Online-Meeting der IYSSE fordert europaweiten Generalstreik gegen die Schulöffnungen

Am 1. Februar verfolgten mehr als 300 Zuschauer das Online-Meeting der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) zum Thema: „Für einen europaweiten Generalstreik gegen die Schulöffnung“. Die Versammlung setzte ein starkes Zeichen für den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees von Schülern, Lehrern und Arbeitern, um effektive Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie durchzusetzen.

Das Online-Meeting fand in einer Situation statt, in der sich weltweit gerade mehr als hundert Millionen Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert hatten und die Zahl der Coronatoten 2,2 Millionen überschritt. „Seit Jahresbeginn hat es allein in Deutschland offiziell fast 20.000 Covid-Tote gegeben“, heißt es in einer Erklärung, die das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung wenige Tage vor dem Meeting verabschiedet hatte. „Das ist alles andere als eine Naturkatastrophe“, betonte Christoph Vandreier, stellvertretender Vorsitzender und Bundestagskandidat der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), in seinem einleitenden Referat. „Es ist das Ergebnis einer Politik, die Gesundheit und Leben dem privaten Profit einer Finanzoligarchie opfert.“

IYSSE-Veranstaltung: Für einen europaweiten Generalstreik gegen die Schulöffnung

Auf dem Meeting sprachen mehrere Schüler über ihre Erfahrungen mit den rücksichtslosen Schulöffnungen inmitten der Pandemie. Die 18-jährige Oberschülerin Meret aus Bremen berichtete aus ihrer Stadt, dass zum Jahresbeginn alle 10. bis 13. Klassen in den Präsenzunterricht gezwungen worden seien. In ihrem Nebenjob in der Altenpflege habe sie erlebt, dass nicht weniger als sechs Bewohner an Covid-19 gestorben seien. Immer müsse sie daran denken, „welche Maßnahmen die Regierung unterlassen hat, die nötig gewesen wären, um genau das zu verhindern“.

Die Schüler hätten erkannt, so Meret, dass „die Politik sich nicht um uns gekümmert hat, und sie wird es auch nicht tun“. Das System zeige in der Pandemie, „was ihm tatsächlich wichtig ist. Und die Antwort ist nicht Menschenleben oder unser Wohlergehen – sondern Profite“.

Das bestätigten mehrere weitere Schüler aus Nürnberg, Baden-Württemberg und Sachsen. In Nürnberg traten am selben Montag tausende Schüler in einen Streik gegen den Präsenzunterricht, den ihnen die Landesregierung aufzwingen wollte.

Auch Kita-Erzieher und Arbeiter aus anderen Bereichen unterstützten die Forderungen des Online-Events. So berichtete Thomas Schrödl, Trambahnfahrer und Bundestagskandidat der SGP in Bayern, dass in London schon in der ersten Coronawelle mehr als 30 seiner Berufskollegen gestorben seien, und dass auch in Berlin Ende Dezember ein Trambahnfahrer einer Covid-19-Erkrankung erlegen sei. Seit den Schulöffnungen erlebe er in Bayern, wie sich Busse und Bahnen wieder mit Kindern und Jugendlichen füllten. Die Arbeiter hätten zwar noch „ihre Faust in der Tasche“, aber sie verfolgten die Schülerstreiks mit großem Interesse.

Das bestätigte auch Andi, ein Kfz-Meister aus Bayern, der über die Situation in den Metallbetrieben berichtete. „Die Arbeiter können dort nur weiterarbeiten, solange ihre Kinder in die Schule gehen“, deshalb sei es „extrem wichtig, dass Arbeiter und Schüler an einem Strang ziehen“.

Versammlungsleiter Gregor Link, Student und SGP-Bundestagskandidat, betonte darauf die Notwendigkeit, sich den Netzwerken der Aktionskomitees für sichere Bildung und für sichere Arbeit anzuschließen.

An der Versammlung nahmen auch zwei internationale Gäste teil, beides erfahrene Trotzkisten, die in ihren Ländern eine zentrale Rolle beim Aufbau von Aktionskomitees im Bildungsbereich spielen: Aus den USA war Evan Blake zugeschaltet, ein ehemaliger Lehrer und Mitglied der US-amerikanischen Socialist Equality Party (SEP). Aus Großbritannien nahm Tania Kent teil, eine Grundschullehrerin und ebenfalls Mitglied der dortigen SEP.

Aus beiden Berichten ging hervor, wie sehr die Pandemie sich im Januar verschlimmert hatte. Aus den USA berichtete Evan Blake, dass allein im Januar täglich mehr als 3000 Corona-Patienten gestorben seien, über 100.000 in einem Monat. Im Ganzen seien dort bisher 450.000 Menschen an Covid-19 gestorben, darunter auch 689 aktive oder pensionierte Lehrkräfte und mehr als 100 Kinder.

