Indische Ford-Arbeiter setzen Proteste gegen Abfindungsvereinbarung der Gewerkschaft fort

Mehr als 400 der 2.600 Arbeiter, die vor der endgültigen Schließung des Ford-Montagewerks in Chennai im Juli dort beschäftigt waren, protestieren weiterhin gegen das „endgültige“ Abfindungspaket, das ihnen einseitig von Unternehmens- und Gewerkschaftsvertretern aufgedrückt wurde. Die Arbeiter wurden von der Chennai Ford Employees Union (CFEU) völlig im Stich gelassen und agieren jetzt unabhängig, um ihre Arbeitsplätze zurückzufordern oder vergleichbare Arbeitsplätze zu erhalten. Die meisten von ihnen sind die einzigen oder die wichtigsten Ernährer ihrer Familien.

Ford hat sein Werk im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu geschlossen, nachdem am 20. Juli der letzte Geländewagen vom Band gerollt war.

Am 5. September kündigte der in den USA ansässige transnationale Automobilhersteller ein „endgültiges“ Abfindungspaket an. Der Konzern behauptete, das Paket sehe als Entschädigung den Gegenwert von 130 Brutto-Tagesgehältern für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit vor. Die Ankündigung geschah in Form eines Ultimatums. Die Arbeiter hatten bis zum 23. September Zeit, dieses Angebot anzunehmen. Andernfalls könne Ford, wie die Hindu Business Line berichtete, „Mitarbeiter entlassen und das gesetzliche Minimum von 15 Tagen für jedes abgeschlossene Dienstjahr zahlen“.

Zu diesem Zeitpunkt behaupteten die CFEU-Vertreter, die längst jeden noch so kleinen Widerstand gegen die Schließung des Werks aufgegeben hatten, sie würden für 215 Tage Lohn für jedes Dienstjahr kämpfen. Am 20. September akzeptierte die Gewerkschaft jedoch ohne jegliche Rücksprache mit der Belegschaft, geschweige denn deren Zustimmung, das Ford-Angebot von 140 Tagen für jedes Dienstjahr, also 75 Tage weniger als die ursprüngliche Forderung.

Die Ford-Geschäftsleitung behauptet, dass die Entschädigung zwischen 3,5 Millionen Rupien (42.000 $) und maximal 8,7 Millionen Rupien (106.000 $) liege und dies im Durchschnitt etwa 62 Monatsgehältern für jeden Beschäftigten entspreche. Es schweigt sich darüber aus, wie hoch der Mittelwert der Auszahlung ist – eine sehr wichtige Frage, da es viele jüngere Arbeiter mit geringer Betriebszugehörigkeit gibt. Darüber hinaus müssen die Arbeiter fast ein Drittel der Abfindungen, die sie erhalten, versteuern.

Aus Verärgerung über diesen Verrat versammelten sich am 26. September mehr als 200 Arbeiter in Valluvarkottam bei Chennai unter dem Banner der Chennai Ford Workers Rights Group (CFWRG). Sie hatten die CFWRG auf eigene Initiative gegründet als Antwort auf die Unterdrückung ihres Kampfes gegen die Schließung des Werks durch die Gewerkschaft und gegen die von Ford diktierten Abfindungszahlungen.

Ford-Arbeiter aus Chennai blockieren am 30. September eine Hauptstraße, um ihre Forderungen direkt an den Ministerpräsidenten von Tamil Nadu zu richten. (RP, Ford-Arbeiter) [Photo by RP, a Ford worker]

Die CFEU verriet die Beschäftigten, indem sie am 2. Juli überraschend einen fünfwöchigen Streik abbrach, den die Arbeiter aus eigener Initiative gegen die drohende Schließung begonnen hatten. Nachdem sie den Streik abgebrochen hatte, erlaubte die CFEU dem Unternehmen, eine kleine Anzahl von Arbeitern für die Produktion einer letzten Charge von Fahrzeugen einzusetzen. Da sie weder Arbeit noch Einkommen hatten, kehrten die meisten der zuvor streikenden Arbeiter in ihre Heimatstädte und -dörfer zurück.

