Rettungsdienste in ganz Deutschland hoffnungslos überlastet

Deutschlandweit stehen die Rettungsdienste seit Wochen vor dem Kollaps. Die extrem hohe Zahl von Einsätzen mit zu wenig Personal bringt die Beschäftigten an ihre Grenzen und setzt Patienten tagtäglich der Gefahr für Leib und Leben aus.

Notfallwagen im Einsatz [Photo by Frank Schwichtenberg / CC BY 3.0]

In Hamburg kommt es seit Monaten zu mehr als 1000 Alarmmeldungen pro Tag. Einige der mehr als 80 Rettungswagen in der Stadt werden täglich zu mehr als zwanzig Einsätzen gerufen. Derart viele Einsätze waren früher nur in der Silvesternacht üblich. Nach Angaben der Gewerkschaft Komba kündigen fast täglich Mitarbeiter des Rettungsdiensts, weil sie die Belastung nicht mehr ertragen.

Besonders dramatisch ist die Lage in der Hauptstadt. In Berlin-Marzahn musste ein Patient in der Nacht vom 10. Dezember über drei Stunden lang auf einen Rettungswagen warten. In dieser Samstagnacht herrschte, wie in vielen anderen auch, der „Ausnahmezustand Rettungsdienst“. Dieser Ausnahmezustand wird ausgerufen, sobald 80 Prozent der Rettungswagen im Einsatz sind und die normalerweise einzuhaltenden zehn Minuten vom Notruf bis zum Eintreffen vor Ort nicht mehr eingehalten werden können. Mittlerweile ist dieser Ausnahmezustand fast zur Regel geworden.

Infolgedessen muss die Besatzung von Löschfahrzeugen auf die Rettungswagen umgeplant werden. Dadurch ist die Feuerwehr unterbesetzt, was bei mehreren gleichzeitigen schweren Bränden zur Katastrophe führen kann.

Ein Feuerwehrmann erklärt zu dem Fall in Marzahn: „Ich vermute, dass die Kollegen beim Disponieren überfordert waren und es denen irgendwie untergegangen ist.“ Und weiter: „Denn die Tools, die sie haben, sind nicht dafür ausgelegt, dauerhaft diesen Ausnahmezustand zu beschicken.“

Zur gleichen Zeit am Samstagabend gab es auch einen schweren Unfall in Lankwitz, bei dem eine 15-Jährige starb und eine 14-Jährige schwer verletzt wurde. Die beiden Jugendlichen waren von einem Bus der Berliner Verkehrsbetriebe erfasst worden, wobei beide eingeklemmt wurden. Der Notarzt war nach neun Minuten an der Unfallstelle, aber der Rettungswagen erreichte den Unfallort erst nach 20 Minuten.

Bereits am Tag zuvor hatte in Berlin Ausnahmezustand geherrscht. Von den 94 verfügbaren Rettungswagen waren zeitweise alle im Einsatz. In Reinickendorf benötigte an diesem Abend ein älterer Mann Notfallhilfe. Die Ersthelfer der Feuerwehr trafen etwa acht Minuten nach dem Notruf ein, aber der Rettungswagen musste aus Friedrichshagen im Osten quer durch die Stadt in den Nordwesten Berlins, fahren wofür er 42 Minuten benötigte. In der Nähe befand sich kein einziger Rettungswagen, der nicht bereits im Einsatz gewesen wäre.

Der Mangel an Rettungswagen und Personal ist seit Langem bekannt. In Berlin erhöhten sich die Rettungseinsätze von 2013 bis 2021 um knapp 40 Prozent, von 305.000 auf 425.000 pro Jahr.

Seit dem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen verzeichnen Städte und Kreise massiv steigende Einsatzzahlen. In Dortmund wurde die Feuerwehr zwischen Januar und November dieses Jahres zu 13.378 mehr Rettungsdiensteinsätzen gerufen, als im selben Zeitraum des Vorjahres. Das entspricht einer Zunahme von rund 20 Prozent. Gleichzeitig sind in der Stadt 115 Planstellen der Feuerwehr nicht besetzt.

Die Unterbesetzung bei den Rettungsdiensten ist bundesweit gang und gäbe. In Frankfurt fehlen offiziell 26 Rettungs- und 33 Notfallsanitäter. Hinzu kommen akute Ausfälle durch Infektionen mit Corona oder dem Influenzavirus. Dies ist eine Folge der gezielten Durchseuchungspolitik. Zu Beginn der Winterwelle werden die letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen abgeschafft.

