Auf drei Betriebsversammlungen in den Werken Köln und Saarlouis bestätigte der Ford-Konzern Anfang der Woche, dass er in Deutschland mehr als 5000 Stellen abbauen will und dabei eng mit Betriebsrat und IG Metall zusammenarbeitet.
Am Montag, den 25. März, nahmen in Saarlouis 6000 Arbeiter an der Betriebsversammlung teil und am Dienstag insgesamt 9000 in Köln-Merzenich und Köln-Niehl.
Der Abbau von 5000 Stellen ist Teil eines Sparprogramms, mit dem Ford bis zu 14 Milliarden Dollar einsparen will. Derzeit beschäftigt der US-Konzern in Deutschland eine Stammbelegschaft von rund 24.000 Arbeitern sowie eine nicht bekannte Zahl an Leiharbeitern.
Laut einem internen Ford-Papier, das dem Kölner Stadt-Anzeiger vorliegt, bietet der Konzern der Stammbelegschaft ab sofort Abfindungen und Frühverrentungsprogramme an. Auf diese Weise sollen in Köln von knapp 18.000 Beschäftigten 3400 „freiwillig“ gehen, und in Saarlouis, wo eine ganze Schicht wegfallen soll, 1600. Laut Süddeutscher Zeitung beträgt die angebotene Abfindung 30.000 Euro plus mehrere Monatsgehälter, je nach Betriebszugehörigkeit – eine lächerlich geringe Summe, die „nicht viele annehmen werden“, wie sie einen 52-jährigen Fordarbeiter zitiert.
Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann begründete den Stellenabbau auf den Betriebsversammlungen mit der Lage in der internationalen Autoindustrie, in der „Druck ohne Ende“ herrsche. Er wies darauf hin, dass bei den Zulieferern Bosch und Schaeffler ebenfalls ein Stellenabbau in der Verbrennersparte drohe und große Autobauer wie Audi, BMW oder Daimler zuletzt deutlich weniger Gewinn erwirtschaftet hätten.
Die Ford Motor Company will weltweit 25.000 Arbeitsplätze abbauen, den größten Teil davon in Europa. Darüber hinaus wird in Brasilien ein ganzes Ford-Werk in São Paulo stillgelegt. In den Vereinigten Staaten baut Ford gerade über tausend Arbeitsplätze in Flat Rock (Michigan) ab. Und am gestrigen Mittwoch teilte der Konzern mit, dass das Gemeinschaftsunternehmen Ford Sollers zwei Montagewerke sowie eine Motorenfabrik in Russland dicht machen werde; die Schließungen seien mit „erheblichen“ Arbeitsplatzverlusten verbunden.
Ford nutzt – wie auch die anderen Autokonzerne – die Umstellung auf Elektro-Mobilität und andere technische Neuerungen, die die Arbeit und das gesellschaftliche Leben erheblich erleichtern könnten, um die Ausbeutung der Arbeiter drastisch zu verschärfen und die Rendite zu steigern. Als Maßstab dient dabei das Ford-Werk im rumänischen Craiova, wo Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen für einen Hungerlohn schuften. Neueingestellte verdienen zum Teil nicht mehr als 300 Euro im Monat.
Vieles deutet darauf hin, dass der gegenwärtige Kahlschlag nur der Auftakt zum völligen Rückzug von Ford aus Europa ist. So wird als erstes schon im kommenden August das französische Werk in Blanquefort bei Bordeaux geschlossen, in dem noch 850 Arbeiter beschäftigt sind, und auch aus Großbritannien will Ford sich ganz zurückziehen.
Um den Kahlschlag durchzusetzen, hat der Konzern den Ford-Europachef Steven Armstrong durch den 51-jährigen Stuart Rowley ersetzt und mit Tim Stone einen neuen Finanzchef angeheuert, der zuvor 20 Jahre lang für Amazon gearbeitet hatte.
Der zweitgrößte Autobauer in den USA erzielt in Europa deutlich weniger Gewinn als im weltweiten Durchschnitt. Darüber hinaus bedrohen der Brexit und der globale Handelskrieg die Profite zusätzlich. So wird jeder dritte in Köln produzierte Fiesta nach Großbritannien geliefert, wo die Verkäufe aufgrund des gesunkenen Pfund-Kurses bereits eingebrochen sind.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg hält Ford für „zu klein“, um in Europa eigenständig zu überleben, deshalb sei ein Verkauf die beste Option. Er verglich Ford mit Opel, der früheren Tochter des US-Konzerns General Motors, die ein Werk nach dem anderen stillgelegt hatte und schließlich an den französischen PSA-Konzern verkauft wurde, der den Arbeitsplatzabbau fortsetzt.
Der Vergleich mit Opel ist tatsächlich angebracht, vor allem was die Rolle der IG Metall und ihrer Betriebsräte betrifft. Diese hatten gemeinsam mit dem Management ein Kürzungsprogramm nach dem anderen ausgearbeitet und gegen die Opel-Belegschaft durchgesetzt. Jedes Mal begründeten sie Personalabbau und Lohnsenkungen damit, dass so die restlichen Arbeitsplätze „sicherer“ würden. Sie unterstützten sowohl die Stilllegung der Werke in Antwerpen und in Bochum wie den Verkauf an PSA und unterdrückten jeden Widerstand dagegen.
Ford-Gesamtbetriebsratschef Martin Hennig ließ keinen Zweifel daran, das Betriebsrat und IG Metall bei Ford dieselbe Rolle spielen werden wie bei Opel. Nach den Betriebsversammlungen sagte er der Presse, man gehe in Arbeitsgruppen die ganze Kostenstruktur von Ford Europa durch und wolle die Situation verbessern. Zwar sei wegen des Strukturwandels in der Autobranche umfassender Stellenabbau nicht zu vermeiden, dieser könnte aber möglicherweise über die nächsten Jahre gestreckt werden.
