Im Werksverbund Bebra–Mühlhausen der Continental-Tochter Vitesco ist die Urabstimmung angelaufen. Wie schon in den Conti-Werken in Aachen, Regensburg, Babenhausen, Rheinböllen, Karben und anderswo hat die IG Metall zusammen mit dem Management einen sogenannten Sozialtarifvertrag ausgehandelt, der das Schicksal eines weiteren Conti-Standorts besiegelt und mindestens 400 weitere Arbeitsplätze liquidiert.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und die World Socialist Web Site rufen alle Arbeiter von Bebra und Mühlhausen auf, mit „Nein“ zu stimmen und den neuerlichen Ausverkauf durch die IG Metall und ihren Betriebsrat zurückzuweisen! Gleichzeitig bieten wir den Beschäftigten an, aktiv am Aufbau eines Aktionskomitees teilzunehmen, um den bereits beschlossenen Streik zu organisieren und ihn zum Ausgangspunkt für eine breite Mobilisierung der Conti-Arbeiter an allen Standorten zu machen.
Vor zwei Wochen haben die Belegschaften in Bebra und Mühlhausen zu fast 92 Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt. Dieser Streikbeschluss zeigte die Kampfbereitschaft und Entschlossenheit der Beschäftigten alle Arbeitsplätze zu verteidigen. In Mühlhausen hatten einige Arbeiter schon im Januar durch mutige Aktionen, den Abtransport von Maschinen verhindert. Auch damals ging es um die Verteidigung der Arbeitsplätze.
Doch die IG Metall weigerte sich den Streik zu organisieren und setzte die Verhandlungen fort. Jetzt legt sie ein Verhandlungsergebnis vor, das die schrittweise Vernichtung der Arbeitsplätze und die Werkschließung in Mühlhausen beinhaltet, sich also vollständig gegen die ursprüngliche Forderung der Beschäftigten richtet.
Wie immer arbeitet die IG Metall dabei mit den bekannten Tricks. Sie hält den genauen Wortlaut der Vereinbarung geheim, veröffentlicht in Absprache mit der Unternehmensleitung nur Auszüge, versucht das Ergebnis schönzureden und die Beschäftigten mit angeblich hohen Abfindungen für Langzeitbeschäftigte zu spalten. Gleichzeitig droht sie unverhohlen damit, dass eine Ablehnung des Ausverkaufs zu betriebsbedingten Massenkündigungen und Werkschließungen ohne Sozialplan führen würden.
Mit dieser Erpressung versuchen die IG Metall und ihr Betriebsrat, die Entscheidung der Konzernleitung und der steinreichen Oligarchenfamilie Schaeffler weltweit 30.000 Arbeitsplätze abzubauen und mehrere Werke zu schließen gegen den Widerstand der Beschäftigten durchzusetzen. Nach genau diesem Muster wurde bereits in den Conti-Werken in Aachen, Regensburg, Babenhausen, Rheinböllen, Karben und in vielen andern Betrieben massiver Arbeitsplatzabbau und Stilllegungen organisiert.
Es ist an der Zeit, die Kette dieser fortlaufenden Stilllegungen und Arbeitsplatzmassaker zu zerreißen und bei der Abstimmung, die noch bis 5. August laufen wird, deutlich mit „Nein“ zu stimmen.
Dabei ist notwendig, den Lügen der IG Metall entgegenzutreten, die behauptet, das Verhandlungsergebnis sei für alle Beteiligten das Beste, mehr könne nicht erreicht werden. Die Gewerkschaft brüstet sich damit, dass es ihr gelungen sei, die Stellenstreichung auf 200 Arbeitsplätze zu reduzieren und die Schließung des Mühlhausener Werks auf Ende 2024 zu verschieben.
Fakt ist: Das Werk in Mühlhausen mit 150 Beschäftigten wird nicht erhalten, sondern in spätestens drei Jahren komplett geschlossen und diese Schließung wird bereits jetzt eingeleitet. Schon Ende nächsten Jahres sollen in Mühlhausen nur noch 88 Beschäftigte übrig bleiben, die dann im Wesentlichen den Betrieb abwickeln müssen.
In Bebra sollen die Arbeiter selbst die Weichen für die sogenannte „Transformation“ stellen, bei der mehrere hundert weitere Arbeitsplätze vernichtet werden. In einer Conti-Mitteilung heißt es, in Bebra soll „die Belegschaft den Umsatzerwartungen im Bereich der Verbrenner-Technologien angepasst“ werden. Laut Zahlen der IG Metall sollen hier von 800 Arbeitsplätzen bis 2025 noch 550 übrigbleiben. In Bebra und Mühlhausen zusammen werden also 400 Arbeitsplätze zerstört – und nicht 200, wie die IG Metall behauptet.
Mit einer „Ja“-Stimme wird nichts erreicht. Die Arbeitsplatzvernichtung setzt den sozialen Niedergang fort und treibt immer mehr Familien in Armut und Not. Allein im vergangenen Jahr mussten 40 Prozent der Beschäftigten Einkommensverluste hinnehmen. 13 Millionen Menschen lebten in Armut, die höchste Zahl seit der Wiedervereinigung. Auf der anderen Seite wächst die Zahl der Milliardäre. Eine Abfindung ist kein Ausweg. Sie ist schnell aufgebraucht und wird im Fall von Hartz-IV angerechnet. Jugendliche finden keine Arbeit und haben keine Zukunft.
Mit einer „Nein“-Stimme kann der Widerstand gegen den gewerkschaftlichen Ausverkauf beginnen.
