Zweites Triell der Kanzlerkandidaten: Laschet, Baerbock und Scholz plädieren für massive militärische Aufrüstung

Am Samstag fand die zweite TV-Diskussion der drei Kanzlerkandidaten zur Außen- und Sicherheitspolitik statt. Wie bereits das erste „Triell“ zwischen Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) unterstrich das Ereignis die Bedeutung des Wahlkampfs der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP). Alle Kandidaten der herrschenden Klasse plädieren für eine massive militärische Aufrüstung und bereiten sich darauf vor, die verhasste Kriegspolitik der Großen Koalition auszuweiten.

Die Diskussion, die vom Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger co-moderiert wurde, fand unmittelbar nach dem Anschlag auf deutsche Besatzungstruppen in Mali statt, bei dem zwölf Bundeswehrsoldaten zum Teil schwer verletzt wurden. Seitdem tobt eine aggressive militaristische Kampagne. Politiker und Medien argumentieren, dass der bisherige Einsatz nicht ausreiche, und fordern ein robusteres Mandat und eine bessere Bewaffnung der deutschen Soldaten.

Baerbock, Laschet und Scholz stimmten ein in diesen Chor. Im Verlauf der Diskussion sprachen sie sich alle für die Anschaffung von Kampfdrohnen aus. Baerbock brüstete sich, die Grünen hätten sich bereits auf ihrem letzten Parteitag über die Beschaffung dieser mörderischen Waffen verständigt. „Es gibt Situationen, wo für die Sicherheit von Bundeswehrsoldaten auch Drohnen sinnvoll sein können“, erklärte sie. Man brauche sie, „wenn Angehörige der Bundeswehr ins Feld gehen und dann in offene Fallen hineingeraten“.

Die anderen beiden Kandidaten äußerten sich ähnlich über Kampfdrohnen. „Das erste ist, man muss sie anschaffen.“ Danach könne „man diskutieren unter welchen Kriterien setzt Deutschland sie ein“, erklärte Laschet. Scholz antwortete auf die Frage, ob in der nächsten Legislaturperiode „die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr beschlossen“ werde, ebenfalls eindeutig: „Ich sage ausdrücklich, meine Haltung ist: Wir haben die Eurodrohne auf den Weg gebracht.“

Trotz der Eskalation der Gewalt in Mali, das sich immer mehr zu einem zweiten Afghanistan entwickelt, sprachen sich die Kandidaten für eine Fortsetzung und mögliche Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in dem rohstoffreichen und geostrategisch zentralen Land aus. Wenn Frankreich „seine Strategie ändert“, müsse erneut diskutiert werden, „was kann dann der deutsche Beitrag sein“, forderte Laschet. Man müsse „die Bereitschaft haben, wenn die Sicherheit so bedroht ist, dass man mehr machen muss, dass man dann auch mehr tut“.

Baerbock betonte: „Wir sind das größte Land in der europäischen Union, und deshalb braucht Deutschland eine Haltung zu solchen Auslandseinsätzen.“ Sie und die Grünen hielten den UN-Einsatz Minusma, an dem aktuell bis zu 650 Bundeswehrsoldaten beteiligt sind, „weiterhin für richtig“. Den Ausbildungseinsatz der Europäischen Union EUTM Mali kritisierte sie als zu wenig robust. Die Grünen unterstützten ihn nicht mehr aktiv, weil er „die Sicherheit unserer Soldaten nicht entsprechend mit berücksichtigt“.

Im Verlauf der Diskussion wurden wiederholt Fragen von internationalen Militärs und Regierungspolitikern an die Kandidaten eingespielt – darunter vom früheren US-General und CIA-Direktor David Petraeus, vom ehemaligen polnischen Außen- und Verteidigungsminister Radek Sikorski und vom amtierenden ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Sie sollten suggerieren, dass die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Verteidigungspolitik international nicht nur erwünscht sei, sondern nachdrücklich gefordert werde.

Tatsächlich reagiert der deutsche Imperialismus mit dieser aggressiven Politik auf die Widersprüche des kapitalistischen Systems. Wie im vergangenen Jahrhundert versucht er, sich gewaltsam Märkte, Rohstoffe, strategischen Einfluss und Weltmacht zu sichern.

