesamte Streikabstimmung war ein abgekartetes Spiel, mit dem wir getäuscht und entwaffnet werden sollten. Das Ergebnis war schon vorher beschlossene Sache. Verdi spricht für die Post und ihre Aktionäre, nicht für uns.
Es gibt daraus nur eine Schlussfolgerung: Wir müssen uns unabhängig von Verdi organisieren, um unsere Interessen durchzusetzen und die krassen Lohnkürzungen zurückzuschlagen.
Wir vom Post Aktionskomitee hatten schon vor der Abstimmung gewarnt, dass Verdi keinen Streik führen will, sondern nur nach Wegen sucht, das Diktat der Konzernleitung gegen uns durchzusetzen. Das hat sich mit der Nacht- und Nebelaktion von Freitag auf Samstag mehr als bestätigt. Schon am Samstagnachmittag – keine 48 Stunden nach Bekanntgabe des Urabstimmungsergebnisses für einen Streik – stellte Kocsis den angestrebten Abschluss der Presse vor.
Die Verdi-Funktionäre müssen glauben, dass wir nicht lesen und rechnen können. Die langfristig wirkenden, tabellenwirksamen Erhöhungen sind im neuen Angebot nahezu identisch mit dem ersten. Im ersten Angebot sollte es eine Erhöhung in zwei Teilen geben, zunächst 150 Euro monatlich ab Januar 2024 und dann noch einmal 190 Euro ab Dezember 2024, zusammen also 340 Euro. Jetzt wird es diese 340 Euro ab April 2024 geben.
Auch die steuerfreie Inflationsausgleichszahlung von 3.000 Euro hatte uns die Post schon zuvor angeboten, im ersten Angebot gleichmäßig auf die Laufzeit von 24 Monaten verteilt. Nun sollen wir für die Monate Januar bis April dieses Jahres 255 Euro je Monat bekommen, anschließend von Mai 2023 bis März 2024 jeweils 180 Euro.
Der jetzt vorgelegte Abschluss zementiert nicht nur unsere Niedriglöhne bis 2025, er bedeutet für alle Beschäftigten einen weiteren Reallohnverlust, weil die horrende Inflation nicht ansatzweise ausgeglichen wird! Alle anderslautenden Behauptungen von Verdi sind reine Augenwischerei, mit der uns Verdi für dumm verkaufen will.
Am Samstagnachmittag erklärte Teuscher auf einer internen Video-Konferenz mit stellenweise 2500 Teilnehmenden: „Wir sind uns ganz sicher, dass wir rausgeholt haben, was möglich ist.“ Und Gabi Günzau, Betriebsratsvorsitzende bei der Deutschen Post, sekundierte ihm: „Die Arbeitgeber haben sehr überzeugend dargelegt, dass sie nicht bereit sind, auch nur einen Cent mehr zu geben.“
In den letzten 150 Jahren sind Arbeitsbedingungen, Löhne, soziale Absicherung usw. nicht verbessert worden, weil Arbeiter die Unternehmen gefragt haben, was sie bereit sind zu geben. Alle Errungenschaften wurden nicht zugestanden, sondern erkämpft.
Während uns so Niedriglöhne verordnet werden, bereichern sich gleichzeitig die Aktionäre. Der jetzt vorgelegte Abschluss kostet die Post, großzügig geschätzt, 0,8 Milliarden Euro, pro Jahr also 400 Millionen Euro.
Für ihre Aktionäre zahlt die Post hingegen auch dieses Jahr wieder das fünf- bis sechsfache an Dividende, nämlich weit über zwei Milliarden Euro. Die Post kündigte außerdem an, in diesem und im kommenden Jahr eigene Aktien für 2,2 Milliarden Euro zurückzukaufen, um den Aktienkurs zu stimulieren. Diese Milliarden Euro fließen also über Kurssteigerungen zusätzlich in die Taschen der Aktionäre.
Milliarden für die Aktionäre, die nichts weiter machen als ihr Geld zählen – Hungerlöhne für uns, die diese Milliarden in harter Arbeit erwirtschaften!
