Massenproteste gegen Polizeibrutalität

Die Linke wirbt für den Polizeistaat

Die Linkspartei reagiert auf die Massenproteste gegen Polizeibrutalität, die sich nach der Ermordung von George Floyd in den USA über die ganze Welt ausgebreitet haben, mit offener Feindschaft. In Berlin, wo Die Linke zusammen mit SPD und Grünen regiert, ging die Polizei am 6. Juni gewaltsam gegen friedliche Teilnehmer der spontanen Massendemonstrationen vor, denen sich in ganz Deutschland Hunderttausende angeschlossen hatten.

Seitdem rechtfertigen führende Parteivertreter das Vorgehen der Polizei und machen sich für ihre weitere Aufrüstung stark. Am deutlichsten äußerte sich Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Die Polizei unter den Generalverdacht des Rassismus zu stellen und damit eine ganze Berufsgruppe in Misskredit zu bringen, ist falsch“, erklärte er. „Eine Analogie zu den Zuständen in den USA herzustellen, ist so nicht gerechtfertigt. Die Polizei verdient nicht weniger, sondern mehr gesellschaftliche Anerkennung und mehr Personal, vor allem in der Fläche.“

Auf einer Pressekonferenz am 8. Juni äußerte sich der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Jörg Schindler, ähnlich. Er erklärte ebenfalls, dass es unzulässig sei, die Polizei unter „Generalverdacht“ zu stellen.

Das gewalttätige Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten verteidigte er mit den Worten: „Ich halte es für wichtig, dass die Polizei diese Demonstrationen, soweit sie dann erfolgt sind, in großem Maße auch ermöglicht hat. Denn alles andere hätte auch in der Bevölkerung zu weiterem Unmut geführt, hätte im Übrigen auch zu weiteren Vorwürfen gegenüber der Polizei geführt. Ich finde das sinnvoll und richtig, wie da gehandelt wurde.“

Mit anderen Worten: Der rot-rot-grüne Senat und seine Polizeibehörden sind nur deshalb nicht noch aggressiver gegen friedliche Demonstranten vorgegangen, weil sie eine soziale und politische Explosion befürchten. Das Vorgehen erinnert an die „Doppelstrategie“ der herrschenden Klasse in den USA. Während US-Präsident Trump mit der Niederschlagung der Proteste und sogar einem Militärputsch drohte, fürchten Teile der Demokraten, dass dies revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse provozieren könnte. Sie fordern deshalb „Reformen“, die jedoch ebenfalls darauf abzielen, die Polizei zu stärken und sie notfalls gegen die Bevölkerung einzusetzen.

Auf der Pressekonferenz behauptete Schindler, die Polizei sei „ein Spiegel der Gesellschaft“: „Es gibt bei der Polizei wie bei der Bevölkerung rassistische Überzeugungstäter, es gibt unbedachtes rassistisches Verhalten und es gibt erklärten Antirassismus.“ Dann schlug er eine Reihe kosmetischer Maßnahmen vor: ein gesetzliches Verbot von Racial profiling, ein Register für Beschwerden über die Polizei und eine Identifikationsnummer für jeden Polizisten.

Ziel der Linkspartei sei es, so Schindler, „das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken“. Die Polizei, „eine Institution, die mit zahlreichen Sonderrechten ausgestattet ist, damit sie die Bevölkerung schützt“, müsse „in ihrem Handeln über jeden Verdacht erhaben sein“.

In Wirklichkeit ist die Polizei kein „Spiegel der Gesellschaft“, sondern „eine besondere Formation bewaffneter Menschen“ (Friedrich Engels), die das Eigentum, den Reichtum und die Macht der Kapitalistenklasse beschützt. Das Anwachsen rassistischer und rechtsextremer Ideologien und Strukturen in ihren Reihen ist kein subjektives Problem, sondern ergibt sich aus ihrer gesellschaftlichen Funktion. Je mehr sich die sozialen Gegensätze und der Klassenkampf verschärfen, desto weiter nach rechts rücken der gesamte kapitalistische Staatsapparat und seine politischen Verteidiger – darunter die Linkspartei selbst.

Schindlers Behauptung, seine Partei wolle „die Institutionen darin stärken, eindeutig und klar anti-rassistisch zu agieren“, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Tatsächlich ist Die Linke für die Politik, gegen die sich die Demonstrationen richten – die wachsende Polizeibrutalität, die Zunahme von Rassismus und Rechtsextremismus, die tiefe Kluft zwischen arm und reich, der Tod und das Elend von Flüchtlingen, die Rückkehr des deutschen Militarismus – nicht nur in vollem Umfang mitverantwortlich. Um den wachsenden Widerstand zu unterdrücken, stärkt sie die Polizei und paktiert zunehmend offen mit der extremen Rechten.