Die gesamte Diskussion zeigte, in welchem Ausmaß Militarismus und Krieg wieder die deutsche Politik dominieren. Scholz plädierte für weitere Waffenlieferungen an Israel, dessen Streitkräfte erst vor wenigen Wochen den Gaza-Streifen in Schutt und Asche gelegt hatten. Laschet sprach sich für eine stärkeres deutsches Eingreifen im Libanon und im gesamten Mittelmeerraum aus, und Baerbock forderte am lautesten ein aggressiveres Vorgehen gegen Russland und China.

Deutschland hat vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, die Sowjetunion überfallen und mit einem fürchterlichen Vernichtungskrieg überzogen, in dessen Verlauf mindestens sechs Millionen Juden systematisch ermordet wurden und 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben verloren. Heute würde ein Krieg der Nato gegen die Atommacht Russland das Überleben der gesamten Menschheit in Frage stellen. Wie groß diese Gefahr ist, zeigt die jüngste Konfrontation zwischen einem britischen Kriegsschiff und russischen Streitkräften im Schwarzen Meer.

All das hielt die grüne Kanzlerkandidatin nicht davon ab, Russland militärisch zu drohen. Sie forderte „schnell verlegbare Einheiten Richtung Osteuropäer“ und bekräftigte die Forderung ihrer Partei nach Waffenlieferungen an die Ukraine. Im Gegensatz zu Scholz und Laschet sprach sie sich für einen sofortigen Baustopp der fast fertig gestellten Pipeline Nord Stream 2 aus.

Auch in Bezug auf China forderte Baerbock einen aggressiveren Kurs. „Wir müssen Dialog und Härte zeigen“, erklärte sie. Natürlich sei „China für unseren Export und Import zentral mit Blick auf die Arbeitsplätze in Deutschland und mit Blick auf unseren Wohlstand. Und das gleiche gilt für Russland.“ Man könne aber „keinen rein wirtschaftlichen Kurs fahren und in schöner Prosa sagen, Menschenrechte sind uns wichtig, aber wenn es darauf ankommt eben nicht entsprechend handeln“.

Die ehemaligen Pazifisten der Grünen sind Experten darin, die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik unter dem Deckmantel von Demokratie und Menschenrechten voranzutreiben. In Wirklichkeit geht es um nackte imperialistische Interessen.

„Eine klare Haltung bei Werten dient auch unseren europäischen Industrien und Arbeitsplätzen“, erläuterte Baerbock. „Selbst der BDI sagt, wir müssen mit Blick auf Menschenrechte und internationale Wettbewerbsfähigkeit beides fahren: Dialog und Härte.“ Mit „Blick auf China“ bedeute dies, „europäische Souveränität nicht nur als Wort vor sich herzutragen, sondern zu definieren“.

Wie am Vorabend der Ersten und Zweiten Weltkriegs verfolgt die herrschende Klasse das Ziel, Europa unter deutscher Vorherrschaft zu organisieren, um ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Ziele im Wettstreit mit den anderen Großmächten durchzusetzen. Alle drei Kandidaten erklärten, dass sie sich in der EU für qualifizierte Mehrheiten bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen einsetzen werden. Auf diese Weise wollen sie deutschen Interessen schneller und aggressiver Nachdruck verleihen, auch gegenüber den USA.

„Die USA haben gesagt ‚America is back‘ – und darauf braucht es eine europäische Antwort“, brachte Baerbock den Anspruch der herrschenden Klasse auf den Punkt. Laschet pflichtete ihr bei. Auch Scholz forderte „ein Bekenntnis zur weiteren Integration Europas und der europäischen Souveränität“. Das dürfe aber „nicht so eine Sonntagsrede sein“. Wenn man „über europäische Souveränität“ rede, dann gehe es „darum, dass Hard Power für Europa ein wichtiges Thema wird“.

