Die neue Solidarität der IG Metall: Lohnsenkung und Sozialabbau für alle

Ford-Gesamtbetriebsrat bietet Zugeständnisse an allen deutschen Standorten an

Seit die IG Metall-Betriebsräte dem „Bietergefecht“ zwischen den Ford-Standorten Saarlouis und Almussafes in der spanischen Provinz Valencia zugestimmt haben, bieten sie Lohnsenkungen, längere Arbeitszeiten, kürzere Pausen, unbezahlte Mehrarbeit und weitere Sozialkürzungen an. Ihre Bereitschaft alles aufzugeben, was frühere Generationen von Arbeitern in oft langen, bitteren Streiks und Auseinandersetzungen erkämpft haben, kennt keine Grenzen.

Ende Januar reichten die beiden Betriebsräte von Ford-Saarlouis und Ford-Almussafes ihre Verzichtsangebote ein und erklärten sich gleichzeitig zu Verhandlungen über weitere Zugeständnisse bereit. Der IGM-Betriebsrat betonte, bei seinem Angebot handle es sich nur um einen „Zwischenstand“, weitere Kürzungen seien durchaus möglich.

In der vergangenen Woche machte die Zeitung El Periódico de España dann darauf aufmerksam, dass die deutschen Ford-Betriebsräte ihr Kürzungsangebot auf die Beschäftigten an allen deutschen Standorten ausgedehnt haben. Die „Opfer“, so die spanische Zeitung, würden „auf die gesamte Belegschaft im Land ausgedehnt“.

Die Zeitung berief sich auf eine Information des deutschen Gesamtbetriebsrats (GBR) vom 9. Dezember, in der es heißt: „Uns wurde schon ziemlich deutlich gesagt, dass Valencia hinsichtlich der Personalkosten erhebliche Vorteile gegenüber unserem Werk habe. Auch deshalb haben wir als Gesamtbetriebsrat und einstimmig mit allen Standortbetriebsräten dem Europamanagement schriftlich mitgeteilt, dass wir in Deutschland gemeinsam antreten, mit allen Kolleginnen und Kollegen, um das Werk in Saarlouis zu retten. Saarlouis allein hätte in diesem ungleichen Wettbewerb keine Chance, das können wir nur im Schulterschluss schaffen.“ (Hervorhebung im Original)

Dass der deutsche Gesamtbetriebsrat an allen deutschen Standorten Kürzungen anbietet, wird durch einen Brief bestätigt, den sechzehn Betriebsräte dem europäischen Ford-Chef Stuart Rowley am 18. November 2021 persönlich übergaben. Darin heißt es unter Punkt 2, die Wettbewerbsfähigkeit in Saarlouis könne nur verbessert werden, wenn alle deutschen Standorte gemeinsam dafür einträten. Die Betriebsräte würden keine Spaltung der Belegschaft akzeptieren und „einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten“.

Dann folgt die Aufforderung an Rowley: „Wir erwarten, dass Sie diesen auch akzeptieren und sich zu 100% dem Total-Cost-Ansatz verpflichtet fühlen. Wo der Dollar letzten Endes herkommt, muss egal sein.“

Die GBR-Information ist eine politische Bankrotterklärung des Betriebsrats und der IG Metall. Unter der Überschrift „Solidarität für Saarlouis – Zukunft für alle!“ beteuert der bisherige GBR-Vorsitzende Martin Hennig, man werde nicht zulassen, dass ein weiteres Werk von Ford in Europa „einfach sang und klanglos“ abgewickelt werde. Es folgt die Ankündigung: „Wir kämpfen!“.

In Wirklichkeit besteht die „Solidarität“ darin, dass alle Ford-Arbeiter gemeinsam zur Schlachtbank geführt werden. Es ist die Solidarität der Lakaien und Komplizen des Managements und der Konzernchefs. So argumentieren korrupte Bürokraten, die seit Jahren in den Aufsichtsräten sitzen und neben ihren üppigen Betriebsratsgehältern auch noch fette Aufsichtsratstantiemen kassieren. Ihre Argumente unterscheiden sich nicht von jenen der Konzernleitung. Auch sie ist der Meinung, dass für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Erhöhung der Profite die Arbeiter Opfer bringen müssen.

Der Aufruf des Gesamtbetriebsrats zum gemeinsamen Verzicht entspringt seiner Solidarität mit der Unternehmensleitung. Diese Unterwürfigkeit ermutigt die Vorstände zu immer neuen und immer schärferen sozialen Angriffen.

Arbeitersolidarität ist das genaue Gegenteil. Sie erfordert einen gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten an allen Standorten – in Deutschland, Europa und weltweit – gegen Lohnkürzungen und Sozialabbau.

Eines haben die Prediger des „solidarischen Verzichts“ erreicht: Sie haben den Kampf ausgeweitet.

Mit denselben Argumenten, mit denen sie jetzt Kürzungen an allen Ford-Standorten einfordern, werden auch in anderen Auto-Werken, Zulieferbetrieben und Industriebereichen massive soziale Angriffe vorbereitet. Deutlicher könnte kaum sichtbar werden, dass die Gewerkschaften vollständig auf der Seite der Konzerne stehen und sich in Berater und Handlanger der Konzerne verwandelt haben.

