Weltverband der Internationalen Musikwettbewerbe schließt Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb aus

In der jüngsten Episode der antirussischen Kampagne, die nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor zwei Monaten begann, hat der Weltverband der internationalen Musikwettbewerbe (WFIMC) den weltberühmten Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb ausgeschlossen. Der Tschaikowski-Wettbewerb, der 1958 mit dem Gewinn des Hauptpreises durch den Pianisten Van Cliburn eröffnet wurde, gehört zu den bekanntesten der 120 Wettbewerbe des WFIMC.

Galakonzert der Preisträger des Tschaikowsky-Wettbewerbs, 2019 (Foto: tchaikovskycompetition.com)

Der Tschaikowski-Wettbewerb ist nach dem bekanntesten russischen Komponisten des 19. Jahrhunderts benannt, dessen Name für die Romantik und für die russische Musik im Allgemeinen steht. Er findet alle vier Jahre in Moskau und St. Petersburg (früher Leningrad) statt und sorgte bei seiner ersten Austragung vor 64 Jahren mit dem Triumph des jungen Amerikaners für internationale Schlagzeilen.

Cliburn, der 2013 nach einer beachtlichen Karriere verstarb, gewann 1958 sowohl die Herzen des russischen Publikums als auch das der Juroren. Sein Sieg, nur wenige Jahre nach dem Koreakrieg und der Blütezeit des McCarthyismus in den USA, wurde in den folgenden Jahren mit einer allgemeinen Sehnsucht nach Frieden assoziiert.

Zur gleichen Zeit unternahm der berühmte Dirigent und Komponist Leonard Bernstein mit dem New York Philharmonic Orchestra eine Tournee durch die Sowjetunion. Musik, insbesondere die klassische Musik, wurde als Mittel zur Völkerverständigung angesehen.

Zu den Tschaikowski-Veranstaltungen gehören Wettbewerbe für Violine, Cello und Gesang, und beim letzten Wettbewerb 2019 waren auch Blechblasinstrumente Teil des Programms. Der Schwerpunkt allerdings liegt auf dem Klavier. Zu den Gewinnern des ersten Preises gehörten im Laufe der Jahre prominente Musiker wie Wladimir Aschkenazy, Grigori Sokolow, Andrei Gawrilow, Mikhail Pletnew, Boris Beresowski, Denis Matsuew, Daniil Trifonow und Barry Douglas (1986, der erste nicht-russische Pianist, der den Hauptpreis seit Cliburn gewann). Zu den Geigern, die mit dem Preis ausgezeichnet wurden, gehören Gidon Kremer, Wladimir Spiwakow und Viktoria Mullova.

Der WFIMC sah sich in einer Erklärung, die im Namen seines Präsidenten und Generalsekretärs herausgegeben wurde, gezwungen, die Bedeutung des Tschaikowski-Wettbewerbs anzuerkennen, trotz seines leicht defensiven Versuchs, seine Entscheidung zu rechtfertigen.

„Viele Preisträger des Tschaikowski-Wettbewerbs gehören zu den führenden Künstlern der heutigen Zeit“, räumte der WFIMC ein. „Angesichts des brutalen Krieges und der humanitären Gräueltaten, die Russland in der Ukraine verübt, kann der WFIMC als unpolitische Organisation keinen Wettbewerb unterstützen oder als Mitglied haben, der vom russischen Regime finanziert und als Werbeinstrument genutzt wird.“

Während diese angeblich „unpolitische“ Organisation sich in den Stellvertreterkrieg der USA und der Nato gegen Russland einreiht, erwähnt sie mit keinem Wort, dass Putins reaktionärer Angriff über Jahrzehnte durch unablässige Provokationen seitens des US-Imperialismus angestiftet wurde. Dazu zählt die stetige Ausweitung der Nato, deren vorgebliche Existenzberechtigung mit dem Ende des Kalten Krieges weggefallen war. Auch die Bildung eines Nato-freundlichen Regimes nach einem rechten, von den USA unterstützten Putsch in der Ukraine 2014 wird mit keinem Wort erwähnt.

