Perspektive

Der amerikanisch-israelische Krieg gegen Journalisten

Der Al Jazeera-Journalist Wael al-Dahdouh hält die Hand seines Sohnes Hamza, der ebenfalls für Al Jazeera arbeitete und bei einem israelischen Luftangriff in Rafah im Gazastreifen getötet wurde, 7. Januar 2024. Al-Dahdouh hat im Krieg bereits seine Frau, zwei weitere Kinder und einen Enkel verloren und wäre beinahe selbst getötet worden. (AP Photo/Hatem Ali)

Am Sonntag ermordeten die israelischen Streitkräfte (IDF) zwei Al Jazeera-Reporter, Hamza al-Dahdouh und Mustafa Thuraya, bei einem gezielten Luftangriff auf ihr Fahrzeug, als sie von einem Reportageauftrag zurückkehrten.

Hamza war der älteste Sohn vom Leiter des Al Jazeera-Büros in Gaza, Wael al-Dahdouh, dessen Frau, zwei weitere Kinder und ein kleiner Enkel bei einem IDF-Luftangriff auf ihr Haus im Oktober getötet wurden. Im Dezember wurde Wael bei einem weiteren gezielten Drohnenangriff in der Nähe der südlichen Gaza-Stadt Khan Younis verletzt und sein Kameramann getötet.

Das systematische und vorsätzliche Massaker an der Familie von al-Dahdouh und die wiederholten Versuche, ihn zu töten, sind Teil einer gezielten israelischen Politik zur Ermordung von Journalisten. Bis Sonntag belief sich die Zahl der von Israel in den letzten drei Monaten getöteten Journalisten auf 109. Diese Zahl erhöhte sich mit der Ermordung von zwei weiteren Journalisten, Abdullah Breis und Mohammad Abu Dayer, am Montag auf 111.

Israel will verhindern, dass die Welt von den Verbrechen erfährt, die tagtäglich an der palästinensischen Bevölkerung verübt werden. Hierzu werden Medienvertreter und Berichterstatter systematisch ermordet und einschüchtert. Journalisten, die im Gazastreifen tätig sind, haben den israelischen Völkermord ausführlich dokumentiert, bei dem in nur drei Monaten über 30.000 Menschen getötet, 90 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens vertrieben und 70 Prozent der zivilen Infrastruktur zerstört wurden.

Israel agiert als kriminelles Regime, das sich außerhalb des internationalen Rechts bewegt. Die blutigen Verbrechen werden ermöglicht durch die von den Vereinigten Staaten und anderen imperialistischen Mächten bereitgestellten Waffen sowie ihre Finanzmittel und politische Unterstützung.

Der Mord an Journalisten geht einher mit der gezielten Tötung von Kritikern des Völkermords. So wurde beispielsweise Refaat Alareer, ein palästinensischer Schriftsteller, Dichter, Professor und Aktivist, am 7. Dezember bei einem gezielten Bombenanschlag des israelischen Militärs getötet, nachdem er zuvor wochenlang mit dem Tod bedroht worden war.

Die israelische Politik der Ermordung von Journalisten ist von größter Dreistigkeit gekennzeichnet. So veröffentlichte die IDF nach der Ermordung von al-Dahdouh und Thuraya eine Erklärung, in der sie die beiden als „Verdächtige“ bezeichnet und erklärt, dass ihr Auto ins Visier genommen wurde, weil der Fotojournalist Hazem Rajab ein „Terrorist“ sei.

Am Tag von Hamzas Ermordung wurde US-Außenminister Antony Blinken gefragt, ob die Biden-Regierung Israels Politik der gezielten Angriffe auf Journalisten verurteile.

Blinken weigerte sich, diese Politik zu verurteilen, und beteuerte stattdessen, dass ihm die Tötung „leid tut“. Blinken erklärte: „Es tut mir zutiefst leid, dass Ihr Kollege Wael al-Dahdouh einen fast unvorstellbaren Verlust erlitten hat. Ich bin selbst ein Elternteil. Ich kann mir das Grauen, das er nicht nur einmal, sondern zweimal erlebt hat, nicht vorstellen. Dies ist eine unvorstellbare Tragödie.“

Aber die Ermordung von Hamza und den anderen Familienmitgliedern von Wael al-Dahdouh ist nicht nur eine ungeheure persönliche „Tragödie“, sondern das Ergebnis eines kaltblütigen, kriminellen Gemetzels, für das Blinken und die US-Regierung die volle Verantwortung tragen. Die Regierung Biden hat öffentlich erklärt, dass es keine „roten Linien“ bezüglich der Verbrechen gibt, die Israel begehen darf. In der Tat haben die Vereinigten Staaten, die ihre Luftangriffe weitgehend mit Israel koordinieren, wahrscheinlich direkt mit Israel bei der Auswahl der zu ermordenden Journalisten zusammengearbeitet.

