Widerwärtige Heuchelei in Wimbledon: Sperre für russische und belarussische Tennisspieler

Am Montag begann in London das 135. Wimbledon-Tennisturnier ohne russische oder belarussische Teilnahme. Der Traditionsverein All England Lawn Tennis and Croquet Club (AELTC) hatte im April angekündigt, er werde dem Anspruch der britischen Regierung entsprechen und sich an der chauvinistischen Hetzkampagne beteiligen, die dazu beiträgt, den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland zu rechtfertigen.

Aufgrund der Sperre für russische und belarussische Spieler können fünf der 100 besten Spieler – fünf Russen (Daniil Medwedew, Andrei Rublew, Karen Chatschanow, Aslan Karatzew) und der Belarusse Ilja Iwaschka – nicht teilnehmen. Medwedew, der amtierende Champion der US Open, gilt derzeit als weltweit bester Spieler, Rublew steht auf Rang acht.

Elf der 100 besten Spielerinnen – acht Russinnen (Daria Kasatkina, Veronika Kudermetowa, Ekaterina Alexandrowa, Ludmilla Samsonowa, Warwara Gratschewa, Anna Kalinskaja, Anastasia Potapova, Ansastia Pawljutschenkowa) und drei Belarussinnen (Aryna Sabalenka, Wiktoria Asarenka und Aliaksandra Sasnowitsch) – dürfen ebenfalls nicht teilnehmen. Sabalenka, die es letztes Jahr ins Halbfinale von Wimbledon geschafft hat, steht auf Platz sechs der Weltrangliste, Kasatkina auf Platz 13, Kudermetowa auf Platz 19 und Asarenka auf Platz 20.

Daniil Medwedew im Jahr 2020 [Photo by Rob Keating / CC BY 4.0]

Selbst aus der Elite der Tenniswelt kam viel Kritik an der Sperre der Spieler. Damit die russischen und belarussischen Spieler nicht bestraft werden, haben die Tennisverbände ATP (Association of Tennis Professionals, für Männer) und die Women's Tennis Association (das Äquivalent für Frauen) zusammen mit dem International Tennis Federation Wimbledon in diesem Jahr die Ranglistenpunkte entzogen und es zu einem „Schauturnier“ herabgestuft, wie es ein Kommentator formulierte. Die Preisgelder in Höhe von 40 Millionen Pfund haben jedoch einen Großteil der Spitzenspieler dennoch zur Teilnahme bewogen.

Aktuelle und ehemalige Tennisstars wie Novak Djokovic, Billie Jean King, Martina Nawratilowa, Patrick McEnroe und Sloane Stephens sprachen sich gegen die Sperre aus.

Der Serbe Djokovic, der sich als „Kind des Krieges“ bezeichnet, womit er die blutigen Konflikte auf dem Balkan in den 1990ern meint, erklärte, er sehe nicht, inwieweit russische und belarussische Spieler „zu irgendetwas von dem, was wirklich passiert, beigetragen haben. (...) Ich halte es für unfair.“ Sloane Stephens, Mitglied des WTA-Spielerrats, ehemalige Nummer drei der Weltrangliste und Siegerin der US Open im Jahr 2017, verteidigte die Entscheidung, Wimbledon die Ranglistenpunkte zu entziehen, mit der Begründung: „Diskriminierung wird niemals toleriert“.

Aryna Sabalenka in Wimbledon im Jahr 2018 [Photo by si.robi / CC BY-SA 4.0]

Die Entscheidung des All England Club strotzt vor Scheinheiligkeit. Der Vorstandsvorsitzende Ian Hewitt erklärte gegenüber ESPN, die Sperre russischer und belarussischer Spieler ginge „über die Interessen des Tennissports“ hinaus und sei „von den Richtlinien beeinflusst, die die Regierung uns in dieser Hinsicht gegeben hat“.

Hewitt erklärte gegenüber ESPN, angesichts der Prominenz des Turniers, „ist es uns sehr wichtig, dass Wimbledon (...) in keiner Weise von der Propagandamaschinerie benutzt werden sollte, die die russische Regierung bekanntlich in Bezug auf ihre eigene Bevölkerung und die Darstellung ihrer Position in der Welt einsetzt. (...) Wir wollten einfach nicht zulassen, dass der Erfolg oder die Teilnahme in Wimbledon auf diese Weise missbraucht wird.“

Das Putin-Regime hat schlimme Verbrechen begangen, und seine reaktionäre Invasion in der Ukraine gehört bestimmt dazu. Sie hat den USA und ihren Gangster-Verbündeten in Europa den Anlass geliefert, in den Konflikt einzugreifen, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen und die Welt an den Rand eines Atomkriegs zu drängen.

Doch wie hat das Wimbledon-Turnier in der Vergangenheit auf ähnlich „tragische Situationen“ (Hewitt) wie die in der Ukraine reagiert?

Zuerst muss man darauf hinweisen, dass schwarze Spieler erst ab 1951 im All England Club spielen durften, Juden erst ab 1952. Die 2020 verstorbene britisch-jüdische Wimbledon-Doppelsiegerin von 1956 Angela Buxton (zusammen mit der Afroamerikanerin Althea Gibson), sagte 2004 einem Reporter, sie sei auch fast 50 Jahre nach ihrem Triumph noch nicht zum Beitritt in den Club eingeladen worden. Seit ihrer ersten Bewerbung in den 1950ern stehe sie auf der „Warteliste“.

Seit dem ersten Wimbledon-Turnier in den 1870ern haben die britische herrschende Klasse und ihr Militär Invasionen, Besetzungen, Massaker und zahlreiche Gräueltaten in vielen Teilen der Welt verübt, u.a. in Indien, Irland und Kenia. Sie alle zu nennen, würde ein Dutzend Artikel dieser Länge erfordern. Über den britischen Imperialismus schrieb einst der große Marxist Leo Trotzki: „[D]ie Methoden (…) der Bestechung, der Überredung, des Schwindels und die kolonialen Methoden des Blutvergießens der Scheinheiligkeit und aller Arten der Schurkerei – alle diese Waffen waren in dem reichen Arsenal der regierenden Clique des größten Imperiums gleicherweise vertreten.“

Da Großbritannien zu einer untergeordneten Macht reduziert worden ist, agieren die britischen Machthaber seit einigen Jahren als willige Verbündete der USA bei immer neuen, massiven Verbrechen u.a. im Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien. Hat sich der All England Club jemals gegen eine einzige dieser Gräueltaten ausgesprochen oder darauf reagiert? Die Frage ist natürlich rein rhetorisch.

Der Club, dessen Vorstand aus der üblichen Ansammlung von millionenschweren Unternehmern, reichen Anwälten und Adligen besteht, und dessen geistiges Niveau von der Duchess of Cambridge (Kate Middleton) bestimmt wird, hat sich bereitwillig und ohne mit der Wimper zu zucken, zum Werkzeug der verhassten Boris-Johnson-Regierung und ihrer schmutzigen Außenpolitik gemacht. Mehr muss man dazu nicht sagen.

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