Die Öffnung der Schulen für den vollständigen, unsicheren Präsenzunterricht muss sofort gestoppt werden. Alle wissenschaftlichen Daten belegen, dass diese Politik eine Katastrophe heraufbeschwört. Wenn über 11 Millionen größtenteils ungeimpfte Schüler in Deutschland in Klassenzimmern mit 25, 30 oder mehr Gleichaltrigen zusammengepfercht werden, wird sich die hochansteckende Delta-Variante in Windeseile verbreiten.
Mehrere Bundesländer sind nach den Sommerferien bereits in den ungesicherten Präsenzbetrieb zurückgekehrt, darunter Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Woche folgt auch das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sogar die einfachsten Hygienemaßnahmen wie Maskenpflicht, Quarantäneregelungen und Kleingruppen werden weitgehend aufgehoben.
Es droht eine entsetzliche Welle von Infektionen und Krankenhauseinweisungen unter Kindern und Jugendlichen. Die Schulöffnungen beschleunigen außerdem die Corona-Übertragung in Betrieben und Nachbarschaften, was zu zahllosen weiteren Todesopfern in allen Altersgruppen und besonders unter Ungeimpften führen wird.
Die größte Verantwortung einer Gesellschaft ist der Schutz ihrer Kinder, doch unter dem kapitalistischen System werden ihr Leben und ihre Gesundheit geopfert. Millionen Eltern sind jetzt in Angst und Sorge, weil sie ihre Kinder einem enormen Risiko aussetzen müssen.
Die Gefahren können gar nicht überschätzt werden. Die jüngsten Daten der britischen Statistikbehörde ergaben, dass etwa 10 Prozent der Kinder im Alter von 2 bis 11 Jahren und 13 Prozent der 12- bis 16-Jährigen fünf Wochen nach der Ansteckung mit Covid-19 mindestens ein anhaltendes Symptom aufweisen, darunter auch schwere Symptome, die mehrere Organe betreffen. Weltweit könnten Millionen Kinder für den Rest ihres Lebens unter diesen Symptomen leiden.
Eine kürzlich im Lancet veröffentlichte Studie ergab, dass Menschen, die mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, „erhebliche“ kognitive Leistungsdefizite aufwiesen. Wer an einem Beatmungsgerät angeschlossen war, verlor etwa sieben IQ-Punkte, wer ohne Beatmungsgerät behandelt wurde, etwa vier Punkte.
In vielen Ländern steigt die Infektions- und Todesrate unter Kindern und Jugendlichen bereits rasant an. In den USA lagen am Samstag laut der US-Gesundheitsbehörde CDC 1902 Kinder mit einer Covid-Infektion im Krankenhaus – so viele wie noch nie. 15 Prozent aller Neuinfektionen treffen Kinder unter 17 Jahren. Obwohl 400 Kinder bereits in der Pandemie gestorben sind, öffnen die US-Bundesstaaten jetzt die Schulen und heben die meisten Schutzmaßnahmen auf. In Brasilien ergaben jüngste Schätzungen, dass 2975 Kinder an Covid gestorben sind, fast das Dreifache der offiziellen Zahl von 1122.
Auch in Deutschland klettern die Infektionszahlen unter Kindern und Jugendlichen nach oben. Bei den 5- bis 14-jährigen Kindern liegt die Inzidenz in vielen Regionen schon über 100 – etwa in Schleswig-Holstein (152), Hamburg (233) und Berlin (170). Laut dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts vom 12. August sei der Anstieg „vor allem in den Altersgruppen der 10- bis 34-Jährigen zu beobachten“. Sowohl der Anteil der positiven Tests als auch die Einweisungen in Krankenhäuser und auf Intensivstationen nehme zu.
Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache: Wer jetzt unter den Bedingungen der Delta-Verbreitung die Schulen in voller Präsenz öffnet, nimmt Todesfälle, schwere Erkrankungen und Long-Covid-Folgen bei zig Tausenden Kindern, Jugendlichen und Familien billigend in Kauf.
