Kurz vor Weihnachten hat WISAG, Bodendienstleister am Rhein-Main Airport, 225 von 850 Beschäftigten entlassen. Der WISAG-Konzern, der erst vor zwei Jahren das Geschäft von Acciona Airport Services übernommen hat, nutzt die Corona-Pandemie als Vorwand für eine radikale Umstrukturierung auf Kosten der Arbeiter.
Schon im März wurden die Arbeiter in Kurzarbeit geschickt, was bedeutet, dass sie seither Lohneinbußen von bis zu 40 Prozent hinnehmen müssen. Ihre Löhne sind schon normalerweise so niedrig, dass sie kaum für die hohen Mieten und die teuren Lebenshaltungskosten im Rhein-Main-Gebiet ausreichen. Gleichzeitig müssen einige von ihnen auf dem Vorfeld härter schuften als zuvor. „Wir werden für zwei, drei Stunden hereingerufen und sind statt zu fünft zu zweit am Flieger. Wir geben alles – und dann bekommen wir so was als Geschenk zurück!“ sagte Nenad Josimov am letzten Donnerstag der Hessenschau.
Darüber hinaus hat WISAG schon zum 1. Oktober versucht, 31 Vorfeld-Busfahrer auszugliedern – in die Firma Sky City Bus GmbH, die erst seit März 2020 existiert und nicht einmal den geringsten Manteltarif am Flughafen respektiert. Weil die Fahrer sich weigerten, wie es ihr gutes Recht ist, wird ihnen seither der Lohn komplett gestrichen, und auch sie gehören zu den Entlassenen.
Die Massenentlassungen hängen über der ganzen Belegschaft wie ein Damoklesschwert und üben Druck aus, notfalls auch unter Corona-riskanten Bedingungen zu arbeiten. Gerade jetzt, wo der Weihnachtsbetrieb den Flughafen ein paar Tage lang aus dem Dornröschenschlaf erweckt, ist die Gefahr einer Ansteckung sehr groß, und niemand, kein Unternehmer und keine Gewerkschaft, setzt sich für den Schutz der Arbeiter ein.
Das brutale Vorgehen von WISAG kurz vor Weihnachten ist ein Alarmzeichen für alle Beschäftigten: Die Konzerne nutzen die Corona-Pandemie, um mit Hilfe der Politiker und der Gewerkschaften lange geplante Stellenkürzungen und Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Arbeiter durchzusetzen.
Das wird bei WISAG besonders deutlich. In einem Informationsmemorandum vom 11. August 2020 hat die Geschäftsleitung angekündigt, längerfristig bei WISAG Ground Services (WGS) und WISAG Passage Services (WPaS) mindestens jede dritte feste Stelle dauerhaft zu streichen. Auch wenn der Flugbetrieb insgesamt wieder etwa 80 Prozent des Vorkrisenniveaus erreichen wird, sieht der Konzern, wie es im Kapitel „Grundlegende unternehmerische Weichenstellung und Strategie“ heißt, es „unternehmerisch als sinnvoll an, unsere Kapazitäten dauerhaft auf ca. 60 Prozent unserer Kapazitäten vor der Pandemie zurückzufahren“.
Zum Ausgleich will der Konzern noch stärker auf Leiharbeitskräfte setzen. WISAG schreibt, das Unternehmen sei „zwar bemüht, (…) den Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht zu sehr auszuweiten“, aber: „Unternehmerisch ist es nicht darstellbar, hierauf dauerhaft zu verzichten.“ So werden Arbeiter künftig praktisch nur noch als Leiharbeiter zu den schlechtesten Konditionen Arbeit finden. Wie bei allen Unternehmen waren auch bei WISAG die Leiharbeiter die ersten, die schon im März 2020, zu Beginn der Krise, gekündigt wurden.
Die jetzigen Kündigungen rechtfertigt WISAG eiskalt mit der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit, die Entlassungen gerade jetzt, vor den Jahresabschluss-Sonderzahlungen, noch vorzunehmen. In einem Brief an die „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ heißt es: „Warum können wir nicht auf Kündigungen verzichten? (…) Auch wenn Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, verbleiben dem Arbeitgeber beachtliche Kosten, die er tragen muss, und zwar die Jahressonderleistungen, Urlaub und ab Mitte des Jahres Sozialversicherungsbeiträge.“
WISAG will vor allem diejenigen Arbeiter loswerden, die seit 20 oder mehr Jahren am Flughafen Schwerstarbeit verrichten und sich einen etwas besseren Lohn sowie Anspruch auf Betriebsrente etc. erarbeitet haben. Sie sollen jetzt mit einer mehr als erbärmlichen Abfindung abgespeist werden. Der Konzern hat einen Gesamtfonds von 800.000 Euro eingerichtet, aus dem alle Abfindungen bestritten werden sollen, was eine durchschnittliche Abfindung von etwa 3500 Euro ergeben würde.
Letzte Woche demonstrierten rund 300 WISAG-Kollegen am Terminal 1 gegen die Entlassungen. Einige von ihnen äußerten die Absicht, zu Weihnachten gemeinsam in einen Hungerstreik zu treten. Das zeigt, dass sie zu radikalen Kampfmaßnahmen bereit sind.
