GEW unterstützt Rückkehr in den Regelbetrieb an Schulen und Kitas

Bereits in den vergangenen Wochen öffneten mehrere Bundesländer Schulen und Kitas in größerem Umfang. Nun wird im Zusammenhang mit der allgemeinen Öffnungsoffensive die vollständige Rückkehr in den Regelbetrieb vorbereitet.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sollen die Schulen ab dem 31. Mai in den vollen Präsenzunterricht übergehen. In Schleswig-Holstein findet seit dieser Woche in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten des Landes wieder Präsenzunterricht in allen Jahrgangsstufen statt.

In Bayern soll laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der „ganz ganz überwiegende Teil der Schülerinnen und Schüler“ nach den Pfingstferien wieder in der Schule sein. Das gleiche Ziel verfolgt die von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) geführte Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Auch in allen anderen Bundesländern, darunter das von der Linkspartei geführte Thüringen, werden die Schul- und Kita-Öffnungen vorangetrieben.

Dass die Regierungen in Bund und Ländern diesen Schritt trotz des nach wie vor hohen Infektionsgeschehens gehen und damit die Gesundheit und das Leben von Millionen Kindern, Eltern und Pädagogen gefährden, hat ausschließlich wirtschaftliche Gründe. Jenseits schier endloser demagogischer Berichte über das psychische Leid, die Gefährdung des Kindeswohls im Lockdown und lancierter Studien über angeblich „sichere Schulen“ in der Pandemie, geht es den Entscheidungsträgern vor allem um die Arbeitskraft der Eltern.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spielt wie im vergangenen Jahr die Schlüsselrolle dabei, die „Profite vor Leben“-Politik gegen den enormen Widerstand unter Schülern, Pädagogen und Eltern durchzusetzen. Am Donnerstag erklärte die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe im ZDF-Morgenmagazin: „Wir sind dafür, die Schulen zu öffnen, so zügig wie möglich, abhängig von der Inzidenz.“ In einem „Rahmen von 50 bis 100“ plädiere die GEW dafür, „beim Wechselunterricht zu bleiben. Wenn es dann runtergeht, dann kann man in den Präsenzunterricht gehen“.

Bereits zuvor hatte sich Tepe mit der Parole „Wer öffnet, muss impfen“ hinter den Öffnungskurs gestellt. Mit einer vorgezogenen Impfung aller Lehrkräfte könne „der Gesundheitsschutz der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern gesichert werden“ behauptete sie.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (Ziko van Dijk, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Erstens schreitet auch die Impfung der Lehrer nur langsam voran und ein großer Teil wartet nach wie vor auf ein Impfangebot. Und zweitens wären Schulen auch bei einer vollständig geimpften Lehrerschaft Brutstätten des Virus, die die Gesundheit und das Leben der nicht geimpften Schüler und deren Familien massiv gefährden würden.

Und auch geimpfte Lehrer wären keineswegs sicher. Virusmutanten wie die gefährliche indische Variante, bei der die Wirksamkeit vieler Impfstoffe zumindest eingeschränkt ist, breiten sich auch in Deutschland massiv aus. Weltweit grassiert die Pandemie und etwa 13.000 Menschen sterben täglich. Deutschland gehört mit rund 10.000 Infizierten und 200 Toten am Tag gegenwärtig zu den am stärksten betroffenen Ländern in Europa. Laut RKI sind im Mai mindestens zwei weitere Lehrer an Covid-19 gestorben und damit insgesamt mindestens 33 Lehrer und Erzieher. Fast 900 mussten seit Beginn der Pandemie ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Trotzdem überbieten sich die einzelnen GEW-Landesverbände dabei, den Öffnungskurs der jeweiligen Landesregierung zu unterstützen und voranzutreiben. Die aktuelle Öffnungsorgie ist ein direktes Ergebnis ihrer Politik. Hier nur ein knapper Überblick über einige Statements und Verlautbarungen der GEW in den letzten Wochen.

Die GEW Sachsen veröffentlichte Ende April einen „Weckruf für offene Kindertageseinrichtungen und Schulen“. Vorausgegangen war die zwischenzeitliche Schließung von Kitas und Grundschulen in den meisten sächsischen Landkreisen. Die rechte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen hatte zuvor eine „inzidenzunabhängige“ Öffnung – d.h. eine offene Durchseuchungspolitik – betrieben. Da in fast allen sächsischen Landkreisen der Inzidenzwert bei etwa 200 lag, führte die sogenannte „Bundesnotbremse“ vielerorts zu Schließungen. In ihrem „Weckruf“ klagte die GEW: „Wir halten es für unerträglich, dass für manches Mädchen oder manchen Jungen die Kindertagesstätte oder Schule der einzige sichere Zufluchtsort ist und dieser Ort für sie nun wieder schließt.“

Auch die GEW Rheinland-Pfalz plädierte ganz offen für ein inzidenzunabhängiges Offenhalten der Schulen und Kitas. „Die Festlegung eines festen Inzidenzwerts als Schwellenwert sieht die GEW Rheinland-Pfalz kritisch“, erklärte sie in einem am 20. April veröffentlichten Statement. Eine „feste Orientierung am Inzidenzwert“ hätte „häufige Veränderungen der aktuell geltenden Maßnahmen und damit geringe Planbarkeit und Verlässlichkeit für Beschäftigte und Eltern“ zur Folge. Das ist unmissverständlich: Kitas und Schulen sollen auch bei hohen Inzidenzen offengehalten werden, damit die Eltern „planbar und verlässlich“ auf der Arbeit erscheinen können. Explizit forderte die GEW einen „Regelbetrieb im Alltag mit Corona“, der lediglich „durch die lokalen Gesundheitsbehörden begleitet“ werden soll.

