Netzwerk-Treffen der Aktionskomitees für sichere Bildung diskutiert über europaweiten Schulstreik

„Keine Öffnung von Schulen und Kitas bevor die Pandemie unter Kontrolle ist!“ – dies fordert das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung in einer Resolution, die ein Online-Meeting am Montagabend einstimmig verabschiedet hat.

Gregor Link von den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) stellte die Resolution auf dem Treffen vor. In seiner Einleitung schilderte er die „kriegsähnlichen Zustände“ der Corona-Pandemie in mehreren europäischen Ländern, in denen sich die Coronavirus-Mutation B.1.1.7 rasend schnell ausbreitet. Er nannte die horrenden Zahlen der Corona-Todesfälle in Deutschland und betonte, dass allein seit Jahresbeginn 2021 schon 20.000 Covid-Patienten gestorben sind: „Diese Menschen sind nicht einfach einem medizinischen Phänomen zum Opfer gefallen: Eine Politik, die Profite über Menschenleben stellt, hat sie getötet.“

Bundes- und Landespolitikern aller Couleurs degradierten die Schulen und Kitas zu Verwahranstalten, um die Betriebe offen zu halten. „Bloße Appelle an diese Politiker sind zwecklos“, schloss er daraus. Die Forderung nach einem umfassenden Lockdown sei nur durchzusetzen, „wenn Schüler, Lehrer, Erzieher und Eltern ihre Sicherheit in die eigene Hand nehmen.“ Die Aktionskomitees müssten ihren Widerstand mit demjenigen von Arbeitern in den Betrieben zusammenbringen, die in der Pandemie von Massenentlassungen und Lohnsenkung bedroht seien. Notwendig sei ein „Frontalangriff auf das kapitalistische System“, das sich in der Pandemie „in den Augen von Milliarden Menschen entlarvt“ habe.

Den internationalen Charakter dieses Kampfs machte der Beitrag von Genevieve Leigh, der IYSSE-Vorsitzenden in den USA, deutlich. Leigh sprach im Namen der US-amerikanischen Socialist Equality Party und betonte, dass die Schüler und Studenten, Lehrer, Erzieher, Eltern und Arbeiter in den USA vor den gleichen Problemen stehen. „Im Kampf um die Erhaltung von Menschenleben werden Colleges, Universitäten und weiterführende Schulen zu zentralen Schlachtfeldern.“ Dagegen stünden die Universitätsverwaltungen, Gewerkschaften und Republikaner wie Demokraten „auf der anderen Seite“.

Auch der neue US-Präsident Joe Biden sei ein Repräsentant der herrschenden Oligarchie, betonte Leigh. Seine Regierung habe sich darauf festgelegt, die Bildungseinrichtungen bis im Frühjahr zu öffnen. „Die Demokraten setzen Trumps mörderische, wirtschaftsfreundliche Politik in der Pandemie fort.“

Leigh erläuterte den Zusammenhang des faschistischen Putschversuchs vom 6. Januar mit der Corona-Pandemie und der rasch anwachsenden sozialen Ungleichheit. Es sei ein „politischer Fakt, dass die wichtigste Forderung der Faschisten die nach Aufhebung sämtlicher Beschränkungen des Wirtschaftslebens war.“ Joe Biden beschwöre die „Einheit“ mit denselben Republikanern und rechten Trump-Anhängern. „Der Rahmen der offiziellen Politik bewegt sich nicht nach links, sondern weiter nach rechts.“

Nur in diesem Zusammenhang seien auch die aktuellen Angriffe von Facebook auf Accounts von Sozialisten, linken Oppositionellen und Kriegsgegnern zu verstehen. Leigh berichtete, dass Facebook in der vergangenen Woche mindestens sechs Accounts führender Mitglieder der Socialist Equality Party und der IYSSE ohne jede Begründung zensiert und geschlossen hatte. Erst nach immensem Druck der Öffentlichkeit wurden sie am Montag wieder hergestellt. „Die unmittelbare Zensur wurde aufgehoben, die grundsätzliche Bedrohung besteht aber weiter“, so Leigh.

Sie schilderte die Arbeit des Netzwerks unabhängiger Aktionskomitees in den USA, wo schon Komitees in New York, Michigan, Kalifornien, Texas, Alabama, Pennsylvania und Tennessee gegründet wurden; geplant seien sie außerdem in Utah, Colorado und Washington. Die Pandemie habe die tiefste Krise seit dem amerikanischen Bürgerkrieg hervorgebracht. „Vor einem Jahr wurde in den USA der erste Patient positiv auf Covid-19 getestet, inzwischen sind mehr als 425.000 Menschen gestorben, und 25 Millionen haben sich infiziert.“ Darüber hinaus seien zahlreiche Existenzen zerstört, Millionen Arbeiter in die Arbeitslosigkeit getrieben und Zehntausende Kleinbetriebe geschlossen worden. Gleichzeitig „wuchs das Vermögen der Reichen in stratosphärische Höhen“.