Diese Bereicherung soll fortgeführt und nicht durch Streiks unterbrochen oder gar unterbunden werden. Die Wirtschaft und die Reichen haben das verstanden. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte, die Einigung sei eine gute Nachricht „für die Entwicklung der Inflation und für die Frage, wie viele Streiks die Menschen in nächster Zeit insgesamt aushalten müssen“.
Die Reichen und ihre Schreiberlinge in den Redaktionsstuben tun so, als sei die steigende Inflation auf unsere Löhne zurückzuführen. Das ist reine Propaganda. Wir haben in den letzten Jahren nur geringe Lohnerhöhungen erhalten, trotzdem haben wir nun steigende Preise. Die sind nämlich das Ergebnis der Bereicherung der Banken, Konzerne und Superreichen.
Die Regierungen und Notenbanken haben in den vergangenen Jahren gewaltige Summen auf deren Konten gepumpt. Die Europäische Zentralbank hat in den letzten acht Jahren über fünf Billionen Euro in öffentliche und private Anleihen investiert. Diese unvorstellbare Summe hat eine Bereicherungsorgie finanziert, die laut Oxfam allein während der Corona-Pandemie alle 30 Stunden einen neuen Milliardär hervorgebracht hat.
Dafür und für die Kosten der ständigen Kriegseskalation in der Ukraine und der Militarisierung der ganzen Gesellschaft sollen wir jetzt zur Kasse gebeten werden. Die 100 Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr sind nur der Anfang. Einige Politiker sprechen bereits wieder von „Kriegswirtschaft“.
Deshalb sollen unsere ohnehin viel zu niedrigen Löhne auf das Niveau unserer Urgroßeltern gedrückt werden. Die steuer- und abgabenfreie „Inflationsausgleichszahlung“ von maximal 3.000 Euro, die sich jetzt auch Post und Verdi zunutze machen, hatte die Bundesregierung in ihrer Konzertierten Aktion mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft im letzten Jahr genau zu dem Zweck ausgearbeitet. Sie soll Abschlüsse weit unter der Inflationsrate verschleiern.
Unsere Auseinandersetzung bei der Post ist daher von großer Bedeutung. Wir stehen vor großen Kämpfen. Europaweit und international entwickelt sich eine mächtige Bewegung gegen die Folgen der maßlosen Bereicherung an der Spitze der Gesellschaft, des Kriegs in der Ukraine und der Militarisierung. Ob in Frankreich, Griechenland, Spanien oder dem Vereinigten Königreich, überall sind Hunderttausende und Millionen auf der Straße.
Verdis Versuch, unseren Streik zu verhindern und uns das Rückgrat zu brechen, soll verhindern, dass sich diese Bewegung auf Deutschland ausweitet. Denn ein Streik von uns hätte weitreichende Auswirkungen, vor allem auf die 2,5 Millionen Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst, deren Ausverkauf Verdi ebenfalls vorbereitet. Wir würden sie mit einem Streik ermutigen, sich uns anschließen und eine breite Streikbewegung loszutreten.
„Tariffragen sind immer auch Machtfragen“, hatte Teuscher am Samstag gesagt und damit Verdis Absage des Streiks gerechtfertigt. Angeblich sei die Post mächtiger als die Beschäftigten. Doch die Beschäftigten haben die Macht, die Angriffe zurückzuschlagen. Das Haupthindernis dabei sind die Gewerkschaften.
Verdi und die anderen Gewerkschaften fürchten eine europäische Bewegung von Arbeiterinnen und Arbeitern wie der Teufel das Weihwasser. Aber genau eine solche Bewegung ist notwendig, um die Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen zurückzuschlagen.
Wir vom Post-Aktionskomitee rufen euch auf, den üblen Abschluss in der Urabstimmung abzulehnen und uns zu kontaktieren, um Verdi die Stirn zu bieten und unsere Löhne und Arbeitsbedingungen zu verteidigen.
Das Aktionskomitee ist per Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 zu erreichen oder registriert euch gleich hier über das folgende Formular.