Aufgrund ihrer Isolation wandten sich einige der militantesten Arbeiter, die jetzt führende Mitglieder der CFWRG sind, an das maoistisch orientierte Linke Gewerkschaftszentrum (LTUC), um Rat und Unterstützung zu erhalten.

Das LTUC bezeichnet sich selbst als militanter als viele andere Gewerkschaften, einschließlich derjenigen, die dem stalinistisch geführten Centre of Indian Trade Unions (CITU) angeschlossen sind. Das Letztere ist politisch mit der rechten ethno-nationalistischen, von der Partei Dravida Munnetra Kazhagam (DMK) geführten Regierung von Tamil Nadu verbündet. In der Praxis erfüllt das LTUC jedoch eine sehr ähnliche Funktion, indem es die Arbeiter dazu drängt, an Teile der bürgerlichen politischen Verwaltung wie die staatliche Arbeitskommission oder die Gerichte zu appellieren.

Das LTUC empfahl den Ford-Arbeitern, eine Petition mit der Forderung nach Job-Erhalt an den Ministerpräsidenten des Bundesstaates Tamil Nadu, M.K. Stalin, bei dessen öffentlichen Auftritt am 30. September zu richten. Stalin war Hauptredner bei der Eröffnungsfeier einer Fabrik unweit von Maraimalai Nagar, wo sich das Ford-Montagewerk in Chennai befindet.

Das LTUC gab den Arbeitern diesen Rat, obwohl es genau wusste, dass Stalin und seine gesamte DMK-Regierung, einschließlich des Arbeitsministeriums des Bundesstaates, eng mit der Ford-Geschäftsführung zusammengearbeitet haben, um die Schließung des Werks zu erleichtern – und das schon seit der Automobilhersteller vor über einem Jahr seine Schließung angekündigt hatte. Wie die rechtsextreme indische BJP-Regierung unter Narendra Modi sieht auch die DMK die Unterdrückung der Unzufriedenheit der Arbeiter und die „geordnete“ Durchsetzung von Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen als entscheidenden Anreiz für Investitionen an.

Als etwa 50 bis 75 Arbeiter versuchten, dem Ministerpräsidenten ihre Beschwerde-Petition zu übergeben, griffen Polizei und andere Beamte ein, um sie daran zu hindern, sich ihm zu nähern. Als die Arbeiter erfuhren, dass Stalins Autokolonne auf einer der bekannten Hauptstraßen von der Feierlichkeit zurückkehren würde, blockierten sie diese Straße mit einem massenhaften Sit-in-Protest und riefen: „Wir wollen Arbeitsplätze, wir wollen Arbeitsplätze.“

Kurze Zeit später stürzte sich ein großes Polizeiaufgebot, das zur Sicherheit von Ministerpräsident Stalin eingesetzt worden war, auf die Arbeiter und verhaftete sie. Die Polizei hielt sie dann in einem Gemeindehaus fest. Nach ein paar Stunden wurden die Arbeiter wieder freigelassen, ohne dass die Polizei Anklage gegen sie erhob.

Die Polizei verhaftet am 30. September Ford-Arbeiter in Chennai (RP, Ford-Arbeiter) [Photo by RP, a Ford worker]

Einige der Arbeiter, die an dem Protest teilnahmen, sprachen mit der World Socialist Web Site.

Rajesh, ein Arbeiter, der Mitglied der CFWRG ist, sagte: „Wir haben alle Hoffnung in die CFEU und die Regierung verloren. Als wir die Straße blockierten und protestierten, hat uns Stalin nicht einmal beachtet, als er auf diesem Weg zurück nach Chennai fuhr.“

Er fuhr fort und sagte: „Ich stimme zu, dass es notwendig ist, ein Aktionskomitee zu gründen, um die Arbeiter in diesem gesamten Industriegürtel zu vereinen, insbesondere angesichts der 40.000 Arbeiter der Zulieferindustrie, die wegen der Schließung des Ford-Werks ihre Arbeitsplätze verlieren. Ich bin auch der Meinung, dass wir uns mit den Ford-Arbeitern in anderen Ländern zusammenschließen sollten, die den gleichen Angriffen ausgesetzt sind. Ich werde auf der Versammlung mit anderen Arbeitern darüber sprechen.“

Ein anderer Arbeiter, Ramapandian (31), sagte, dass die CFEU aufgrund des massiven Drucks der Belegschaft gezwungen war, eine Abstimmung über das abzuhalten, was sie mit dem Ford-Management im Geheimen ausgehandelt hatte.