Der Streikbeschluss der vergangenen Wochen hat deutlich gemacht: Die Arbeiter wollen kämpfen. Doch die Entwicklung zeigt, dass es nicht möglich ist die Angriffe der Konzerne zurückzuschlagen, ohne mit den Gewerkschaften zu brechen. In den vergangen Jahrzehnten haben sich die Gewerkschaften in Co-Manager verwandelt, die vollständig auf der Seite der Konzernleitung stehen. Sie vertreten nicht die Arbeiter, sondern die Unternehmer. Sie unterdrücken den Klassenkampf, während sich die Superreichen auf Kosten der Arbeiter die Taschen vollstopfen.
Dafür werden die Gewerkschaftsfunktionäre selbst fürstlich bezahlt. Die Liste der so genannten Arbeitnehmervertreter, die im Aufsichtsrat von Continental fette Tantiemen kassieren, ist lang. Dazu gehören neben Christiane Benner (stellvertretende IG Metall-Vorsitzende) auch Hasan Allak (Gesamtbetriebsratsvorsitzender), Francesco Grioli (Mitglied des IG BCE-Vorstands), Michael Iglhaut (Betriebsratsvorsitzender von Conti/Teves in Frankfurt), Dirk Nordmann (Betriebsratsvorsitzender Conti-Vahrenwald), Lorenz Pfau (Gesamtbetriebsratsvorsitzender Conti-Automotive), Jörg Schönfelder (Vorsitzender des Euro-Betriebsrats) und Kirsten Vörkel (Betriebsratsvorsitzende Vitesco Dortmund). Arbeiterinteressen können nur gegen diese Co-Manager vertreten werden.
Eine „Nein“-Stimme ist ein wichtiger Schritt im Kampf für eine neue Strategie und ein neues Programm zur Verteidigung aller Arbeitsplätze. Viele Arbeiter an allen Standorten von Continental und darüber hinaus in anderen Autowerken würden eine solche Entscheidung begeistert begrüßen. Überall sind Arbeiter mit den selben Angriffen und Problemen konfrontiert.
Das Arbeitsplatzmassaker bei Continental ist Bestandteil einer internationalen Offensive der Konzerne, die sich mit der Corona-Pandemie weiter verschärft hat. Allein in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie stehen mehrere hunderttausend Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Dagegen entwickelt sich wachsender Widerstand. Die Conti-Arbeiter sind nicht allein. Auch ihr Konflikt mit der IG Metall ist Teil einer internationalen Entwicklung. Überall, wo sich Arbeiter zur Wehr setzen, sind sie neben den Unternehmen auch mit Gewerkschaften konfrontiert, die ihren Kampf sabotieren, isolieren und gemeinsame Front mit den Unternehmen machen.
In Belgien kämpfen Arbeiter von Volvo Cars gegen eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und der Gewerkschaft zur Verlängerung der Arbeitswoche. Im kanadischen Sudbury haben 2450 Bergarbeiter einen von der Gewerkschaft unterstützten Vertrag abgelehnt und streiken seit zwei Monaten. In der Türkei kämpfen tausende Stromarbeiter mit spontanen Streiks gegen Ausverkaufsverträge, denen die Gewerkschaft zugestimmt hat.
Besonders beispielhaft ist der Arbeitskampf im amerikanischen Werk von Volvo Trucks, dem viertgrößten Lastwagenhersteller der Welt. Die 3000 Arbeiter in Dublin (Virginia) streikten fünf Wochen gegen einen Tarifvertrag, der ihre Arbeitsbedingungen und Löhne erheblich verschlechtert. Viermal haben sie mit großer Mehrheit einen Tarifvertrag niedergestimmt, den die amerikanische Schwesterorganisation der IG Metall, die UAW, vereinbart hatte.
Die Arbeiter konnten ihren Kampf nur führen, weil sie ein unabhängiges Aktionskomitee, das Volvo Workers Rank-and-File Committee, aufgebaut haben, das sich dem Ausverkauf durch die Gewerkschaft widersetzte, die Arbeiter informierte und Unterstützung mobilisierte. Die UAW hat zwar zwischenzeitlich eine Rückkehr an die Arbeit durchgesetzt, aber das Arbeiterkomitee hat gezeigt, wie der Kampf geführt werden muss. Es hat Verbindungen zu anderen Werken in den USA und weltweit hergestellt und damit eine klare strategische Alternative zu der gemeinsamen Front aus Unternehmen und Gewerkschaft aufgezeigt.
Auch Arbeiter in Bebra und Mühlhausen, die ihre Arbeitsplätze verteidigen wollen, müssen ein Aktionskomitee aufbauen, das unabhängig von IG Metall und Betriebsrat ist, von den Arbeitern kontrolliert wird und ihnen gegenüber verantwortlich ist.
Ein solches Komitee würde die „Nein“-Kampagne anführen, den bereits beschlossenen Streik organisieren, Kontakt zu allen anderen Standorten aufnehmen, um den Streik auszuweiten und im In- und Ausland Unterstützung in der gesamten Arbeiterklasse mobilisieren.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale, dessen deutsche Sektion die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ist, hat am 1. Mai die Initiative zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ergriffen, um einen Rahmen für neue Formen unabhängiger und demokratischer Kampforganisationen von Arbeitern in Fabriken, Schulen und Betrieben auf internationaler Ebene zu schaffen.
Wir laden alle Conti-Arbeiter ein, über die Sozialistische Gleichheitspartei und die WSWS Kontakt zur Internationalen Arbeiterallianz aufzunehmen. Wir werden sie beim Aufbau eines Aktionskomitees und dem Knüpfen internationaler Kontakte aktiv unterstützen.