Heils Bürgergeld-Kürzung: Ampel verschärft Sozialangriffe

Die Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verschärft zum Jahresbeginn ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse, um den Kriegshaushalt für 2024 zu finanzieren. Das ist die Bedeutung ihres jüngsten Vorschlags, den Sozialhilfeempfängern bei Nicht-Kooperation das Bürgergeld zu entziehen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) (Bild: Dirk Vorderstraße / CC-BY 2.0) [Photo by Dirk Vorderstraße / CC BY-SA 2.0]

Die Maßnahme dient zwei vorrangigen Zielen: Zum einen soll der ohnehin schon grassierende Niedriglohnbereich weiter ausgebaut werden. Durch die Sanktionen wird jeder gezwungen noch die übelste Arbeit für einen Hungerlohn anzunehmen, was wiederum dazu dient, die Löhne noch weiter zu senken. Zum anderen geht es darum, die Milliarden, die im nächsten Jahr zusätzlich in Aufrüstung und Krieg fließen, bei den Arbeitern einzusparen.

Im November hatte das Bundesverfassungsgericht den geplanten Klimafonds als nicht rechtmäßig erklärt; seither steht die Scholz-Regierung vor einem klaffenden Loch von 60 Milliarden in ihrem Bundeshaushalt 2024. Um einen kleineren Teil davon, nämlich 170 Millionen Euro, aufzubringen, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kurz nach Weihnachten folgenden Schritt angekündigt: Denjenigen Sozialhilfeempfängern, die mehrmals nicht zur Zufriedenheit mit dem Jobcenter kooperieren, droht für eine Zeit von bis zu zwei Monaten der komplette Entzug des Bürgergelds, also sämtlicher Sozialleistungen außer Miete und Heizung. Wer „nicht mitzieht und sich allen Angeboten verweigert, muss mit härteren Konsequenzen rechnen“, sagte Heil der Bild-Zeitung.

Der Schritt zeigt mit welcher Aggressivität die herrschende Klasse vorgeht. Bei vielen FDP-, Unions- und SPD-Politikern stößt Heils Vorschlag auf freudige Zustimmung. Gleich mehrere von ihnen bedienten sich der verlogenen Floskel: „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“

Das erinnert an die „Fordern und Fördern“-Rhetorik mit der die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Schröder und Fischer zwischen 2002 und 2005 die repressiven Hartz-Reformen durchsetzte und damit Millionen in Billiglohnarbeit zwang und zu bitterer Armut verdammte. Heils Vorstoß unterstreicht, dass es nie das Ziel der Ampel war, die Hartz-Repressionen zu lockern. Die Bürgergeld-Reform war von Anfang an nie mehr als Hartz IV unter neuem Namen und dient nun als Hebel, die Ausbeutung sogar noch weiter zu verschärfen und die Umverteilung von unten nach oben auf die Spitze zu treiben.

Dabei werden die angekündigten Sanktionen unweigerlich „Menschen mit besonderen Problemen treffen“, wie der evangelische Sozialverband kommentierte, „zum Beispiel jene, die nicht gut lesen und schreiben können, oder Personen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen“. Ulrich Schneider, Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, erklärte in den Welt-Nachrichten, dass eine solche Entziehung der Grundsicherung um 100 Prozent nicht nur laut Grundgesetz völlig illegal sei. Sie werde Menschen treffen, die „vielleicht Termine verschusselt haben“ oder „völlig überfordert sind, die wirklich Angst haben, die Wohnung zu verlassen und zum Amt zu gehen“.

Schon heute versinken in sozial schwachen Gegenden ganze Stadtviertel in Armut. Neben der Altersarmut steigt auch die Kinderarmut, die offiziell bei über 22 Prozent liegt. Niedriglohnarbeit grassiert, und 4,5 Millionen Menschen haben mindestens zwei Arbeitsplätze, um über die Runden zu kommen. Auch die Obdachlosigkeit steigt stetig: Mehr als 600.000 Menschen sind derzeit in Deutschland ohne Wohnung. Noch sehr viele mehr haben kein warmes Zuhause: Laut der Statistikbehörde destatis lebten im vergangenen Jahr 5,5 Millionen Menschen in Wohnungen, die sie nach eigener Angabe aus finanziellen Gründen nicht angemessen heizen konnten. Ihre Zahl hatte sich in nur einem Jahr verdoppelt.

Flaschensammler, ein häufiger Anblick in Deutschland (Bild: Sascha Kohlmann / CC BY-SA 2.0) [Photo by Sascha Kohlmann / CC BY-SA 2.0]

Politiker wie Heil leben in einer völlig anderen Welt. Als Minister kassieren sie einschließlich der Zulagen mehr als 20.000 Euro im Monat, etwa fünfmal so viel wie der Durchschnittslohn (den aber sehr, sehr viele nicht erhalten!). Hinzu kommen die jährlichen Diäterhöhungen für alle Abgeordneten, ein Anspruch auf Ruhegehalt nach nur vier Ministerjahren und allenfalls Aufsichtsratstantiemen. Der Satz, „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, gilt nicht für die Spitzenpolitiker selbst.

