Treffen der Post-Beschäftigten in Großbritannien

Wie der Kampf gegen Royal Mail geführt werden kann

Die Socialist Equality Party (UK) und die World Socialist Web Site laden Postbeschäftigte am kommenden Montag, dem 27. März, um 19 Uhr (20 Uhr MEZ) zu einem Online-Treffen ein: Es soll diskutiert werden, wie der Kampf gegen Angriffe auf den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen und gegen das Schikanieren von Kollegen geführt werden kann. Hier kann man sich für das Treffen anmelden.

Die Beschäftigten der Royal Mail (RM) suchen nach einem Weg, wie sie verhindern können, dass die Gewerkschaft Communication Workers Union (CWU) ihren Kampf in eine Kapitulation vor dem Unternehmen verwandelt. Aus dem ganzen Land haben viele an die World Socialist Web Site geschrieben, um die brutale Ausbeutung in den Verteilzentren und Zustellstützpunkten zu schildern. Über die Verhinderung und Verschleppung von Streiks äußern sie sich frustriert und wütend.

Royal Mail Poststelle in London [AP Photo/Lefteris Pitarakis]

Im August letzten Jahres sprachen sich die CWU-Mitglieder zweimal fast einstimmig dafür aus, bis zum 17. Februar 2023 einen Arbeitskampf zu führen, um eine drastische Reallohnkürzung und die Einführung von Ausbeuterbedingungen zu verhindern.

Bis zum 24. Dezember führten sie 18 Tage lang mehrere entschlossene Streiks durch. Aber in den drei Monaten seither hat die Gewerkschaft nichts organisiert. Sie hat sogar Aktionen, die für den 16. und 17. Februar geplant waren, wieder abgesagt, nachdem Royal Mail mit rechtlichen Schritten gedroht hatte.

Eine neue Urabstimmung, die am 16. Februar veröffentlicht wurde, ergab erneut eine überwältigende Mehrheit von 96 Prozent für Streik. Darauf erklärte Generalsekretär Dave Ward, die Gewerkschaft werde dem Urabstimmungsergebnis „Raum zum Atmen“ lassen. Aber sie unterdrückte das Ergebnis und begrub den Konflikt, indem sie bei der Schlichtungsstelle ACAS Gespräche hinter verschlossener Türe führte.

Durch die Demobilisierung der Beschäftigten ermöglichte die CWU der Royal Mail, in die Offensive zu gehen. Die Royal-Mail-Direktoren hatten schon in einem Unternehmensbericht vom Mai letzten Jahres „eine Reihe von Initiativen zur Kosteneinsparung“ angekündigt. Diese Initiativen sind bereits im Einsatz oder stehen im Zusammenhang mit Vereinbarungen, denen die Gewerkschaft schon zugestimmt hat. Sie belaufen sich auf insgesamt mehr als 350 Millionen Pfund (fast 400 Millionen Euro).

„Wirksame Arbeitsbeziehungen mit unseren Gewerkschaften sind der Schlüssel zur Erzielung laufender Effizienzvorteile“, heißt es in dem Bericht.

Am 2. März dieses Jahres wurde die Verschwörung gegen die Postbeschäftigten in Form einer gemeinsamen Erklärung von CWU und Royal Mail öffentlich entlarvt. Darin verpflichteten sie sich, „den konstruktivsten Weg zur Zusammenarbeit bei lokalen Revisionsmaßnahmen“ einzuschlagen. Um die Vorgaben des Unternehmens zur Kostensenkung zu erfüllen, sollten die Arbeitsbelastung erhöht und der Personalbestand reduziert werden.

In der Erklärung wurde auf die „schwierigen finanziellen, ökonomischen und Marktbedingungen“ verwiesen, vor denen Royal Mail stehe. Der Sinn war klar: Die Beschäftigten sollten ihre Gesundheit, ihre Löhne und ihre Arbeitsplätze opfern, um die Renditen für die wohlhabenden Aktionäre von Royal Mail zu steigern. Kein Wunder, dass die CWU jeden Hinweis darauf vermeidet, dass in den letzten Jahren Hunderte von Millionen Pfund an Dividenden gezahlt worden sind!