In Brandenburg und Berlin hat sie als Regierungspartei neuen Polizeigesetzen zugestimmt und damit die Polizei mit umfassenden Überwachungs- und Repressionsvollmachten ausgestattet. Ebenfalls in Berlin lässt sie gemeinsam mit SPD und Grünen, die Klimabewegung „Ende Gelände“ – und damit indirekt ihre eigenen Jugendorganisationen – vom Verfassungsschutz bespitzeln. In Thüringen, wo sie den Ministerpräsidenten stellt, hat Ministerpräsident Ramelow der faschistischen AfD mit seiner Stimme persönlich zum prestigeträchtigen Amt eines Vizepräsidenten des Landtags verholfen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist sie noch weiter nach rechts gerückt. Ende März stimmte sie im Bundestag für die milliardenschweren „Corona-Notpakete“. Anschließend forcierte sie mit Ramelow in Thüringen die Lockerung der Schutzmaßnahmen, damit die Wirtschaft die gigantischen Summen, die vor allem an die Großunternehmen, Banken und Superreichen geflossen sind, wieder aus der Arbeiterklasse herauspressen kann. Um die Politik, die Profit vor Leben stellt, gegen massive Opposition durchzusetzen, beteiligten sich Mitglieder der Linkspartei, wie Fraktionsvize Andrej Hunko, an den rechtsextremen Corona-Demonstrationen.

Figuren wie Bartsch oder Schindler spüren instinktiv, wie explosiv die Situation ist. Die Ermordung von George Floyd hat eine internationale Massenbewegung ausgelöst, weil Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt dieselben Erfahrungen machen. Was die überwiegend jugendlichen Demonstranten bewegt, ist nicht nur der brutale Polizeimord in den USA, sondern auch die Empörung über eine Gesellschaft, die ihnen keine Zukunft mehr zu bieten hat. In Deutschland kamen oft zehn oder zwanzig Mal mehr zu den Demonstrationen, als die Organisatoren angemeldet hatten.

Die Linkspartei ist über das Ausmaß der Proteste alarmiert. Sie fürchtet, dass sie mit einer Radikalisierung der Arbeiterklasse zusammenkommen und sich gegen das kapitalistische System richten. Die Angst vor einer Verschärfung des Klassenkampfs liegt auch der Feindschaft zugrunde, mit der sie auf die Demonstrationen gegen Polizeibrutalität reagiert. Sie ist – trotz ihres Namens – eine rechte bürgerliche Partei, die das kapitalistische Eigentum und den bürgerlichen Staat mit allen Mitteln verteidigt.

Die Unterstützung eines Polizeistaats ist dabei bereits in der DNA der Linkspartei angelegt. Sie hat ihre Wurzeln in der SED, der stalinistischen Staatspartei der DDR, die die Opposition der Arbeiterklasse gegen die herrschende Bürokratie mit einem mächtigen Polizei- und Geheimdienstapparat unterdrückte. Während der Wende übernahm sie – in den Worten des letzten SED-Ministerpräsidenten Hans Modrow – die Aufgabe, „die Regierbarkeit des Landes zu bewahren, ein Chaos zu verhindern“ und den „Weg zur Einheit“, den Modrow für „unumgänglich notwendig“ hielt, „mit Entschlossenheit“ zu begehen.

Als sich die katastrophalen sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Kapitalismus zeigten – 14.000 Betriebe wurden abgewickelt, 71 Prozent aller Beschäftigten verloren ihren Arbeitsplatz – übernahm die PDS, wie sich nun nannte, im Osten wieder ihre alte Rolle als Ordnungspartei, nur dass sie jetzt die kapitalistische Ordnung verteidigte. Vor 13 Jahren fusionierte sie dann mit Teilen der SPD, der Gewerkschaftsbürokratie und einer Reihe von pseudolinken Strömungen zur Linkspartei – auf einer explizit pro-kapitalistischen Grundlage. Bei der Europawahl 2014 klebte Die Linke Plakate mit der Aufschrift „Revolution – Nein danke!“.

Heute ist der Polizeistaatscharakter der Partei so offensichtlich, dass sich einige Vorstandsmitglieder Partei dazu gezwungen sahen, sich von Bartsch‘ offener Parteinahme für die Polizei zu distanzieren. Diese Statements sind genau so wenig oder viel wert, wie Trumps jüngste Ankündigung, die Polizei in den USA zu „reformieren“. Arbeiter und Jugendliche erleben in wachsendem Maße, dass sie in ihren Kämpfen mit allen Parteien und Vertretern der herrschenden Klasse konfrontiert sind. Daraus gilt es, die notwendigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt erfordert einen politische Abrechnung mit der Linkspartei und allen pseudolinken Organisationen, die den Kapitalismus samt seinem staatlichen Unterdrückungsapparat verteidigen. Er muss mit den Kämpfen der internationalen Arbeiterklasse gegen Ungleichheit, Ausbeutung, Krieg, Autoritarismus und das kapitalistische Profitsystem verschmolzen werden. Das erfordert ein sozialistisches Programm, das auf den Übergang der politischen Macht an die Arbeiterklasse und auf eine umfassende wirtschaftliche Umstrukturierung der Gesellschaft abzielt.

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