Diese Tatsache wird hinter einem Schleier von Lügen versteckt. „Kinder sind gar nicht gefährdet“, „Bildung hat oberste Priorität“, „Wir hatten keine Zeit zur Vorbereitung“, „Es gibt kein Geld für die Schulen“ – diese alte Leier aus dem Mund derselben Politiker, die jahrzehntelange Kürzungen im Bildungswesen zu verantworten haben und jetzt Milliarden ins Militär investieren, müssen Arbeiter und Jugendliche mit Verachtung zurückweisen. Die Behauptungen sind ein bewusster Betrug, um Schüler, Eltern und Lehrer einzulullen, ihre Furcht und Vorsicht als Panikmache abzustempeln und ihren Widerstand zu brechen.
Hinter den Schulöffnungen steht nicht die „Sorge“ um die Bildungslücken der Kinder, sondern die Notwendigkeit, dass Eltern an unsichere Arbeitsplätze zurückkehren, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Aktienportfolios der Superreichen zu füllen.
Was wäre nötig gewesen – und was ist jetzt nötig –, um Leben, Gesundheit und Bildung der Kinder in der Pandemie wirklich zu schützen?
Ein global koordinierter Lockdown bis zur Eindämmung des Virus! Keine unsichere Öffnung der Schulen!
Hätten die Regierungen in den kritischen Monaten von Januar bis März 2020 die von Wissenschaftlern empfohlenen Maßnahmen – strenge Lockdowns, Reisebeschränkungen, umfassende Tests, Kontaktverfolgung und Isolierung infizierter Personen – ergriffen, wäre die Pandemie frühzeitig und vollständig eingedämmt worden. Doch obwohl sie gut über das Virus informiert waren, haben die Parteien und Medien die Gefahren heruntergespielt und die Corona-Ausbreitung zugelassen.
Nach der Verabschiedung der milliardenschweren „Corona-Rettungspakete“ im März 2020, die von allen Bundestagsparteien unterstützt wurden und v.a. den Banken und Konzernen zugutekamen, begannen der Bund und die Länder sofort mit der Wiedereröffnung der nicht systemrelevanten Betriebe und dann der Schulen.
Über 92.000 offizielle Corona-Tote in Deutschland, die Verbreitung neuer Varianten und die gesellschaftlichen Folgen der Pandemie einschließlich der Schulschließungen gehen auf das Konto dieser Öffnungspolitik. Das Mantra aller Bundestagsparteien und der Wirtschaftsverbände lautet: „Kein weiterer Lockdown.“ Der endlose Dauerzustand immer neuer Corona-Wellen, der durch ihre irrationale und profitorientierte Politik herbeigeführt wird, soll die Menschen zermürben und ans Sterben gewöhnen.
Das darf nicht zugelassen werden! Das Ruder muss sofort rumgerissen und der richtige Kurs eingeschlagen werden: ein sofortiger, global koordinierter Lockdown verbunden mit Massenimpfungen, einem vollen Lohnersatz und umfassender finanzieller Unterstützung für alle betroffenen Arbeiter, Selbstständigen und armen Haushalte.
Milliardeninvestitionen in Schulen und Kitas! Kein Cent für Banken, Bundeswehr und Polizei!
Die vorübergehenden Schulschließungen können aber nur funktionieren, wenn riesige finanzielle Ressourcen aufgewandt werden, um einen Distanzunterricht auf hohem Niveau und eine engmaschige Betreuung der Schüler, besonders aus Arbeiterfamilien, zu gewährleisten und gleichzeitig die Schulen nach höchsten hygienischen und technischen Standards zu modernisieren.
Nichts dergleichen ist geschehen oder geplant – im Gegenteil. Der Haushalt 2021 sieht Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und Sozialem vor, während Militär und Polizei massiv aufgerüstet werden. Der Etat für Bildung und Forschung sinkt um 70 Millionen Euro auf 20,24 Milliarden Euro, die Verteidigungsausgaben hingegen steigen um weitere 1,3 Milliarden Euro auf nunmehr 46,93 Milliarden Euro.
Zum neuen Schuljahr sind die desolaten Zustände an den Schulen allgegenwärtig. Verfallene Schulgebäude, dreckige Toiletten, zu kleine Räume, kaputte Fenster, kein Breitbandschluss, kein Gesundheitspersonal – wesentliche Hygienestandards und Ausstattung fehlen auch 18 Monate nach Beginn der Pandemie in den allermeisten Schulen. Sogar einfache Hilfsmittel wie Luftfilter, mit denen die Aerosolverbreitung in den Klassenräumen verringert werden könnte, wurden nur in einem Bruchteil der Schulen eingebaut.