Diesem wichtigen Beitrag folgte eine lebhafte Diskussion. Die Bremer Abiturientin Meret (18), die zusammen mit Mitschülern an ihrer Schule Distanzunterricht durchgesetzt hatte, berichtete, dass sie in einem Nebenjob im Pflegebereich schon den Tod von fünf Personen miterlebt habe. Der nächste Schritt müsse sein, den Schulboykott für konsequente Schulschließungen bundesweit zu koordinieren. Die Politiker nützten jedoch den Prüfungsdruck, um die Abschlussklassen in die Schulen zu zwingen.

Dies bestätigte auch der Oberschüler Jaimy aus Sachsen. Er berichtete, dass seine Abschlussklasse seit dem 18. Januar zurück in die Schulen gezwungen werde. Florian aus Baden-Württemberg zählte mehrere Beispiele neuer Streiks und Initiativen an den Schulen auf, wo sich im Saarland, in Sachsen, Brandenburg und anderswo neuer Widerstand formiert. Er betonte, wie wichtig es sei, angesichts der neuen Mutationen die Pandemie weltweit gemeinsam zu bekämpfen: „Das Virus breitet sich über die Landesgrenzen aus, und genauso kann man es nur mit Maßnahmen aufhalten, die nicht auf den nationalen Bereich beschränkt sind.“

Joshua, ein Schüler aus Bayern, sprach über die erbärmliche Rolle, welche die sogenannten „linken“ Parteien und Gewerkschaften in der Pandemie spielten, und bestätigte, dass die GEW im Sommer die Öffnung der Schulen gefordert und die Maskenpflicht als „pädagogisch unsinnig“ bezeichnet hatte. Er betonte: „Der Kampf muss unabhängig von diesen Tendenzen und gegen sie geführt werden.“

Tamino, ein Schüler aus Karlsruhe, sprach dann über die massiven Probleme bei der Verteilung des Impfstoffs und warnte davor, den Beginn des Impfens mit der Rückkehr zur Normalität gleichzusetzen. „Die weltweite Nachfrage nach dem Impfstoff hat die Spannungen zwischen den Ländern verstärkt. Statt über die Verteilung international gemeinsam zu entscheiden, werden die Mengen über nationalistische Kämpfe zwischen den Staaten ausgehandelt.“

Clemens, der gerade ein FSJ in einer Kita macht, sprach über die soziale Lage vieler Arbeiter unter Bedingungen steigender Arbeitslosigkeit, wo Minijobber, Leiharbeiter und Soloselbständige mit der Corona-Lage in die Armut gestoßen und regelrecht erpresst würden. „In den offiziellen Berichten werden die realen Zahlen schön gerechnet“, sagte er. „Die Gewerkschaften haben die Arbeitskämpfe das ganze letzte Jahr über unterdrückt, und sie unterstützen die Beendigung des Lockdowns.“ Deshalb sei es entscheidend, die neu ausbrechenden Streiks unabhängig von den Gewerkschaften international gemeinsam zu führen.

Auch Studenten und Erzieher sprachen in dem Meeting und schilderten ihre besondere Situation. Christopher, ein Student aus Leipzig, berichtete, dass er sich im Nebenjob als Fahrradfahrer einer Fastfood-Kette mit Covid-19 infiziert habe und entlassen worden sei, weil er seine Kollegen darüber informiert hatte. Er gab ein lebendiges Bild von dieser harten Arbeit unter hohem Zeitdruck und bei schlechter Bezahlung. Er zeigte, wie profitgierige Unternehmer die Corona-Ausbrüche systematisch vertuschen.

Martin, ein Erzieher aus Leipzig, schilderte die große Wut, die sich unter den Erziehern breit macht, da sie ohne Schutz mit großen Kindergruppen arbeiten und in der Pandemie von den Politikern regelrecht verheizt werden.

Die Resolution „Für einen europaweiten Schulstreik gegen die Schulöffnung!“ wurde einstimmig und ohne Gegenstimme angenommen. Darauf fasste Christoph Vandreier, der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei, die wichtigsten Lehren zusammen: Das Ausmaß der Pandemie habe „all die Fragen, die wir seit langem erklärt haben, jetzt sehr konkret“ erlebbar gemacht. Das habe Leigh in ihrem Beitrag über den Zusammenhang von Trumps faschistischem Putschversuch mit der mörderischen Pandemie-Politik der Herrschenden sehr klar zum Ausdruck gebracht. „Die herrschende Klasse setzt auf die Politik des Todes; ihr gesamtes gesellschaftliches System ist bankrott“, konstatierte Vandreier.

Arbeiter und Schüler würden jetzt massiv unter Druck gesetzt, unter Pandemiebedingungen in die Betriebe und Schulen zurückzukehren, „damit die Profite sprudeln“. Dazu betonte Vandreier, wie wichtig es sei, auf diese Angriffe offensiv zu reagieren. „Es gibt eine enorme Opposition. Wir müssen darauf eine starke, internationale und umfassende Antwort geben. Dafür brauchen wir eine sehr breite Bewegung, die die gesamte Arbeiterklasse umfasst. Nur ein Generalstreik kann die Schließung aller nicht-systemrelevanten Betriebe erzwingen. Dafür brauchen wir eine sozialistische Perspektive.“

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