Ford Saarlouis: Die Opposition gegen den Betriebsrat nimmt zu

Das Interesse der Beschäftigten an der Betriebsversammlung von Ford Saarlouis am Donnerstag war gering. Obwohl Ford-Deutschland-Chef Martin Sander sein Kommen angekündigt und der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal vorab erklärt hatte, er werde ein „klares Zukunftskonzept“ einfordern, waren weniger Arbeiter als sonst anwesend.

WSWS-Reporter waren ab der Frühschicht den ganzen Tag an den Toren und sprachen mit Arbeitern, die rein und raus gingen. Auf die Frage, was sie von der Betriebsversammlung erwarten, war die häufigste Antwort: „Nichts!“ Einige Angesprochene fügten hinzu, dass sie deshalb auch nicht hingehen würden.

WSWS-Reporter beim Verteilen von Flugblättern an Ford-Arbeiter in Saarlouis

„Wir sind einfach nur stinke sauer!“; „Die stecken alle unter einer Decke“; „Wir werden von allen Seiten nach Strich und Faden belogen, und ich betone, von allen Seiten, auch vom Betriebsrat“; „Das muss ich mir nicht antun. Dieses ewige Gerede von einem Zukunftsplan, während sie in Wahrheit unsere Zukunft zerstören, das kann ich nicht mehr hören.“ So und ähnlich klangen die Kommentare.

Einige Arbeiter antworteten auf die Frage, warum sie nicht in der Versammlung seien, indem sie ihr Misstrauen in den Betriebsrat äußerten: „Ich habe genug von diesem Gerede“; „Alles ist Betrug“; „Ich bin nicht so naiv, das zu glauben“; „Ich trinke lieber einen Kaffee, da ist die Zeit sinnvoller genutzt.“

Ein anderer Arbeiter erinnerte an die Schließung des Ford-Werks im belgischen Genk im Jahr 2014, bei der 4300 Arbeitsplätze vernichtet wurden. Er sagte: „Damals blieben nur 300 Arbeiter übrig, und die hatten die Aufgabe, das Werk abzubauen. Ich gehe davon aus, dass es hier nicht anders laufen wird. Am Ende wird auch das Presswerk geschlossen werden, um das komplette Gelände verkaufen zu können.“

Thorsten, ein junger Arbeiter, drückte aus, was viele denken. Die Stilllegungsentscheidung habe ihn vor einem Monat wie ein Schlag getroffen. „Ich arbeite hier mit meiner Frau seit mehr als 15 Jahren. Wir haben vor kurzem ein Haus gebaut und müssen Kreditraten bezahlen.“ Er ist nicht der Einzige, fast die gesamte junge Generation hat alle Arten von Verpflichtungen.

Die WSWS-Reporter verteilten einen Artikel, der die Rolle des Betriebsrats als Handlanger und Komplize der Unternehmensleitung aufzeigt und warnt, dass Thal & Co die Sommerpause nutzen wollen, um die Abwicklung des Werks zur organisieren. In dem Artikel heißt es: „Es gibt einen sehr klaren Weg, die Kontrolle des weithin verhassten Betriebsrats und seine mafiösen Methoden zu überwinden: Der Aufbau des Ford-Aktionskomitees zur wirklichen Interessenvertretung der Belegschaft.“

Das Aktionskomitee hatte schon im Januar erklärt, dass Verzicht keinen Arbeitsplatz rettet. Es hatte aufgezeigt, dass aller Verzicht und alle Zugeständnisse, die bereits in der Vergangenheit an vielen Standorten gemacht wurden, nie dazu geführt hatten, dass die Arbeitsplätze gesichert wurden. Im Gegenteil. Der Verzicht leitete eine Spirale nach unten ein, an deren Ende für viele die Arbeitslosigkeit oder Billiglohn-Jobs stehen.

„Wir lehnen die Erpressung und den brutalen Wettbewerb zwischen uns und den anderen Standorten prinzipiell ab. Das gegeneinander Ausspielen führt in die Katastrophe“, erklärte das Aktionskomitee und verlangte schon damals das sofortige Ende der Geheimverhandlungen und die Offenlegung aller Zugeständnisse, die im Rahmen des Bieterwettbewerbs gemacht wurden.

Die Aufrufe des Aktionskomitees und die WSWS-Artikel sind im Werk bekannt und werden von vielen verfolgt und unterstützt. Einige Arbeiter, die am Morgen das Flugblatt mitgenommen hatten, blieben beim Rauskommen stehen und sprachen mit den Reportern. „Ihr habt Recht! Was ihr schreibt ist korrekt und wahr.“ Das war die häufigste Bemerkung.

Jemand, der seinen Namen nicht nennen wollte, stellte sich als Vorstandsmitglied der IG Metall vor und sagte, dass seit der Ankündigung der Schließung immer mehr Arbeiter Thal offen beschuldigten, sie „verraten und verkauft“ zu haben. Ohne es offen zu sagen, deutete er an, dass die Unruhe im Betrieb immer größer werde und er befürchte, es könne zu einer Art Rebellion gegen den Betriebsrat kommen.