Er gilt offensichtlich auch nicht für die Superreichen und Milliardäre, deren Interessen die Regierungspolitiker vertreten. Ihre Vermögen und Einkommen sind in Wirklichkeit noch größer als bekannt.

Darauf haben vor kurzem die Journalisten Julia Jirmann und Christoph Trautvetter von der Nichtregierungsorganisation „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ hingewiesen. Gesponsert von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung haben sie über Jahre hinweg einen eigenen Bericht erstellt: „Milliardenvermögen in Deutschland. Lücken der Reichtumserfassung und -Besteuerung – Vorschlag für einen alternativen Reichtumsbericht“.

Die beiden Autoren bezeichnen die Wissenslücke über Milliardenvermögen in Deutschland als „riesig“. Sie schreiben: „Wir haben schon elf bisher nicht identifizierte Milliardenvermögen gefunden. Darunter die reichste deutsche Familie. Und wir schätzen das bisher nicht gezählte Vermögen auf 500 Milliarden Euro – genug um alle Berliner Immobilien aufzukaufen.“

In Deutschland existieren demnach mehr als 200 Milliardäre, und sie besitzen zusammengerechnet ein Vermögen von „mindestens 1400 Milliarden Euro, möglicherweise sogar noch deutlich mehr“. Dieses riesige private Gesamtvermögen von 1,4 Billionen Euro entspricht einem Drittel bis der Hälfte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist eine Vielfaches der aktuellen Haushaltlücke von 60 Milliarden Euro.

Im Ganzen sind nur etwa 4.300 Haushalte an den 200 Milliardenvermögen beteiligt; das sind etwa 0,01 Prozent aller Haushalte in Deutschland. Wie sich zeigt, haben die gleichen Regierungspolitiker, die bereit sind, tausende Sozialhilfeempfänger hungern zu lassen, nichts dagegen einzuwenden, dass eine hauchdünne Oberschicht von 0,01 Prozent ein Vermögen von 1,4 Billionen oder 1.400.000.000.000 Euro besitzt.

Die Autoren vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezeichnen es als Mythos, dass die heutigen Milliardäre auch die Kapitäne großer Unternehmen seien. Sie sind „nur selten Unternehmer. Jede fünfte Milliardärs-Dynastie hat das Unternehmen bereits verkauft, und von den restlichen Milliardärsunternehmen wird nur etwa die Hälfte noch aktiv von der Familie gemanagt.“ Mit anderen Worten: Während sie sich als Vermögensbesitzer und Aktionäre auf Kosten der Gesellschaft endlos bereichern, tragen die Milliardäre zur realen Wirtschaft nichts Fortschrittliches bei.

Die obszöne Bereicherungsorgie ist das Ergebnis einer aggressiven Klassenkriegspolitik von oben. In den letzten 30 Jahre haben alle Regierungen die Steuern für die Reichen immer weiter abgesenkt. Unter Helmut Kohl (CDU) wurde die Vermögenssteuer abgeschafft. Ein Spitzensteuersatz, der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu 95 Prozent betrug und auch Ende der 1980er Jahre noch bei 56 Prozent lag, wurde während der rot-grünen Ära nach der Jahrtausendwende auf 42 Prozent abgesenkt. Verantwortlich dafür waren Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD).

In der gleichen Zeit hat sich die Schere der sozialen Polarisierung weit geöffnet. Nicht zuletzt die sozialdemokratische Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze – die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Liberalisierung der Leiharbeit, die Einführung von prekären Beschäftigungsverhältnissen – haben den Niedriglohnsektor und die damit verbundene Altersarmut explodieren lassen.

Zur heutigen Situation schreiben die Autoren der erwähnten Studie: „Seit 1996 hat sich der typische effektive Steuersatz auf Milliardenvermögen etwa halbiert. Nur wenigen Menschen ist das bewusst.“ Superreiche können heute durch das Ausnutzen von Schlupflöchern und Steuertricks die Sätze in extremen Fällen sogar bis auf ein Prozent absenken.

Wenn Heil und die Ampel in dieser zugespitzten Situation Sozialhilfeempfänger zu Drückebergern und Sozialschmarotzern erklären, dann ist dies eine Warnung. Die herrschende Klasse ist sich darüber im Klaren, dass die wachsende soziale Kluft Wut und Widerstand erzeugt. Sie spürt die sich entwickelnde soziale Explosion und reagiert darauf mit einer immer rechteren Politik, mit der Hinwendung zu Krieg nach außen und Polizeistaat im Inneren. Dazu versucht sie, die arbeitende Bevölkerung zu spalten und eine wirkliche Solidarisierung zu verhindern. Dem dient, wie schon die pausenlose Hetze gegen Flüchtlinge jetzt auch die Hetze gegen die Sozialhilfeempfänger: Gezielt werden diejenigen Arbeiter, die zu Niedriglöhnen schuften müssen, gegen sie aufgehetzt.

Arbeiter dürfen diese Spaltung nicht zulassen, sondern müssen die Sozialistische Gleichheitspartei als ihre neue, revolutionäre Führung aufbauen, die die Arbeiterklasse vereint und mit einem sozialistischen Programm gegen Kapitalismus und Krieg bewaffnet.

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