Russland führt landesweit Militärübungen durch, Ukraine und Nato bereiten sich auf Krieg vor

Wie Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu am Mittwoch ankündigte, wird die russische Regierung vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen mit der Ukraine ihre zuvor geplanten landesweiten Militärübungen fortführen. Die Tests der Kampfkraft und Einsatzbereitschaft werden den ganzen April über andauern und umfassen mehr als 4.000 einzelne Übungen mit Boden- und Seestreitkräften im ganzen Land, selbst in den abgelegensten Regionen.

Eine Karte der Schwarzmeerregion (Wikimedia Commons/NormanEinstein)

Die Militärübungen waren zwar schon seit Langem geplant, doch dass Moskau ihre Durchführung bekräftigt, ist angesichts der zunehmenden Kriegsdrohungen gegen Russland wegen der Situation in der Ukraine eindeutig als Machtdemonstration zu verstehen. In den letzten Wochen haben sich diese Drohungen immer weiter verschärft, sodass ein offener Konflikt zwischen Russland und der Ukraine droht, die von den USA und Deutschland unterstützt wird.

In den letzten sieben Tagen hat die ukrainische Regierung die Aufnahme in die Nato gefordert und das transnationale Militärbündnis zu einer Verschärfung seiner Intervention am Schwarzen Meer aufgefordert. Sie kündigte außerdem an, dass ukrainische Streitkräfte Ende des Jahres gemeinsame Militärübungen mit der Nato veranstalten werden.

Zuvor hatte Kiew seine Absicht geäußert, die Halbinsel Krim im Schwarzen Meer gewaltsam zurückzuerobern, die sich im Jahr 2014 Russland angeschlossen hatte. Auch die Kämpfe zwischen ukrainischen und von Russland unterstützten Kräften im Donbass haben sich verschärft. Dort waren im Jahr 2014 separatistische Republiken entstanden, nachdem in Kiew durch einen von Washington und Berlin unterstützten Putsch eine rechtsextreme anti-russische Regierung an die Macht gekommen war.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich am Dienstag in Telefonaten mit den Staatschefs von Kanada und Großbritannien die Unterstützung ihrer Staaten für die Ukraine zusichern lassen. Sie orientieren sich dabei am Vorbild der US-Regierung, die auch die treibende Kraft hinter der pro-ukrainischen anti-russischen Kampagne ist. Im Rahmen dieser Kampagne hat sie unter anderem jahrelang das ukrainische Militär finanziert, ausgerüstet und ausgebildet. Der Politikanalyst Stephen Blank rief die USA am Dienstag in einem Beitrag des Atlantic Council dazu auf, noch weiter zu gehen und die ukrainischen Luftstreitkräfte zu modernisieren, um zu verdeutlichen, „dass Russland für sein bösartiges Verhalten harte und spürbare langfristige strategische Kosten tragen muss.“

Diese Ereignisse vollziehen sich vor dem Hintergrund verschärfter Kriegsvorbereitungen der Nato gegen Russland. Derzeit veranstaltet sie in zwölf europäischen Staaten die massive Militärübung DEFENDER-Europe 2021, an der 30.000 Soldaten aus 27 Ländern beteiligt sind. Laut der Abteilung der US Army für Europa und Afrika „demonstriert“ die Übung „unsere Fähigkeit, als strategischer und sicherheitspolitischer Partner im Westbalkan und am Schwarzen Meer zu fungieren und gleichzeitig unsere Fähigkeiten in Nordeuropa, dem Kaukasus, der Ukraine und Afrika zu erhalten.“

DEFENDER-Europe 21 umfasst Übungen der Boden-, See- und Luftlandestreitkräfte entlang der gesamten russischen Westgrenze und Gebieten, die von zentraler Bedeutung für Moskaus geopolitische Interessen sind. Mit diesen Manövern bereitet sich die Nato auf einen Dritten Weltkrieg vor – die Folge eines solchen Konflikts wären mindestens Dutzende Millionen Todesopfer in Europa und Russland und, sehr wahrscheinlich, die atomare Vernichtung des Planeten. Die USA haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie zum Einsatz von Atomwaffen bereit sind, um ihre Interessen zu schützen.

Kein einziger Bewohner der Ukraine – oder irgendeines anderen Landes – wird von „russischer Aggression“ auf diese Weise „befreit“ werden. Sie würden vielmehr alle sterben.