Im Verlauf der Diskussion lieferten sich die Kandidaten einen regelrechten Wettstreit darüber, wer der beste Militarist sei und Deutschland am schnellsten hochrüsten und kriegsbereit machen könne. Scholz warf der CDU/CSU und FDP vor, „dass mit dem Beginn der schwarz-gelben Bundesregierung so etwas wie eine Sparzeit begonnen hat und gerade der Rüstungshaushalt als Spardose für die öffentlichen Finanzen benutzt worden ist“. Es sei „eine schlechte Zeit für die Bundeswehr“ gewesen.

Dies habe sich vor allem dank ihm geändert. „Gerade in der Zeit, in der ich Bundesminister der Finanzen gewesen bin, haben wir eine erhebliche milliardenschwere Steigerung des Verteidigungshaushaltes auf jetzt über 50 Milliarden Euro zustande gebracht,“ prahlte er. „Die gewaltige Steigerung der letzten Jahre ist die Grundlage, auf der man aufbauen muss, und sie darf auch nicht in Frage gestellt werden.“

Laschet wies darauf hin, dass es bereits „viele Orte auf der Welt“ gebe, „wo Deutschland an UN-Missionen beteiligt ist“. Dennoch müsse man „die Bereitschaft haben, mehr zu tun“ und den Militärhaushalt auf das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel zu erhöhen. Man habe das „als Perspektive zugesagt“ und müsse daran „festhalten“. Auch unsere Bundeswehr müsse man „besser machen und das auch innenpolitisch durchsetzen“.

Das ist in doppelter Hinsicht eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse und die Jugend. Sie müssen die Kriegskosten gleich in mehrfacher Hinsicht tragen – als Kanonenfutter auf den Schlachtfeldern und in Form von weiteren Angriffen auf ihre demokratischen und sozialen Rechte. Seit 2014 hat die Große Koalition den Verteidigungsetat bereits von 32 Milliarden auf über 50 Milliarden Euro (etwa 1,5 Prozent des BIP) erhöht. Selbst beim gegenwärtigen – wegen der Corona-Pandemie verhältnismäßig niedrigen – Wirtschaftswachstum bedeutet das Zwei-Prozent-Ziel eine Erhöhung des Militäretats um weitere 20 Milliarden Euro.

Auch in dieser Frage trat Baerbock am aggressivsten auf. Ihre rhetorische Kritik am Zwei-Prozent-Ziel kommt von rechts. Sie unterstütze den „Grundtenor des Zwei-Prozent-Ziels“, nämlich „dass sich die Europäer mehr um ihre eigene Sicherheit kümmern“. Eine abstrakte Fixierung auf die zwei Prozent sei aber nicht ausreichend, um die notwendige militärische Schlagkraft zu erreichen. Das hätten „nicht nur die Grünen, sondern auch hochrangige Militärs, auch andere Nationen festgestellt“.

Das Triell ist eine Warnung. Unabhängig davon, wer nach den Wahlen Angela Merkel (CDU) als Kanzlerin beerbt und welche Parteien zusammen regieren, wird die nächste Bundesregierung die rechte Politik der Großen Koalition verschärfen. Dass alle kapitalistischen Parteien – darunter auch Die Linke, die um ein rot-rot-grünes Bündnis mit Scholz und Baerbock buhlt – bereit sind, über Leichen zu gehen, hat sich bereits in der Pandemie gezeigt. Ihre „Profite vor Leben“-Politik hat in Deutschland mehr als 90.000 Menschen den Tod gebracht.

Die SGP ist die einzige Partei, die dieser mörderischen Entwicklung entgegentritt und die weit verbreitete Opposition gegen Militarismus und Krieg mit einem sozialistischen Programm bewaffnet. In unserem Wahlaufruf heißt es: „Inmitten der Corona-Pandemie bereiten sich alle Großmächte auf neue Kriege vor, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen… Millionen sollen sterben, um die imperialistischen Interessen der deutschen Finanzelite mit militärischer Gewalt zu verfolgen. Wir fordern: Sofortige Beendigung aller Auslands- und Kriegseinsätze! Auflösung der Nato und der Bundeswehr! Milliarden für Bildung und Arbeit statt Rüstung und Krieg!“

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