Die Ford-Arbeiter an den anderen deutschen Standorten, vor allem am europäischen Hauptsitz in Köln, dürften überrascht sein, dass auch sie in diesem brutalen Bieterwettbewerb mit Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen zahlen sollen.

Das Vorgehen der Betriebsräte stößt an allen Standorten auf den Widerstand und den Hass der Arbeiter. Deshalb hält der GBR alle Informationen über sein Kürzungsangebot geheim.

In Spanien wurden dagegen Anfang der Woche einige Details bekannt. Der öffentlich-rechtliche Sender À Punt teilte mit, der Plan für das Ford-Werk in Almussafes sehe eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit um 15 Minuten, die Einführung von Samstagsarbeit an bis zu 18 Tagen im Jahr, die Einrichtung einer flexiblen Nachtschicht und einen Teilverzicht auf Lohnsteigerungen bis 2025 vor.

Das versucht der deutsche Betriebsrat nun zu unterbieten. Er hat weitere Verhandlungen angekündigt.

Am Dienstag teilte der GBR in einer neuen Info mit, er werde keine Informationen bekannt geben. „Die Verschwiegenheitserklärung gilt weiter“, der GBR werde sich daran halten. Es dürfe nicht riskiert werden, „dass durch Indiskretionen Nachteile für Saarlouis“ entstünden.

Der wahre Grund für die Geheimhaltung ist die Angst des Betriebsrats vor dem Widerstand der Arbeiter, wenn der Inhalt ihres Kürzungsangebots bekannt wird.

Denn die Erpressung geht weiter. Obwohl beide Betriebsräte im Europa-Betriebsrat vertreten sind, spielen sie die Belegschaften weiter systematisch gegeneinander aus. Beide Seiten beäugen sich misstrauisch und warten jeweils auf einen Fehler der anderen Seite.

Die spanische Mehrheitsgewerkschaft UGT berichtet, der Vorschlag aus Saarlouis sei nicht eindeutig. Sie warnt, dies sei so, damit das deutsche Angebot noch abgeändert werden könne, sobald Einzelheiten des Vorschlags aus Almussafes öffentlich bekannt werden.

Worauf dieser gegenseitige Unterbietungswettbewerb hinausläuft, ist bekannt. Als der Ford-Konzern 2018/2019 ankündigte, zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europaweit 12.000 Arbeitsplätze abzubauen, waren es die europäischen Gewerkschaften und ihre betrieblichen Vertreter, die den Kahlschlag in die Tat umsetzten.

Seit 2018 seien im Werk bereits 2500 Arbeitsplätze abgebaut worden, erklärt Betriebsratschef Thal in Saarlouis. Er wusste damals schon, dass die Absichtserklärung, den Produktionsstandort auch über 2025 hinaus aufrechtzuerhalten nur eine Beruhigungspille für die Beschäftigten war. In Wahrheit sind alle Vereinbarungen und „Versprechen“ das Papier nicht wert, auf denen sie geschrieben sind. Nur diese Ziele zählen: Gewinn, Aktienkurs und Aktionärsdividende.

Der weltweite Arbeitsplatzabbau bei Ford dient einzig und alleine der Bereicherung der Investoren und des internationalen Geldadels.

Ende letzter Woche berichtete der Weltkonzern, dass sich sein Gewinn 2021 auf zehn Milliarden Dollar vervierfacht habe. Zählt man den Börsengang der Elektroauto-Tochter Rivian mit hinzu, beläuft sich der Reingewinn im vergangenen Jahr auf 17,9 Milliarden Dollar. Noch ein Jahr zuvor, 2020, hatte Ford einen Verlust von 1,3 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Auch für das laufende Jahr stellte Konzernchef Jim Farley eine Gewinnsteigerung in Aussicht. Er erwarte bis zu 12,5 Milliarden Dollar Profit, eine Steigerung um 25 Prozent. Einen nicht geringen Anteil dürften die Arbeiter in Europa aufgrund des aktuellen Bieterwettbewerbs beisteuern.

Mehrere Ford-Arbeiter in Saarlouis – unterstützt von Kollegen in Köln – haben die Initiative ergriffen, sich unabhängig von Betriebsrat und IG Metall zu organisieren, Kontakt mit den spanischen Arbeitern aufzunehmen und ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen und abzustimmen.

Sie fordern den sofortigen Stopp des Bieterwettbewerbs, die Offenlegung aller bisher gemachten Vereinbarungen oder Absichtserklärungen und die Zurücknahme aller bereits gemachten Zugeständnisse.

Arbeiter, die unter Solidarität die gegenseitige Verbundenheit und einen koordinierten, gemeinsamen Kampf zur Verteidigung von Löhnen und Sozialstandards verstehen, Arbeiter, die gegen die Spaltungsversuche der Gewerkschaften in Deutschland wie in Spanien aktiv werden wollen, meldet Euch. Nehmt teil am Aufbau des Aktionskomitees:

WhatsApp: +491633378340

Mail: auto@gleichheit.de

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