Ein solcher Kampf erfordert ein klares politisches Verständnis und eine durchdachte Perspektive. Die Unternehmer und Politiker haben in der Coronapandemie bewiesen, dass sie bereit sind, über Leichen zu gehen. Wie ein Kollege in einem Kommentar schrieb: „Kenne die Wisag aus Köln bzw. Düsseldorf. Die gehen über Leichen. Und die Politiker schauen tatenlos zu.“
Das Vorgehen von WISAG in Frankfurt ist beileibe kein Sonderfall. In Berlin hat der Konzern schon im Sommer 350 Mitarbeiter gekündigt und greift die Rechte und Ansprüche aller Arbeiter an. Und nicht nur WISAG reagiert so, auch Lufthansa, Fraport, Airbus und alle Unternehmen im Bereich der Flugbranche haben Massenentlassungen angekündigt. Von der Regierung kassieren sie Hilfspakete, Finanzspritzen und Steuernachlässe in Milliardenhöhe, während die Arbeiter das ganze wirtschaftliche und gesundheitliche Risiko tragen.
Familie Wisser, Besitzer der WISAG Holding, gehört mit einem Vermögen von fast einer halben Milliarde zu den reichsten 300 Familien Deutschlands. Der Gründer, Claus Wisser, prominenter Sozialdemokrat und Freund des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD), verdankt seinen Aufstieg den besten Beziehungen zu SPD und Gewerkschaften. Zusammen mit seinem Sohn, dem heutigen Konzernchef Michael Wisser, leitet er die Holding, in der etwa 50.000 Beschäftigte arbeiten. Sie putzen und betreuen die Messe und zahlreiche Bankhäuser und arbeiten auch im Security-Bereich.
Erst seit einigen Jahren ist WISAG auch an den deutschen Flughäfen aktiv, und auch hier arbeitet sie eng mit den Gewerkschaften zusammen, die wie gewohnt ihr Führungspersonal in die Aufsichtsräte schicken. So sitzen zum Beispiel Ulrike Laux, Vorstandsmitglied der IG BAU, und Roswitha Haus, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Frankfurt am Main, im Aufsichtsrat der WISAG-Tochter AVECO.
Die Arbeiter dagegen haben mit Verdi und den DGB-Gewerkschaften sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Den Übergang der Flughafenkonzessionen von Acciona zu WISAG hat Verdi vor zwei Jahren aktiv unterstützt, und was die Entlassungen angeht, so hat sie bisher keinen Finger für die Arbeiter gerührt. Bei Lufthansa, wo Verdi und die zwei Spartengewerkschaften Ufo und Cockpit im Aufsichtsrat sitzen, haben diese drei Gewerkschaften der Konzernleitung Lohnsenkungen bis zu 50 Prozent angeboten!
In die dadurch entstandene Lücke ist zuletzt die jüngere Spartengewerkschaft IGL (IG Luftfahrt) vorgestoßen. Sie hat auch die Proteste der WISAG-Beschäftigten in der letzten Woche organisiert. Allerdings unterscheidet sich ihre politische Perspektive nicht von der der DGB-Gewerkschaften, die sich auf ein nationales und kapitalistisches Programm stützen. In Briefen appelliert die IGL an Claus Wisser und an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Im Brief an Altmaier erinnert die IGL den Herrn Minister an das Maßnahmenpaket und den „Schutzschild für die Beschäftigten“, die die Bundesregierung versprochen habe, und fordert ihn auf, „gemeinsam mit der WISAG zu ihrem Wort zu stehen und diesen Beschäftigten eine Perspektive zu bieten“ – ein müßiges Unterfangen!
Die Arbeiter dürfen ihre Hoffnungen nicht auf die Minister und Kapitalisten setzen, die in Wirklichkeit hinter den Angriffen auf Arbeitspläte und Löhne stehen. Sie müssen sich an ihre natürlichen Verbündeten, die vielen hunderttausend Kollegen in anderen Betrieben und Flughäfen, wenden, die ebenfalls unter dem Damoklesschwert drohender Entlassungen stehen und unter Corona-Bedingungen weiterarbeiten müssen.
Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter sein – wie schon Karl Marx erklärt hat. Die Arbeiter müssen sich unabhängig von den Gewerkschaften und allen kapitalistischen Parteien, auch der Linkspartei, selbständig in Aktionskomitees organisieren. Sie müssen Kontakt zu ihren Kollegen in allen WISAG- und anderen Betrieben aufnehmen, um ihre Arbeitsplätze, ihre Löhne und ihre Gesundheit gemeinsam zu verteidigen.
Ihre Grundlage muss ein internationales sozialistisches Programm sein, das vom Leben und Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung ausgeht, aber nicht von den Profiten der Aktionäre und Superreichen. Wie die WSWS schon im Sommer schrieb, kann „die Krise der Luftfahrtindustrie nicht auf kapitalistischer Grundlage und im nationalen Rahmen gelöst werden. Sie erfordert die Enteignung der Konzerne und ihre Überführung in demokratisch kontrollierte, öffentliche Institutionen, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht dem Profit dienen“.