So kann es nicht weitergehen! Gegen die Sabotage der CWU müssen sich Postbeschäftigte auf einen Aktionsplan einigen, der auf den Erfahrungen aus zahllosen anderen Konflikten und dem vielfachen gewerkschaftlichen Ausverkauf beruht.

Streikende Postbeschäftigte vor dem Depot Bradford North, 1. Oktober 2022
Schluss mit den Gesprächen, nehmt den Streik wieder auf!

Die Gespräche zwischen der Royal Mail und der CWU sind der Deckmantel für Angriffe auf die Postbeschäftigten in allen Verteilzentren und Zustellungsstützpunkten. Die Gespräche werden genutzt, um hinter dem Rücken der Mitglieder unsern Kampf auszuverkaufen.

Alle Gespräche zwischen Unternehmen und Gewerkschaft müssen beendet werden. Die Streiks, für die in der Urabstimmung eine überwältigende Mehrheit zustandekam, müssen sofort wieder aufgenommen werden. In allen Zweigen müssen Dringlichkeitssitzungen organisiert werden, um ein Datum für den Streikbeginn festzulegen, ein Aktionsprogramm zu vereinbaren und eine konkrete Lohnforderung aufzustellen.

Stoppt die neuen Arbeitsplatzvorgaben der Geschäftsleitung!

Der Schaden, den Royal Mail und die CWU während des Konflikts schon angerichtet haben, muss rückgängig gemacht werden. Sie haben die Arbeitsbelastung enorm gesteigert und unmenschliche Arbeitsbedingungen geschaffen. Elektronische Tracker messen die Tätigkeit der Beschäftigten sekundengenau. Wird jemand krank, dann schikaniert die Geschäftsleitung ihn oder sie mit der Forderung, schon am nächsten Tag wieder zur Arbeit zu erscheinen oder einen ärztlichen Krankschein vorzulegen.

Rote Linien müssen gezogen werden: Royal Mail muss wissen, dass wir jede Verschlechterung der Schichtpläne oder der Arbeitslast mit kollektiven Maßnahmen beantworten werden. Es gilt: Einer für alle und alle für einen.

Öffnet die Bücher von Royal Mail!

Sowohl das Unternehmen als auch die Gewerkschaft stellen Royal Mail als bettelarmes Unternehmen hin, das es sich nicht leisten könne, den Beschäftigten einen angemessenen Lebensstandard zu bieten. Diese Lüge muss vollständig aufgedeckt werden.

Im Jahr 2020 wurden mehr als 240 Millionen Pfund (271 Mio. Euro) an Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Im Jahr 2021 waren es nach einem Rekordergebnis sogar 467 Millionen Pfund (527,5 Mio Euro). Seit der Privatisierung im Jahr 2013 wurden 1,9 Milliarden Pfund (2,1 Mrd. Euro) an Dividenden ausgeschüttet – genug, um das Jahresgehalt eines jeden Royal Mail-Beschäftigten um fast 1.500 Euro aufzubessern. Der Vorstandsvorsitzende von Royal Mail, Simon Thompson, erhielt für 2020–2021 ein Gehalt von 525.000 Pfund, einen Bonus von 140.000 Pfund und Rentenzahlungen von 86.000 Pfund (zusammen 848.000 Euro), während an den Arbeitsplätzen des Unternehmens Lebensmitteltafeln eingerichtet wurden.

Die Streiks werden solange nicht beendet, solange auch nur ein einziger Beschäftigter gemaßregelt wird!

Rund 300 Beschäftigte, darunter auch CWU-Delegierte, sind seit Beginn der Streiks diszipliniert, suspendiert oder entlassen worden. Diese Einschüchterung erinnert an die Bauarbeiter- und Bergarbeiterstreiks der 1970er und 1980er Jahre. Sie erfordert eine kompromisslose Reaktion. Aber die CWU hat diese Arbeiter ihrem Schicksal überlassen und behauptet, eine „unabhängige“ Stelle im Auftrag der Schlichterstelle ACAS werde solche Fälle überprüfen.