Auf der Betriebsversammlung versuchte Ford-Deutschland-Chef Martin Sander, der Belegschaft ein paar Beruhigungspillen zu verabreichen. Es gebe einen strikten Zeitplan, der auch eingehalten werde, sagte er. Die Saarbrücker Zeitung zitiert ihn mit den Worten: „Bis Ende September wollen wir die internen Möglichkeiten unter dem Dach von Ford untersuchen und bewerten.“ Parallel dazu würden Gespräche mit der Landesregierung stattfinden. Auch sollten „erste Besuche von potenziellen Investoren stattfinden“.

„Bis zum Jahresende 2022 wollen wir dann einen ersten konkreten Plan für die Zukunft des Werkes entwickeln“, heißt es in einer „internen Mail“, die der Saarbrücker Zeitung zugeleitet wurde. Darauf aufbauend sei das Ziel, „bis zum Ende des 1. Quartals 2023 das Zukunftskonzept mit ersten potenziellen Investoren, Betriebsrat und Landesregierung zu vereinbaren“. Ende September 2022 will die Taskforce einen Zwischenstand geben.

Betriebsratschef Thal betonte – laut SZ –, es sei sehr zu begrüßen, dass Ford-Chef Sander nun erneut die Beschäftigungsgarantie ausgesprochen habe. „Das ist natürlich sehr wichtig für die Belegschaft. Das sind klare Botschaften“, so Thal. Die Befürchtungen der Belegschaft, dass Ford vor 2025 den Stecker ziehe, sei sehr groß und er sei froh, dass Sander diesen Plan so ankündige. Allerdings müsse er nun „auch liefern“.

Thal warnte, das Ford-Management habe in den vergangenen Wochen „sehr, sehr viel Vertrauen verspielt“. Wobei man hinzufügen muss, dass der Betriebsrat selbst kein Vertrauen mehr in der Belegschaft hat, das er verspielen könnte. Er hat sich durch seine jahrelange Anpassung an die Unternehmensleitung, seine Beteiligung am Bieterwettbewerb und der damit verbunden Erpressung der Beschäftigten vollständig diskreditiert.

Deshalb findet der Aufruf des Aktionskomitees Unterstützung, in dem es heißt: „Heute ist völlig klar, dass die Verteidigung des Werks und der Arbeitsplätze nur gegen die IG Metall und ihre Betriebsräte möglich ist, nicht mit ihnen! Nur durch das aktive Eingreifen der Arbeiter selbst kann verhindert werden, dass das Werk abgewickelt wird, das in über 50 Jahren von mehreren Generationen aufgebaut wurde.“

Die Verbündeten der Ford-Arbeiter in Saarlouis sind weder die IG Metall, der Betriebsrat oder die Landesregierung, sondern die Ford-Kollegen in Valencia, Köln, Craiova, der Türkei, den USA und Indien. Die Arbeiter in Valencia bezahlen die Zusage von Ford, die Produktion dort fortzusetzen, mit massiven Lohnsenkungen, Arbeitsplatzabbau und der Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. All das wurde von den Betriebsräten selbst vorgeschlagen.

Bei den Diskussionen am Werkstor wurde auch darüber gesprochen, dass das Aktionskomitee begonnen hat, die internationale Zusammenarbeit zu entwickeln. Am vergangenen Wochenende fand bereits das zweite Online-Treffen von Ford-Arbeitern aus Saarlouis und Chennai in Südindien statt. Die indischen Ford-Arbeiter berichteten ausführlich über ihren Kampf gegen die Werkschließung.

Junge Arbeiter hatten dort die Initiative ergriffen und einen sehr mutigen Kampf organisiert. Sie streikten fünf Wochen und besetzten zeitweilig die Werkstore. Aber die Gewerkschaften taten von Anfang an alles, um den Streik zu isolieren und zu sabotieren. Jetzt beginnen die indischen Arbeiter, sich unabhängig zu organisieren, um sich gegen diesen Ausverkauf zur Wehr zu setzen.

Auch über die Ankündigung von 8000 Entlassungen bei Ford in den USA und den Wahlkampf von Will Lehman wurde diskutierte. Lehman, ein Autoarbeiter in den USA, kandidiert als einfacher Arbeiter für den Vorsitz der Autoarbeiter-Gewerkschaft UAW gegen die korrupte Führung der Gewerkschaft. Er betont, dass Arbeiter ihre eigene globale Strategie brauchen, um sich gegen die internationalen Konzerne durchzusetzen, die Arbeiter weltweit gegeneinander ausspielen. Deshalb ist der Aufbau von Aktionskomitees und ihre internationale Vernetzung so entscheidend.

Am Werkstor sagte ein türkischer Arbeiter, er lese die WSWS seit einiger Zeit und den Vorschlag eines Aktionskomitees halte er für eine wichtige und ernsthafte Sache. Die Situation in der Fabrik werde immer schlimmer. In der Vergangenheit habe er in einer Betriebsversammlung Fragen gestellt, und seitdem werde er schikaniert. Jeder, der die Entscheidung des Betriebsrats in Frage stelle oder eine leichte Kritik übe, sei mit allen möglichen Problemen am Arbeitsplatz konfrontiert. Aber jetzt spitze sich die Situation noch weiter zu. Wer die Gewerkschaft kritisiere und ihre Entscheidungen in Frage stelle, müsse mit Entlassung rechnen. Er halte die Mitarbeit im Aktionskomitee für eine wichtige Sache.

Meldet euch dazu beim Ford-Aktionskomitee über Whatsapp unter +491633378340.

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