Wie dieses „Strecken“ stattfinden soll, erklärte er ebenfalls: Durch drastische Kürzungsmaßnahmen auf Kosten der Belegschaft, die Ford in Europa wieder „in die Gewinnzone“ bringen. „Wenn wir in den nächsten zwei Jahren zumindest ein bisschen in die Gewinnzone kommen, wird niemand mit harten Bandagen Personal abbauen wollen“, sagte er.
Die Betriebsräte und die Vertrauenskörperleitung stehen als Juniorpartner an der Seite der Geschäftsführung, deren Interessen sie gegen die Arbeiter durchsetzen. Sie sind in die Konzernleitung integriert und an der Gewinnsteigerung interessiert und beteiligt. Im Aufsichtsrat sitzen neben dem Betriebsratsvorsitzenden von Saarlouis, Markus Thal, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Martin Hennig und dem stellvertretenden Kölner Vertrauenskörperleiter Mustafa Cözmez weitere drei IG Metall-Mitglieder.
Auch in Saarlouis war die Gewerkschaft am Montag rasch bereit, den Angriffen zuzustimmen. Sie versuchte bloß, der Belegschaft weiszumachen, dies sei das Ergebnis harter Verhandlungen um die Zukunft des Werks. So behauptete Lars Desgranges, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, es sei „in jedem Fall ein Teilerfolg“, dass Ford sich bereit erklärt habe, in Saarlouis für das Modell Focus ab 2022 einen „Facelift“ (eine Art Rundumerneuerung) zu bewilligen. Unterstützt wurde Desgranges von der Wirtschaftsministerin des Saarlandes, Anke Rehlinger (SPD), die das Versprechen eines Focus-Facelifts als „wichtiges Signal“ bezeichnete.
Es ist völlig klar, dass diese Betriebsräte, IG Metall-Funktionäre und SPD-Politiker zum Abbau der Arbeitsplätze bereits Ja und Amen gesagt haben. Als nächstes werden sie daran gehen, den Arbeitern die Aufhebungsverträge aufs Auge zu drücken, um schnellstmöglich 5000 Arbeiter loszuwerden. Dabei bedienen sie sich bewährter Methoden, die Arbeiter zu spalten, indem sie deutsche gegen ausländische Standorte, Köln gegen Saarlouis und Stammarbeiter gegen Leiharbeiter ausspielen.
Bereits 2014 hatten sie die Schließung des Ford-Werks im belgischen Genk unterstützt. Nun lassen sie die Leiharbeiter, die kein Recht auf eine Abfindung haben, über die Klinge springen. So sind in Saarlouis von den bis zu tausend Leiharbeitern mehr als 400 bereits Ende 2018 gekündigt worden. Für weitere rund 600 Leiharbeiter laufen die Verträge im Juni aus. Diese Arbeiter, die hauptsächlich in der Nachtschicht arbeiten, bauen bisher das Modell C-Max, das komplett eingestellt werden soll.
Die Betriebsversammlung in Saarlouis, die über drei Stunden dauerte, wurde teilweise von Tumulten und Pfeifkonzerten unterbrochen. Ein Arbeiter stand auf und fragte, was denn nun die Pläne für die Leiharbeiter seien, die über Adecco im Werk beschäftigt seien. „Kollege, das kannst du dir ja zwischen den Zeilen heraushören“, antwortete ihm der Versammlungsleiter.
Das Management will die Leiharbeiter nach dem Prinzip „Hire and fire“ rasch loswerden, und die IG Metall und der Betriebsrat haben sie abgeschrieben. Der Arbeiter, der in der Versammlung aufgestanden war, sagte anschließend der World Socialist Web Site: „Über die Zukunft der Leiharbeiter hat der Betriebsrat kein einziges Wort verloren.“
Um ihre Zukunft und die ihrer Familien zu verteidigen, müssen sich die Ford-Arbeiter unabhängig von der Gewerkschaft organisieren und international zusammenschließen. Dazu müssen unabhängige Aktionskomitees aufgebaut und Kontakte zu den Beschäftigten der gesamten Autoindustrie und anderen Arbeitern geknüpft werden. Die Arbeiterklasse ist eine mächtige gesellschaftliche Kraft; allein in Deutschland arbeiten rund 800.000 Arbeiter nur für die Autoindustrie.
Unter Bedingungen des kapitalistischen Profitsystems wird jede technische Entwicklung und jeder Produktionsfortschritt gegen die Arbeiterklasse gerichtet. Selbst gewaltige technologische Errungenschaften – E-Mobilität, selbstfahrende Autos, künstliche Intelligenz etc. – tragen nicht dazu bei, das Leben der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern, sondern werden im Interesse der Profitmaximierung zur Steigerung der Ausbeutung, für bessere Überwachung oder für die Rüstung eingesetzt.
Das wird sich erst ändern, wenn die Arbeiter sich weigern, die Vorherrschaft der privaten Besitzer – der Banken, Konzerne und steinreichen Erben, wie Bill Ford – länger hinzunehmen. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt für ein sozialistisches Programm ein, das die Enteignung der riesigen Vermögen der Aktionäre und Superreichen, die Arbeiterkontrolle über die Produktion und die Reorganisation des Wirtschaftslebens im Interesse der Gesellschaft statt des privaten Profits zum Ziel hat.
Die World Socialist Web Site und ihr Autoarbeiter-Newsletter rufen jeden, der sich an diesem prinzipiellen Kampf gegen Entlassungen und Werkschließungen beteiligen möchte, dazu auf, mit der Redaktion Kontakt aufzunehmen.