Er fuhr fort: „Mehr als 400 von uns haben für die Arbeitsplatzsicherheit gestimmt. Aber die Gewerkschaft hat in dieser Hinsicht nichts unternommen. Um also für unsere Arbeitsplätze zu kämpfen, gründeten wir die CFWRG, die noch nicht ganz Gestalt angenommen hat. Diese Gruppe von Arbeitern, die sich immer noch weigert, eine Abfindung anstelle ihres Arbeitsplatzes zu akzeptieren, organisierte einen Protest und suchte Rat bei Rechtsanwalt K. Bharathi, der mit dem LTUC verbunden ist. Aber wir haben immer noch keine richtige organisatorische oder politische Anleitung von ihnen erhalten.“

Die CFEU spielt eine derart üble Rolle, dass einige der Arbeiter inzwischen Abfindungen akzeptierten und das Unternehmen verließen. Dadurch hat sich die Zahl der Streikenden verringert. Die Mehrheit der Arbeiter hält jedoch weiter durch und wehrt sich gegen den Verlust ihrer relativ gut bezahlten Vollzeitstellen.

Während sich die Arbeiter von Anfang an unerbittlich gegen die Schließung des Werks wehrten, akzeptierte die CFEU, dass die Schließung des Werks unvermeidlich sei. Hinzu kommt, dass keiner der großen Gewerkschaftsverbände, einschließlich der stalinistischen CITU und AITUC sowie des maoistischen LTUC, diesen Arbeitern konkrete Hilfe angeboten hat, obwohl sie im ganzen Bundesstaat stark vertreten sind. Dies gilt insbesondere für die Region Chennai und Umgebung, die wegen ihrer Rolle als Drehscheibe der Automobilproduktion als „Detroit Asiens“ bezeichnet wird.

Die DMK-geführte Regierung von Tamil Nadu, die von den stalinistischen Parteien als „fortschrittlich“ gepriesen wird, hat sich komplett auf die Seite des Ford-Managements gestellt.

Die Ford-Arbeiter in Chennai haben im vergangenen Jahr wichtige Erfahrungen im Kampf gegen die Werksschließung gemacht, die Teil einer umfassenderen „globalen Umstrukturierung“ ist, die direkt und indirekt zehntausende Arbeitsplätze bedroht.

Die Arbeiter in Saarlouis, Deutschland, die im Juli an einer von der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) veranstalteten Diskussion mit ihren indischen Kollegen teilnahmen, sehen sich aufgrund der verräterischen Rolle der IG Metall der gleichen Bedrohung ihrer Arbeitsplätze ausgesetzt. Auf dem Treffen sprach auch Will Lehman, ein Arbeiter bei Mack Trucks in den USA und sozialistischer Wahlkandidat für das Amt des Präsidenten der Gewerkschaft United Auto Workers. Er stellt den Kampf für die Vereinigung der Arbeiter gegen die globalen Automobilhersteller über alle Grenzen hinweg in den Mittelpunkt seiner Kampagne.

Viele der Arbeiter, die mit den WSWS-Reportern in Chennai diskutierten, waren sich einig, dass sie neue Kampforganisationen gründen müssen, um ihren Kampf voranzutreiben.

Einer der führenden Arbeiter in der CFWRG sagte der WSWS: „Ich denke, dass der Aufbau eines Aktionskomitees der Ford-Arbeiter in Chennai der Weg vorwärts für uns ist. Wir wollen mit Ford-Arbeitern in anderen Ländern sprechen, auch in Deutschland und Spanien, und uns mit ihnen zusammentun. Ich werde dies vorschlagen, wenn ich mit den anderen CFWRG-Mitgliedern spreche – über die Notwendigkeit, ein Aktionskomitee der Ford-Arbeiter von Chennai zu bilden und es auf einem sozialistischen Programm zu gründen.“

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