Versammlung des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung

„Wenn wir die Schulen nicht schließen, wird es niemand tun!“

Angesichts des schlimmsten Massensterbens in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg berief das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung am Dienstag kurzfristig ein Treffen ein, um den Kampf für die Schließung der Schulen voranzutreiben und Perspektiven für einen Generalstreik gegen die Durchseuchungspolitik zu diskutieren.

„Seit unserem letzten Treffen hat sich die Situation enorm verschärft“, stellte Christoph Vandreier, stellvertretender Vorsitzender der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), gleich zu Beginn fest. „Mittlerweile sterben in Deutschland fast 1000 Menschen am Tag – und diese Zahl wird laut Experten weiter steigen und das Gesundheitssystem in den Kollaps treiben, was wiederum zu vielen weiteren Toten führen wird. Bereits jetzt müssen an Kliniken Triage-Entscheidungen getroffen werden“. Das Aufkommen einer Mutation des Coronavirus, die nach ersten Berichten rund 70 Prozent ansteckender ist, so Vandreier, sei in diesem Zusammenhang eine tödliche Warnung.

„Während tausende gestorben sind und 40 Prozent der Bevölkerung Einkommen verloren haben, haben an den Börsen die Sektkorken geknallt. Diese Situation von Hunderttausenden Toten wurde politisch bewusst herbeigeführt. Sie ist ein Ergebnis der Öffnungspolitik und wurde in Kauf genommen, um die Profite zu sichern. Tatsächlich wurde außerhalb des Einzelhandels und der Hotels kein einziger Betrieb geschlossen.“ Von einem „Lockdown“ könne also nicht die Rede sein, schlussfolgerte Vandreier:

„Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Betriebe offen zu halten und die Wirtschaft am Laufen zu halten, während täglich 1000 Menschen sterben. Und trotz weiter steigender Zahlen und der Mutation in Großbritannien wird jetzt bereits diskutiert, dass man so schnell wie möglich die Schulen öffnen muss.“ Schon jetzt seien Kitas und viele Schulen in Wirklichkeit nicht geschlossen, sondern dienten als „Verwahranstalten“ für Kinder, damit Eltern weiter zur Arbeit gezwungen werden können.

An der Spitze dieser Politik stehen dabei SPD, Grüne und Linkspartei, die von den Gewerkschaften unterstützt werden: „Die GEW hat sich noch wenige Tage vor dem sogenannten Lockdown gegen Schulschließungen ausgesprochen und sogar einen Wechselunterricht an den Grundschulen ausgeschlossen.“

Deshalb gewinne die Arbeit der Aktionskomitees eine brennende Bedeutung. „Wir müssen verhindern, dass die Schulen im Januar wieder geöffnet werden – und wir müssen massenhaft Schulstreiks organisieren“, sagte Vandreier. „Betriebe, Schulen Kitas, und der öffentliche Nahverkehr sind die wichtigsten Treiber der Pandemie und müssen umgehend geschlossen werden. Die nicht lebensnotwendige Produktion muss eingestellt werden und alle Arbeiter müssen volle Lohnfortzahlung erhalten.“

Um diesen politischen Kampf zu führen, sei eine revolutionäre und sozialistische Perspektive nötig: „Die einzige Kraft, die zehntausende und hunderttausende Leben retten kann, ist die Masse von Schülern und Arbeitern, die dafür sorgen müssen, dass die Schulen nicht geöffnet werden und die Betriebe geschlossen werden. Sie sind es, die den Lockdown durchsetzen müssen.“

Die Wochen vor den Winterferien standen im Zeichen von Schulstreiks und Protesten für sichere Bildung, die sich im ganzen Bundesgebiet entwickelt hatten. Von einer dieser mutigen Streikaktionen berichtete Meret, eine Oberstufenschülerin aus Bremen: „Angesichts der steigenden Todes- und Fallzahlen dachten wir uns irgendwann: Es kann so nicht weiter gehen – Wir streiken jetzt! Noch in der Nacht haben wir begonnen, einen Aufruf zu schreiben und ihn über Whatsapp durch die verschiedenen Klassengruppen zu leiten. Das hat sich wahnsinnig schnell verbreitet und stieß auf extrem positive Resonanz!“

„Durch den Streik haben wir die Schülerzahl in allen Kursen der Oberstufe um fast die Hälfte reduzieren können“, fährt Meret fort. „Wir haben uns intern so organisiert, dass Schüler, die zuhause kein technisches Endgerät hatten, auch damit versorgt wurden. Mittlerweile ist bei uns der Punkt erreicht, wo wir sagen: Wir stellen uns quer – und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Nach den Ferien wollen wir den Streik aufrechterhalten und auf alle Schüler ausweiten. Wir werden alle zuhause bleiben – das ist der Plan.“