Am 25. Oktober berichtete die Nachrichtensite Axios, dass Blinken den Premierminister von Katar gebeten hat, „die Lautstärke der Berichterstattung von Al Jazeera herunterzudrehen, weil sie voller anti-israelischer Hetze ist“.

Israel reagierte auf diese Äußerungen mit der systematischen Ermordung von Al Jazeera-Korrespondenten und ihren Familien in Gaza. Nur drei Tage, nachdem Axios über Blinkens Aussage berichtet hatte, führte Israel am 28. Oktober den Angriff auf al-Dahdouhs Haus aus, bei dem seine Frau, zwei Kinder und sein kleiner Enkel getötet wurden.

Es stellt sich sofort die Frage: Wohin führt die Kollaboration Washingtons bei der Ermordung von Journalisten durch Israel? Wenn die Vereinigten Staaten erklären, dass es „keine roten Linien“ für Israels Verbrechen gibt, werden die USA dann zulassen, dass das israelische Regime auch politische Gegner und kritische Journalisten auf eigenen Territorium tötet? Und wenn die USA diese Aktionen Israels gutheißen, was soll die US-Regierung und das US-Militär daran hindern, ihre eigenen politischen Gegner ins Visier zu nehmen?

In den letzten 50 Jahren haben Aktionen des Staates Israel regelmäßig einen Präzedenzfall für die US-Politik geschaffen. Das bedeutendste Beispiel ist die Doktrin der „gezielten Tötungen“, d. h. staatlich organisierte Ermordungen.Im November 2000 war Israel der erste Staat der Welt, der sich offen zu einer Politik des gezielten Tötens bekannte. Innerhalb von zwei Jahren wurde diese Politik von den Vereinigten Staaten übernommen: 2002 führten die USA ihren ersten bekannten Drohnenangriff außerhalb eines Kriegsgebiets im Jemen durch. Noch einmal 10 Jahre später wendeten die Vereinigten Staaten die Doktrin des „gezielten Tötens“ an, um erstmals einen ihrer eigenen Staatsbürger zu töten.

Mit anderen Worten: Was Israel heute tut, werden die imperialistischen Unterstützer in naher Zukunft tun.

Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Westeuropas haben bereits weitreichende Angriffe auf demokratische Rechte unternommen, indem sie Proteste gegen den Völkermord verboten und Kampagnen gestartet haben, um Gegner des Völkermordes von den Universitäten zu vertreiben. Im Oktober verabschiedete der US-Senat eine Resolution, in der die Teilnehmenden an Massendemonstrationen gegen den Völkermord im Gazastreifen beschuldigt werden, „Solidarität mit Terroristen“ zu bekunden.

Könnten nach dieser Logik die Teilnehmenden an den Anti-Völkermord-Protesten nicht genauso behandelt werden wie die Journalisten in Gaza?

Der Völkermord in Gaza markiert eine neue Qualität im kriminellen Verhalten der USA und anderer imperialistischer Regierungen, die Genozid und Massenmord zur Staatspolitik erheben. Diese Verbrechen werden dann einen weiteren Präzedenzfall für noch weitreichendere Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse schaffen.

Eine besonders verabscheuungswürdige Rolle spielen dabei die Leitmedien, die mit wenigen Ausnahmen sowohl die völkermörderischen Verbrechen des US-israelischen Krieges gegen die Bevölkerung von Gaza decken als auch die beispiellosen Proteste rund um den Globus dagegen ignorieren. Sie normalisieren die Verbrechen und haben in diesem Zusammenhang auch das Abschlachten von Journalisten vertuscht, darunter in einer Reihe von Fällen auch die Tötung von Korrespondenten, die sie selbst zuvor mit Berichten, Fotos und Videos versorgt hatten.

Die Billigung von Israels Völkermord und von Massenmord durch die imperialistischen Regierungen muss der Welt als Warnung dienen. Die Grenze zwischen „demokratischen“ und „faschistischen“ kapitalistischen Regierungen verwischt immer mehr. Jedes Verbrechen, vom Völkermord bis zum Massenmord und politischer Unterdrückung, wird von den kriminellen Oligarchien, die an der Macht sind, maßgeblich unterstützt und legitimiert.

Aus diesem Grund muss der Kampf gegen Israels Völkermord in Gaza die Form eines politischen Kampfes der Arbeiterklasse annehmen. Dieser Kampf muss sich gegen die Regierungen richten, die den Völkermord ermöglichen und die versuchen werden, ihn als Präzedenzfall für noch größere künftige Verbrechen gegen die arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt zu nutzen.

Loading