Frank Flake vom Deutschen Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) sagt über die drastische Lage: „Der Handlungsdruck ist riesig. Es ist fünf nach zwölf, das System bricht zusammen. Es kommt immer öfter vor, dass Einsätze nicht gefahren werden können.“ Die Gründe dafür seien fehlendes Fachpersonal sowie überlastete Notaufnahmen.

„Noch vor ein paar Jahren war es undenkbar, dass man einen Patienten oder eine Patientin eine Stunde lang vor der Notaufnahme im Rettungswagen behandelt, weil die Kliniken so überlastet sind. Und jetzt ist da manchmal regelrecht Stau,“ fügte Flake hinzu.

Die Folgen für die Beschäftigten bewertet er folgendermaßen: „Es kann nicht sein, dass man in einer 24-Stunden-Schicht 15, teilweise 20 Einsätze mit einer durchschnittlichen Dauer von einer Stunde pro Einsatz fährt. Da bleibt keine Zeit zum Essen oder Schlafen.“ Daher komme es zu der aktuellen „Berufsflucht“.

Seit Monaten sind die Notaufnahmen hoffnungslos überlastet. Mehrere Notaufnahmen, wie die der Universitätsklinik Leipzig, appellierten in den letzten Tagen, sie nur in dringenden Notfällen aufzusuchen. Abmeldungen vom Notdienst sind bundesweit an der Tagesordnung. Notaufnahmen können sich in extremen Situationen für kurze Zeit von der Notfallversorgung abmelden, was immer häufiger getan wird, wenn die Versorgung nicht mehr gesichert werden kann. Teilweise müssen Kliniken in weiter Entfernung angefahren werden.

Die Stadt Hamburg reagierte auf die katastrophale Situation jüngst, indem Sie den Kliniken kurzerhand das Abmelden verbot. Dies hat natürlich zur Folge, dass die eingelieferten Patienten nicht adäquat versorgt werden und das Personal noch mehr überlastet ist.

Auch bei den Notaufnahmen war die dramatische Lage lange vorhersehbar. 2019, also noch vor der Corona-Pandemie, stellte eine Studie fest, dass 94 Prozent der Deutschen die Notaufnahmen an deutschen Krankenhäusern für überlastet halten. Bei den über 60-Jährigen, die bereits häufiger Erfahrungen mit Notaufnahmen gemacht haben, lag der Wert sogar bei 98 Prozent. Als Hauptgrund wurde die Personalknappheit in der Notfallversorgung ausgemacht.

Es ist offensichtlich, dass die miserable und gefährliche Versorgung bewusst in Kauf genommen wird. Daher verwundert es nicht, dass Bundes- und Landesregierungen trotz der angespannten Situation völlig untätig bleiben. Der Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linken will nun ein neues Rettungsdienstgesetz beschließen. Berlins Rettungsdienst ist seit längerem nicht mehr in der Lage, die vorgeschriebenen Qualitätskriterien zu erfüllen und in der Regel binnen zehn Minuten an einem Unfallort zu sein.

Während es notwendig wäre, massiv in Personal und Ausstattung zu investieren, hat Rot-Rot-Grün nun beschlossen, eine bestehende Ausnahmeregelung bis 2029 zu verlängern. Sie ermöglicht es, statt der gesetzlich vorgeschriebenen Notfallsanitäter auch weniger intensiv ausgebildete Rettungsassistenten in den Einsatzfahrzeugen einzusetzen. Darüber hinaus sollen in Notfallsituationen häufiger auch Fahrzeuge von Krankentransportunternehmen zum Einsatz kommen können. Dies bedeutet schlichtweg, dass auf die selbstverschuldete Lage reagiert wird, indem die Qualität der Notfallversorgung dauerhaft gesenkt wird.

Die Gleichgültigkeit der etablierten Parteien gegenüber Menschenleben zeigt sich am Zustand des gesamten Gesundheitswesens. Die Kliniken, vor allem die Kinderkliniken, befinden sich wegen der Welle von Atemwegsinfektionen durch Influenza, Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) und Corona in einer Extremsituation.

Bundesweit sind Intensivbetten in Kinderkliniken voll ausgelastet, was dazu führt, dass teilweise schwerkranke Kinder hunderte Kilometer fahren müssen, um ein freies Intensivbett zu ergattern. Mittlerweile müssen Ärzte und Klinikpersonal die Triage anwenden. Sie müssen auswählen, welcher Patient behandelt wird und welcher nicht.

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