Während der Streik die Unterstützung der Lehrerschaft und das Wohlwollen der Schulleitung genieße, habe sich die Schulbehörde strikt gegen die von den Schülern ergriffenen Schutzmaßnahmen gewandt, berichtet Meret: „Als Schülervertretung haben wir einen offiziellen Antrag an die Bremer Bildungsbehörde gestellt, der auch von den Eltern unterstützt wurde. Aber mit diesem Antrag haben wir überhaupt nichts erreicht – die Behörde hat das zurückgewiesen und hat immer wieder gesagt, die Schulen müssen um jeden Preis offen bleiben.“

Der Kampf in Bremen beinhalte wichtige Lehren für zukünftige Schulstreiks, stellt Meret fest: „Wir haben mit Gesprächen in den Sozialen Medien und mit Organisationsarbeit unter unseren Mitschülern innerhalb von ein paar Stunden mehr erreicht als in all den Wochen Antragsarbeit und Diskussion mit der Bildungsbehörde. Wichtig ist, dass jetzt Eigeninitiative ergriffen wird – wenn wir es nicht machen, macht es niemand! Solidarisiert euch mit anderen Eltern und Schülern! Die Bildungsbehörden werden uns nicht helfen.“

Tatsächlich existiert unter Schülern, Lehrern und Eltern in ganz Europa eine enorme Kampfbereitschaft gegen die tödliche Corona-Politik der herrschenden Klasse. „Unter meinen Mitschülern hat sich im Verlauf der letzten Wochen die Wut angesichts immer neuer Covid-Fälle enorm zugespitzt“, berichtet etwa Florian, ein Schüler aus Baden-Württemberg. Unter Verweis auf die beim letzten Treffen des Netzwerks verabschiedete Resolution erklärt er: „Schüler und Lehrer auf der ganzen Welt sind mit den gleichen Fragen konfrontiert und müssen deshalb international zusammenarbeiten.“

Ein Lehrer und eine Lehrerin aus Berlin zeigten sich begeistert von den Initiativen der Schüler und berichteten ihrerseits, wie die Pandemie die verheerenden Bedingungen und den allgegenwärtigen Mangel an Schulen weiter verschärft hat. Viele Lehrer hätten sich bereits gezwungen gesehen, „aus Gründen der Überarbeitung einfach auszusteigen“, während die Covid-Fälle aufgrund der großen Infektionsgefahr massiv zunehmen. Wie Lehrerin Jesse aus Berlin betonte, ist es auf der Grundlage der „Betreuungsregelung“ der Regierung für Eltern völlig unmöglich, von ihren jeweiligen Arbeitgebern eine Freistellung zu bekommen. „Das Ergebnis ist, dass mehr als die Hälfte der Kinder meiner Grundschule gegenwärtig im Hort betreut wird. Unter diesen Bedingungen ist eine Kohortenbildung völlig unmöglich!“

Andere Teilnehmer der Veranstaltung berichteten von fehlendem Schutz an Kitas, den Auswirkungen der Corona-Politik auf Jugendliche aus der Arbeiterklasse und von der Weigerung der Gesundheitsbehörden, konsequente Test- und Quarantänemaßnahmen durchzusetzen.

Katja Selin, Sprecherin der International Youth and Students for Social Equality, stellte heraus, dass der Kampf gegen die Pandemie in Wirklichkeit ein politischer Kampf gegen die herrschende Klasse und den Kapitalismus ist. Sie plädierte dafür, die Bewegung international massiv auszuweiten und gab einen Einblick in die Entwicklung des Klassenkampfs auf Weltebene:

„Es gibt bereits Aktionskomitees in Großbritannien, den USA und anderen Ländern und unsere Weltbewegung kämpft dafür, diese Komitees auch in allen Ländern aufzubauen. Die Wut und die wachsende Kampfbereitschaft hat sich in den letzten Wochen in allen Ecken der Welt gezeigt.“ Selin berichtete von Schüler- und Lehrerstreiks in Frankreich und Griechenland, Streiks der Pflegekräfte in Spanien und Chile, Streiks von Autoarbeitern in den USA und Südkorea, sowie von dutzenden anderen Protest- und Streikbewegungen überall auf der Welt. „Es ist jetzt notwendig, die Bewegung der Aktionskomitees auf alle Länder auszuweiten und international zu vernetzen.“

Ebenso wie Katja Selin betonte auch Christoph Vandreier die Bedeutung einer sozialistischen Perspektive gegen die Durchseuchungspolitik: „Mit der Pandemie und dem Kampf für sichere Bildung spitzt sich die Frage zu, ob das gesellschaftliche Leben von den Profitinteressen einer steinreichen Elite bestimmt werden soll, die bereit ist über Leichen zu gehen – oder von den Lebensbedürfnissen der Menschen? Um die Pandemie zu bekämpfen und alle anderen drängenden gesellschaftlichen Probleme zu lösen, müssen die großen Banken und Konzerne in einer internationalen sozialistischen Bewegung enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.“

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