Treffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung

Dutzende Schüler-, Eltern- und Lehrervertreter verabschieden Aufruf für Schulstreiks und sichere Bildung

Am Freitagabend hielt das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung sein bisher größtes Onlinetreffen ab. Rund 40 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet diskutierten fast drei Stunden lang über ihre Erfahrungen auf dem Höhepunkt der Pandemie. Zur gleichen Zeit wurden neue Rekordinfektionen und Todesfälle gemeldet. Die seit Wochen hohen Zahlen bringen das Gesundheitssystem an seine Grenzen.

Unter diesen Bedingungen stößt die Initiative zum Aufbau von Aktionskomitees für sichere Bildung auf wachsende Resonanz. An dem Treffen beteiligten sich mehrere Vertreter von laufenden Schülerprotesten und Schulstreiks. Zusammen mit den anwesenden Eltern, Lehrern und Erziehern widerspiegelten sie einen Querschnitt der breiten Opposition gegen die unsicheren Bedingungen an Schulen und Kitas.

Zentraler Gegenstand der Diskussion war eine Erklärung, welche die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) in die Versammlung eingebracht hatten. Nach der Diskussion wurde die Erklärung mit überwältigender Mehrheit angenommen.

In der Erklärung stellen die Aktionskomitees fest, dass die Politik der offenen Schulen und Betriebe von den „Regierungen jeglicher Couleur“ vorangetrieben werde und ausschließlich den Profitinteressen der Banken und Konzerne diene. Deshalb müssten Aktionskomitees unabhängig von den Bundestagsparteien und den Gewerkschaften aufgebaut werden, so der Aufruf.

„Wir treten dieser Politik, die die Interessen der Reichen vor die Gesundheit der Menschen stellt, entschieden entgegen und rufen Schüler, Lehrer, Erzieher und Eltern auf, ihre Sicherheit in die eigene Hand zu nehmen“, heißt es. Deshalb müsse umgehend zu Schulstreiks aufgerufen werden, wenn die Forderungen der Schüler und Lehrer nicht umgesetzt würden.

Schließlich stellen die Schüler, Eltern und Lehrer fest, dass sich die Aktionskomitees international vernetzen und sich den Kämpfen der Arbeiter zuwenden müssen. „Deshalb muss der Widerstand an den Schulen mit den Kämpfen der Arbeiter für sichere Betriebe und zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze verbunden werden. Er muss Teil einer breiten Mobilisierung für einen Generalstreik sein, der die Bedürfnisse und die Gesundheit der Menschen gegen die Profitlogik durchsetzt.“

Im Rahmen der Diskussion berichteten Schüler, Lehrer und Erzieher aus zehn Städten ausführlich über ihre Situation und lieferten so weitere Belege für die Richtigkeit der Erklärung.

Marlon, ein Schüler des Gauß-Gymnasium in Worms, bemerkte gleich eingangs, wie begeistert und positiv überrascht er von der Veranstaltung sei, zu der als Schülervertreter eingeladen worden war. Er schilderte die Proteste, die schon vor knapp zwei Wochen begonnen hatten, und die Zustände vor Ort. Insbesondere prangerte er die fahrlässigen Entscheidungen des Gesundheitsamtes an. Marlon unterstrich auch die Belastung für die Lehrer und machte klar: „Die alternativen Konzepte sind da“, aber sie scheitern an der Politik.

Angelina, Schülervertreterin am Schulzentrum Walle in Bremen, berichtete von der demotivierten Stimmung unter den Schülern, da viele sich machtlos fühlten. Sie kritisierte ebenfalls die Verheimlichung von Fällen durch die Ämter und somit die Gefährdung von Angehörigen, insbesondere von Risikogruppen. Explizit nahm sie auch die Lehrer in Schutz, die zwar den ganzen Frust der Schüler abbekämen, aber genauso selber Leidtragende seien.

Meret, ebenfalls eine Schülerin aus Bremen, berichtete, wie an ihrer Schule dank einem bewussten Schulleiter bereits ein erfolgreiches Hybrid-Unterrichtskonzept umgesetzt worden sei. Nun soll aber auf Anweisung der Politik nächste Woche wieder Regelbetrieb stattfinden. Sie verwies auf die enorme Belastung, die die Situation für Schüler, gerade auch im Vorbereitungsstress für die Abiturprüfung, mit sich bringt. „Es muss schnell was passieren, sonst wird das überhaupt nicht mehr besser,“ schloss sie.

Auch Pascal, Schüler in Baden-Württemberg, berichtete von seinen Erfahrungen. So erklärte er, dass die Schule ihn nicht einmal darüber informiert habe, als sein Banknachbar in Quarantäne musste. Auch illustrierte er anhand von Beispielen die grotesken Ausmaße, die die widersprüchlichen Maßnahmen angenommen haben. So müssten Schüler im Klassenraum Maske tragen und regelmäßig lüften, aber während des Sportunterrichts keinerlei Sicherheitsmaßnahmen treffen. Er bekräftige zum Abschluss, wie wichtig es sei, dass die Erklärung allgemein gehalten sei, um allen einen Weg aufzuzeigen, „was gemacht werden muss“.