Dennoch setzt die ukrainische Regierung von Präsident Selenskyj ihren Kurs fort. Ihr Chefunterhändler bei früheren Friedensabkommen in dem Konflikt um die Region Donbass, Leonid Krawtschuk, der erste Präsident der unabhängigen Ukraine, hatte erst vor kurzem erklärt, er werde nicht mehr länger mit dem führenden Vertreter einer der abtrünnigen Republiken verhandeln. Er erklärte außerdem, er werde nicht an Verhandlungen in der belarussischen Hauptstadt Minsk teilnehmen, da das Land mit Russland verbündet ist.

Das ukrainische Parlament verabschiedet derzeit Maßnahmen, die eine schnellere Einberufung von Wehrpflichtigen ermöglichen werden. Selenskyj schafft zwei neue Bundesbehörden zur Bekämpfung von „Desinformation“, deren offensichtliches Ziel es ist, die allgemeine Antikriegsstimmung in der Bevölkerung zu bekämpfen.

Der Kriegskurs ist zum Teil ein verzweifelter Versuch, die Aufmerksamkeit vom katastrophalen Zustand des Landes in der Corona-Pandemie und der Auswirkungen der Wirtschaftspolitik abzulenken, die die Kiewer Regierung auf Geheiß der westlichen Mächte durchführt.

Die Bevölkerung der Ukraine leidet zur gleichen Zeit unter den Folgen der Pandemie und des Spardiktats des Internationalen Währungsfonds. Am Mittwoch meldete das Land weitere 15.415 Neuinfektionen, am Tag zuvor waren es 13.276. Auch die Zahl der Todesfälle hat neue Rekordwerte erreicht. Die Krankenhäuser sind fast vollständig ausgelastet. Nur 0,005 Prozent der Bevölkerung wurden geimpft, insgesamt weniger als in verarmten Staaten wie Ruanda oder der Mongolei.

Seit Anfang des Jahres haben sich die Preise für zahlreiche Versorgungsleistungen erhöht, was zu weit verbreiteten Protesten führte, darunter Demonstrationen und Straßenblockaden. Wegen des grassierenden Treibstoffmangels können sich immer mehr Haushalte Heizung und Elektroherde nicht mehr leisten. Elf Millionen – 70 Prozent – der ukrainischen Rentner haben aufgrund der gestiegenen Kosten ein Einkommen unterhalb der offiziellen Armutsgrenze.

Genau wie die Ukraine wird auch Russland von innenpolitischen Krisen erschüttert. Abgesehen von den physischen Folgen der Corona-Pandemie – 4,4 Millionen Infizierte und fast 100.000 Todesopfer – hat das Virus auch wirtschaftliche Folgen für die Arbeiterklasse. Arbeitsplatzabbau und Lohnverluste sind allgegenwärtig. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen ebenso wie die Haushaltsverschuldung.

Die russische Bevölkerung ist zunehmend desillusioniert von der Putin-Regierung. Deshalb versucht der Kreml angesichts der Duma-Wahlen im September, den Konflikt mit der Ukraine zu benutzen, um seine Position zu stärken. Zu diesem Zweck appelliert die Regierung an nationalistische Stimmungen und die begründete Befürchtung der Bevölkerung, der Westen stehe kurz davor, sie zu vernichten.

Die Arbeiterklasse Russlands und der Ukraine kann weder von den kriegsbegeisterten Machthabern in Washington, Berlin, Moskau oder sonst einem Land einen Ausweg aus dieser Situation erwarten. Die amerikanische herrschende Klasse, die an der Spitze einer maroden Volkswirtschaft sitzt, hat alleine seit dem Jahr 2001 eine Gesellschaft nach der anderen zerstört, um ihre globale Hegemonialstellung zu erhalten und ihren wirtschaftlichen Niedergang aufzuhalten.

Die russische herrschende Klasse hat alle Errungenschaften zerstört, die die sowjetische Arbeiterklasse über Jahrzehnte unter großen Opfern erkämpft hat. Jetzt hat sie kaum mehr übrig als massive Ölreserven und ein riesiges Atomarsenal, um ihre Kontrolle über die Menschen und Rohstoffe Eurasiens zu erhalten. Das Überleben der russischen Arbeiterklasse ist ihr gleichgültig, deshalb kann sie sie auch nicht verteidigen. Die Zukunft der russischen und ukrainischen Massen liegt in einem vereinten Kampf gegen Imperialismus, Kapitalismus und ihre blutigen Kriege – und für Sozialismus auf Weltebene.

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