Die GEW Hessen machte sich bereits im April für eine Rückkehr in den Präsenzunterricht stark. Die Gewerkschaft halte es „aus pädagogischen und sozialen Gründen für vorrangig, dass den Schülerinnen und Schülern ab der Klasse 7 eine – zumindest tageweise – Rückkehr in den Präsenzunterricht ermöglicht wird“, hieß es in einer Pressemitteilung vom 1. April. „Das ist für uns der dringendste nächste Öffnungsschritt, der gegangen werden muss, sobald es die Infektionslage zulässt“, betont der stellvertretende hessische GEW-Vorsitzende Tony C. Schwarz in der gleichen Mitteilung. „Die Schülerinnen und Schüler in diesen Jahrgängen waren seit Weihnachten nicht in der Schule.“

Am 13. April legte dann die Vorsitzende der GEW Hessen, Maike Wiedwald, nach und forderte in einer weiteren Pressemitteilung: „Eine baldige Rückkehr in den Präsenzunterricht für diese Klassen, zumindest tageweise, muss nun Priorität haben.“ Als Kultusminister Alexander Lorz (CDU) schließlich Anfang Mai verkündete, dass „in immer mehr Regionen Hessens insbesondere die Schülerinnen und Schüler wieder regelmäßig in die Schule gehen können“, unterstützte die GEW diesen Vorstoß.

Auch in Niedersachsen steht die GEW an der Spitze der Öffnungspolitik. Als die Landesregierung Anfang Mai die Weichen in Richtung Rückkehr in den Präsenzunterricht stellte, erklärte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth zynisch: „Der angestrebte Wechselunterricht wird sich für Kinder und Jugendliche positiv auswirken, sofern die Schulen umfassend für den Gesundheitsschutz sorgen konnten.“

In Berlin arbeitet die GEW aufs Engste mit dem Rot-Rot-Grünen Senat zusammen, um die unsichere Rückkehr an die Kitas und Schulen durchzusetzen. Als die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vergangene Woche die Rückkehr der Kitas in den Regelbetrieb verkündete, beklagte sich die Vorsitzende der GEW Berlin, Doreen Siebernik, in einem Statement vor allem darüber, dass „die Erzieher*innen nicht in die Planung der Kitaöffnung einbezogen werden“. Proteste oder gar Streiks gegen das rücksichtslose Vorgehen des Senats lehnt die GEW wie in allen anderen Bundesländern vehement ab. Im Ergebnis befinden sich seit Montag dieser Woche die Berliner Kitas wieder im Regelbetrieb – mit unabsehbaren Folgen für Kinder, Eltern, Erzieher und das Infektionsgeschehen in der Hauptstadt.

Mit ihrer Unterstützung der Öffnungspolitik setzt die GEW konsequent ihre rechte Politik in der Pandemie fort. Als Teil des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unterstützte sie bereits Anfang letzten Jahres das milliardenschwere Rettungspaket der Bundesregierung für Banken und Konzerne. Seitdem spielen IG Metall, Verdi und die anderen Einzelgewerkschaften die zentrale Rolle dabei, die Fabriken und Betriebe auch unter den unsichersten Bedingungen offenzuhalten, damit die Milliardengeschenke an die Reichen wieder bei den Arbeitern eingetrieben werden können.

Die reaktionäre und arbeiterfeindliche Rolle der Gewerkschaften unterstreicht die Bedeutung der Aktionskomitees für sichere Bildung, die Lehrer, Schüler und Eltern im vergangenen Jahr der Pandemie in Deutschland und international aufgebaut haben. Arbeiter können ihre Interessen nur verteidigen, wenn sie sich unabhängig von den kapitalistischen Parteien und Gewerkschaften organisieren und eine internationale Perspektive und Strategie gegen die mörderische „Profite vor Leben“-Politik entwickeln.

Um die Pandemie zu besiegen, müssen alle Schulen und nicht lebensnotwendigen Betriebe geschlossen werden und alle Arbeiter und ihre Familien für diesen Zeitraum die notwendige finanzielle Unterstützung erhalten. Die Ressourcen für flächendeckende Tests, Kontaktverfolgung und die beste medizinische Versorgung aller Infizierten müssen bereitgestellt werden. Die Produktion und Verteilung des Impfstoffs muss massiv hochgefahren werden und der kapitalistischen Profitlogik entzogen werden, um die gesamte Weltbevölkerung zügig gegen das Virus zu immunisieren.

Um bei ausreichendem Impfschutz und sehr niedrigen Infektionszahlen sichere Unterrichtsbedingungen in den Schulen und Kitas zu gewährleisten, sind Milliardeninvestitionen erforderlich. Gleichzeitig müssen tausende zusätzliche Lehrer und Erzieher eingestellt und ihre Löhne müssen deutlich angehoben werden.

Wir appellieren an alle Lehrer, Schüler und Eltern, die für diese Ziele kämpfen wollen, sich noch heute der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees anzuschließen und Aktionskomitees für sichere Bildung an ihren Einrichtungen aufzubauen.

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