In Großbritannien hatte die Zahl der Corona-Toten am 25. Januar 100.000 überschritten. „Dies ist kein Zufall“, betonte Tania Kent, sondern das Ergebnis der rücksichtslosen Durchsetzung einer Politik der Herdenimmunität. Diese gefährliche Strategie haben praktisch alle Regierungen auf der ganzen Welt übernommen. Wie Tania berichtete, habe die Johnson-Regierung in Großbritannien die Schulen seit September vollständig offengehalten. Als sich eine neue Virus-Mutation ausbreitete, seien Kinder zu Hauptüberträgern des Virus geworden. „Erst als sich am 16. Dezember an einem einzigen Tag 20.000 Pädagogen wegen einer Covid-19-Ansteckung oder Quarantäne krankmeldeten, sah sich die Regierung zu Schulschließungen gezwungen.“

Die Wut der betroffenen Lehrkräfte habe sich am 3. Januar gezeigt, als an einem Online-Meeting der britischen Gewerkschaft NEU etwa 400.000 Mitglieder teilnahmen und Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus forderten. „Unter Verweis auf Arbeitsschutz verweigerten am 4. Januar zehntausende Grundschullehrer und Angestellte die Arbeit.“

Die Gewerkschaften seien zunehmend diskreditiert, „denn sie haben sich geweigert, ihre Mitglieder in der Pandemie zu verteidigen“. Aktuell unterstützten sie die Bemühungen der Regierung, den Lockdown wieder aufzuheben und die Schulen zu öffnen, was enorme neue Opferzahlen provozieren werde. „Durch Johnsons Politik wird die Pandemie in ein neue Phase exponentiellen Wachstums mit zehntausenden weiteren Todesfällen getrieben“, warnte Tania.

Auch der Bericht aus den USA bestätigte, dass Schüler, Lehrer und Arbeiter unter den Pandemie-Bedingungen überall vor denselben Problemen stehen. „Die objektive Situation macht es dringend notwendig, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen“, sagte Evan Blake. „In jedem Land, in dem das Virus sich ausbreitet, müssen umfassende Impfkampagnen mit der Schließung aller Schulen, Universitäten und nicht lebensnotwendiger Betriebe verbunden werden.“

Blake wies auf den Zusammenhang hin, der zwischen der Pandemie und dem faschistischen Putschversuch auf das Kapitol am 6. Januar bestand. Bezeichnenderweise hatten die rechtsextremen Putschisten, in Übereinstimmung mit Donald Trump, „ein Ende des Lockdowns und anderer Maßnahmen, die die Wirtschaft beeinträchtigen“, gefordert.

Die Öffnung der Schulen zum jetzigen Zeitpunkt, da sich bereits Mutationen des Virus ausbreiteten, sei indessen „die aller-unvernünftigste Maßnahme in diesem Stadium der Pandemie (…) Aber genau das tut die neue Biden-Regierung“, fuhr er fort. Im Interesse der Finanzoligarchie setze auch die Demokratische Partei die Schulöffnungen aggressiv gegen die Lehrkräfte durch.

Dabei habe Joe Biden selbst ausdrücklich erklärt, er halte es für „unvermeidlich“, dass in den kommenden Monaten noch einmal 170.000 bis 232.000 Menschen sterben werden. Eine Zahl, die mit der Zahl der Toten im amerikanischen Bürgerkrieg vergleichbar sei, so Blake. „Der einzige Weg, dies zu verhindern und die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, besteht darin, dass die Arbeiterklasse eingreift, um diesen Wahnsinn zu beenden.“

Blake berichtete über Chicago, den drittgrößten Schulbezirk der USA, wo dieser Widerstand zurzeit in einem Lehrerstreik am schärfsten zum Ausdruck kommt. „Der Kampf der dortigen Lehrer gegen die Schulöffnungen ist zum Brennpunkt des Klassenkampfs in den USA geworden“, sagte Blake. Die Lehrer seien sowohl mit der demokratischen Bürgermeisterin Lori Lightfoot konfrontiert, die zusammen mit der Schuldirektion die Schulöffnungen seit Jahresbeginn vorantreibe. Auch die Medien hetzten gegen die Lehrer und verbreiteten völlig unwissenschaftliche Theorien, um den Streik zu verleumden. Die Lehrkräfte seien aber auch mit der Lehrergewerkschaft ATU konfrontiert, die eng mit den Demokraten verbunden sei. Die ATU habe erst zur Urabstimmung aufgerufen, als die Lehrer von Chicago schon kurz vor der Rebellion standen.

Die Aktionskomitees für sichere Bildung und für sichere Arbeit kämpfen unabhängig von den Gewerkschaften und etablierten Politikern. „Alle Politiker haben im Wesentlichen das gleiche Programm wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten durchgesetzt“, erklärte Christoph Vandreier dazu. „Ihre Politik des Todes, der sozialen Ungleichheit und von Faschismus und Krieg kann nur gestoppt werden, wenn die Arbeiter unabhängig ins Geschehen eingreifen.“

Die Aktionskomitees müssten sich international zusammenschließen und gemeinsam einen Generalstreik vorbereiten. Dazu sei es notwendig, die Sozialistische Gleichheitspartei in Deutschland aufzubauen, die sich gemeinsam mit den Schwesterparteien in den andern Ländern darauf vorbereite, diesen Kampf zu führen.

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