Das Umweltbundesamt schätzt, dass 15 bis 25 Prozent der Schulen bundesweit „nicht so belüftet werden, dass Viren durch das Öffnen der Fenster abtransportiert“ werden können. Trotzdem hatte das Amt die Luftreiniger lange für unnötig erklärt.
Allein in Nordrhein-Westfalen werden bis zu 500.000 Schüler in Räumen unterrichtet, die nicht den Gesundheitsvorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) entsprechen. Das hindert die Bildungsministerin von NRW, Yvonne Gebauer (FDP), nicht daran, für den Schulstart in dieser Woche einen „inzidenzunabhängigen“ Präsenzunterricht und eine Aufweichung der Quarantäneregeln anzukündigen. Das Linkspartei-regierte Thüringen plant trotz fehlender Luftfilter die Abschaffung von Maskenpflicht und Coronatests beim Schulstart Anfang September.
Eine große Umverteilung der Ressourcen ist absolut dringend. Allein 998 Millionen Euro fließen für die Anschaffung neuer Kampfjets vom Typ Eurofighter – diese Summe muss umgehend beschlagnahmt und in die Ausstattung der Schulen umgeleitet werden! Wir fordern, dass die „Corona-Rettungspakete“ für Banken und Konzerne zurückgenommen und die Gelder für die Unterstützung der Arbeiterfamilien eingesetzt werden, die unter den sozialen Folgen der Pandemie leiden.
Bildet Aktionskomitees für sichere Bildung
Doch im Kampf gegen die Delta-Gefahr und den Kahlschlag im Bildungswesen stehen Lehrer, Eltern und Schüler nicht nur der Regierung und den etablierten Parteien, sondern auch der Bildungsgewerkschaft GEW gegenüber.
Sie unterstützt seit Beginn der Pandemie den Vorstoß zur vollständigen Wiedereröffnung der Schulen und hat keinen Widerstand gegen die Durchseuchungspolitik mobilisiert. Im Juni erklärte die designierte Vorsitzende der GEW, Maike Finnern, gegenüber dem Spiegel, monatelange Schulschließungen seien „nicht noch einmal vorstellbar“. Finnern spricht nicht für die knapp 280.000 beitragszahlenden Gewerkschaftsmitglieder, sondern für die herrschende Klasse. Wenn Delta durch die Schulen rauscht, steht die GEW treu auf der Seite der Konzerne und Politik.
In allen Phasen der Pandemie haben die Interessen der Finanzelite die Politik bestimmt und Wissenschaft und Forschung geknebelt. Das muss ein Ende haben! Es ist Zeit, dass die Arbeiterklasse selbst aktiv wird, sich einmischt und eine Politik durchsetzt, die Leben rettet, nicht Profite.
Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft alle Lehrer, Erzieher, Schüler und Eltern auf, unabhängig von den pro-kapitalistischen Gewerkschaften und Parteien Aktionskomitees für sichere Bildung in den Schulen und Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze in den Betrieben aufzubauen, um gemeinsam den unsicheren Präsenzunterricht zu stoppen.
Das Virus kennt keine Grenzen, es gefährdet Arbeiter von Berlin bis Moskau, von Neu-Delhi bis New York. Jedes Land wird von denselben sozialen und politischen Konflikten erschüttert. Nur wenn Arbeiter, Lehrer und Schüler ihre Kräfte weltweit vereinen und diesen irrationalen Zuständen des Kapitalismus ein Ende setzen, können sie die Pandemie auf globaler Ebene besiegen.
Für diese kommenden Kämpfe hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale am 1. Mai die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ins Leben gerufen. Sie gibt Arbeitern einen Rahmen, um ihre kollektive Kraft weltweit zu organisieren. In jedem Land müssen Vorbereitungen für einen landesweiten Generalstreik und eine weltweit koordinierte Streikbewegung getroffen werden.
Registriert euch noch heute für den Aufbau eines Aktionskomitees und werdet aktiv bei der SGP!