Joyce aus Essen schilderte die psychische wie physische Belastung, zu der der aktuelle Präsenzunterricht führt. Sie sei noch nie „so unmotiviert für die Schule wie jetzt“ gewesen und habe als Schülerin das Gefühl, „dass die Regierung mich links liegen gelassen hat“.

Neben weiteren Beiträgen von Schülern aus München, Karlsruhe, Bremen und Lünen entwickelte sich eine Diskussion insbesondere über die Rolle der Behörden und Parteien. Nachdem eine Schülerin gefragt hatte, wie man sich bei diesen noch besser Gehör verschaffen könnte, warnten mehrere Redner vor Hoffnungen in deren Einsicht und Verständnis.

Marlon verwies dabei auf die Erfahrungen seiner Schülervertretung, die nach Beginn der Proteste viel Aufmerksamkeit, Verständnis und Zuspruch von Politikern vieler Parteien erhalten habe. Seit den neuesten Beschlüssen der Regierungen vom Mittwoch sei aber keiner der Politiker für die Schüler mehr erreichbar.

Martin, ein Erzieher aus Dresden, verwies darauf, dass alle Parteien in dem einen oder anderen Land als Regierungspartei die jeweilige Politik selbst umsetzen und der geheuchelten Opposition daher kein Glauben zu schenken sei. Es gehe dabei auch nicht darum, zwischen guten oder schlechten Menschen zu unterscheiden, sondern zu verstehen, dass die skrupellose Durchseuchungspolitik an den Schulen und Kitas von oben nach unten durchadministriert werde.

Auch Diane, eine Mutter, die zur Hochrisikogruppe gehört, schilderte eigene Erfahrungen und Erfahrungen ihrer Elterninitiative, die seit Monaten vergeblich an Behörden, Politiker und Medien schreibt und an deren Menschlichkeit appelliert. Sie hätten aber feststellen müssen, dass „wir keine Lobby haben“. Besonders beklagte sie den kalten und herzlosen Umgang der Behörden mit ihren Sorgen und Nöten, von dem sie immer noch „schockgefrostet“ sei.

Als ein Schülervertreter aus Bremerhaven die Kritik an der Politik der Herdenimmunität und die scharfe Wortwahl wie „Durchseuchungspolitik“ oder „Regierungspropaganda“ beanstandete, traten ihm zahlreiche Teilnehmer entgegen.

Mehrere Redner wiesen anhand von Beispielen nach, dass diese Worte absolut zutreffend sind. Seit Monaten ignorierten die Regierungen alle wissenschaftlichen Empfehlungen, inklusive die des Robert Koch Instituts, und nähmen damit eine Eskalation des Infektionsgeschehens in Kauf, so Gregor Link von den IYSSE. Entgegen allen wissenschaftlichen Ergebnissen verbreiteten sie weiterhin die Lüge, dass bei Schülern bzw. Kindern kaum bis gar kein Infektionsrisiko bestehe.

Unterstützt würden die Parteien dabei auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), erklärte Philipp Frisch, ein Lehrer aus NRW und Mitglied der IYSSE und SGP. Die Gewerkschaft fordere die Offenhaltung der Schulen und behaupte ebenfalls, dass Kinder unter zwölf Jahren weniger zur Pandemie beitrügen. Die GEW sehe ihre Aufgabe darin, die Lehrer trotz der widrigen Bedingungen am Arbeitsplatz zu halten.

Über die Zustände an Kitas berichteten auch Samea, eine Erzieherin aus Bremen, und Clemens, ein FSJler aus der Nähe von München. Samea beklagte, dass sie und ihre Kollegen vollkommen ungeschützt arbeiten müssten, im Wesentlichen genauso wie vor der Corona-Pandemie. „Das die Regierung nichts macht“, sei für sie ein „verantwortungsloser Umgang mit Menschenleben“.

Philipp Frisch fasste die Diskussion nach der Abstimmung über die Resolution zusammen und hielt fest, dass nun eine breite Mobilisierung von Schülern, Lehrern und Arbeitern nötig sei, um den Wahnsinn der Durchseuchungspolitik zu stoppen. Er rief alle Beteiligten auf, sich bei den Aktionskomitees für sichere Bildung zu registrieren und die Arbeit auszuweiten.

Aus den Erfahrungen, die auf dem Treffen ausgetauscht worden seien, ergäben sich wichtige politische Schlussfolgerungen, so Frisch. Die Politik der Durchseuchung beschränke sich nicht auf einzelne Parteien oder einzelne Länder, sondern sei ein umfassendes Phänomen. „Das zeigt, dass der Kapitalismus unfähig ist, die Pandemie in menschlicher Art und Weise zu überwinden. Deshalb brauchen wir eine sozialistische Perspektive, die die Bedürfnisse der Menschen vor die Profitinteressen stellt.“ Er schloss mit dem Aufruf, Mitglied der IYSSE zu werden und den Kampf für Sozialismus zu unterstützen.

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