Die Basis muss jeden gemaßregelten Arbeiter verteidigen. Streiks müssen so lange fortgesetzt werden, bis jeder Kollege, jede Kollegin mit voller Entschädigung wieder eingestellt worden ist. Auch hier gilt: Alle für einen!

Die Gewerkschaftsführung muss gehen!

Die Führung der CWU hat den Streik sabotiert und wird versuchen, die Umsetzung unseres Aktionsprogramms zu verhindern. Dabei bezahlen die Mitglieder dieser Führung an Beiträgen jährlich fast 28 Millionen Pfund (mehr als 31 Mio. Euro). Davon gehen fast 12 Millionen Pfund (über 13 Mio. Euro) für „Gehälter und Spesen des Personals“ drauf. CWU-Generalsekretär Dave Ward allein kassiert ein Gehalt von 103.000 Pfund (116.000 Euro) plus 26.000 Pfund (fast 30.000 Euro) an Rentenbeiträgen.

Diese eigennützigen Bürokraten haben das Vertrauen der Mitglieder verspielt. Sie haben kein Recht, weiter an ihren Posten zu kleben. Um sie abzusetzen, müssen auf außerordentlichen Versammlungen Misstrauensanträge gegen sie gestellt werden.

Baut Aktionskomitees auf!

Um den Ausverkauf der CWU zu stoppen, müssen sich die Beschäftigten unabhängig von der Gewerkschaft in Aktionskomitees organisieren, die von den vertrauenswürdigsten Beschäftigten geleitet werden. Der Verrat am Streik ist nicht nur eine Frage einiger weniger schlechter Führungskräfte, sondern eines ganzen Gewerkschaftsapparats. Er arbeitet Hand in Hand mit dem Unternehmen und steht den Interessen der Mitglieder feindlich gegenüber. Die Basis muss der Bürokratie die Macht entreißen.

Nicht nur bei der CWU und Royal Mail werden solche Erfahrungen gemacht. Auch Beschäftigte des Gesundheitsdienstes NHS wehren sich gegen einen skandalösen Ausverkauf, den ihre Gewerkschaften inszenieren, nachdem sie die Streiks abgesagt und wochenlang Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt haben.

Auch für diese und alle anderen Beschäftigten im gesamten öffentlichen Dienst ist der Aufbau von Aktionskomitees entscheidend. Royal Mail verschlechtert die Arbeitsbedingungen mit der Begründung, mit Amazon und ähnlichen Konzernen konkurrieren zu müssen. Wenn der Kampf weiter den Gewerkschaften überlassen bleibt, sind die Bedingungen bei Amazon der Maßstab, an dem die Postbeschäftigten gemessen werden. Unter Führung von Aktionskomitees werden Post- und Amazon-Beschäftigte Schulter an Schulter gegen beide Unternehmen kämpfen.

Das Gleiche gilt für alle anderen Arbeiter. Der Kampf bei Royal Mail ist Teil einer wachsenden Welle von Arbeitskämpfen in ganz Europa und weltweit. Die Arbeiterklasse wehrt sich gegen Lohnkürzungen und sozialen Kahlschlag. Diese Kürzungen dienen nur dazu, die Aktionäre zu bereichern, die Kassen der Superreichen und der Großkonzerne zu füllen und den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine zu finanzieren.

In Frankreich streiken Millionen und protestieren gegen den Versuch, das Rentenalter anzuheben. In Griechenland mobilisieren die mörderischen Folgen der vernachlässigten Infrastruktur hunderttausende Arbeiter.

Post-Arbeiterinnen und -Arbeiter sehen heute, wohin die Gespräche bei Royal Mail führen. Nichts wird sich ändern, wenn wir es nicht ändern. Das Meeting am Montag wird Gelegenheit für eine freie und geschützte Diskussion bieten, damit diejenigen, die kämpfen wollen, diese lebenswichtigen Fragen diskutieren können.

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