Die heuchlerische Erklärung des WFIMC versucht auch nicht, den Ausschluss eines in Russland ansässigen Mitglieds zu rechtfertigen, während dies für die vielen Mitgliedsorganisationen in den USA nicht gilt, obwohl die USA in den letzten Jahren unprovozierte Angriffskriege gegen den Irak, Afghanistan, Serbien, Libyen und andere Länder geführt haben.

Bekanntgabe der Ergebnisse der 3. Runde der Vorspiele in der Kategorie Klavier, 2019 (Foto credit-tchaikovskycompetition.com)

Natürlich sollten weder russische noch amerikanische Künstler aufgrund der Handlungen ihrer Regierungen oder selbst – außer unter den extremsten Umständen wie im Fall des Holocaust – aufgrund ihrer eigenen politischen Ansichten verboten werden. Heute jedoch ist das Verbot von Künstlern Teil von Bemühungen, Nationalismus zu schüren, und es erhöht die Gefahr eines dritten Weltkriegs. Gleichzeitig hat Wladimir Putin die Angriffe auf russische Künstler zum Anlass genommen, den reaktionären russischen Nationalismus zu schüren.

Das Vorgehen gegen den Tschaikowski-Wettbewerb ist Teil einer Kampagne, die das Ziel hat, Russland im Rahmen des in London, Berlin, Paris und vor allem Washington orchestrierten Kriegsfiebers zu dämonisieren. Sie reiht sich ein in die Bemühungen, die internationalen Karrieren des russischen Dirigenten Valery Gergiev und der Sopranistin Anna Netrebko zu schädigen oder zu zerstören, sowie in weniger prominente, aber nicht weniger schwerwiegende Angriffe auf jüngere Künstler, wie die Absage einer Reihe von Konzerten des russischen Pianisten Alexander Malofejew und die Entscheidung des Sibelius-Violinwettbewerbs, russische Teilnehmer von der diesjährigen Veranstaltung auszuschließen.

Immer mehr Musiker und Künstler sprechen sich gegen die Versuche aus, russische Künstler auszuschließen. Erst kürzlich wurde die Honens International Piano Competition in Calgary, Kanada, gezwungen, ihren Versuch, sechs junge russische Pianisten auszuschließen, zurückzunehmen, nachdem die Entscheidung in den sozialen Medien und unter anderem von dem bekannten Pianisten Kirill Gerstein verurteilt worden war.

In der Erklärung des WFIMC, mit der offenbar versucht wird, diese Kritik abzuwehren, wird die widersprüchliche Behauptung aufgestellt, dass der WFIMC „seine frühere Erklärung gegen pauschale Sanktionen gegen alle Russen und gegen die Diskriminierung und den Ausschluss einzelner Künstler aufgrund ihrer Nationalität bekräftigt.“ Aber natürlich schließt das Vorgehen gegen den Tschaikowsky-Wettbewerb Künstler aufgrund ihrer Nationalität aus.

Die Erklärung schließt mit den Worten: „Gerade in Kriegszeiten halten wir es für unerlässlich, den Dialog mit denjenigen aufrechtzuerhalten, die uns vertrauen und die unsere Werte teilen, so wie wir ihnen vertrauen.“ Das heuchlerische Lob des „Dialogs“ beschränkt sich auf „diejenigen ..., die unsere Werte teilen“ – mit anderen Worten, sie bedeuten den Boykott derjenigen, die es vielleicht nicht tun, und aller, die sich auf den nächsten Tschaikowski-Wettbewerb vorbereitet haben.

Die Ankündigung des WFIMC vergangene Woche macht deutlich, dass der Stellvertreterkrieg der USA und der Nato gegen Russland das Ende einer Ära bedeutet. Die Auswirkungen des Krieges auf das internationale Kulturgeschehen erinnern an die Zeit vor dem ersten Tschaikowski-Wettbewerb im Jahr 1958.

Das Kriegsfieber, das heute geschürt wird, hat es seit mindestens 70 Jahren nicht mehr gegeben. Selbst während der Kuba-Krise und in den Tagen, als Ronald Reagan gegen das „böse Imperium“ wetterte, war der internationale Kulturaustausch kaum oder gar nicht betroffen. Die alleinige Fokussierung des WFIMC und ähnlicher Einrichtungen auf Putin und die Invasion in der Ukraine, völlig losgelöst von ihrer Geschichte, ist eine Solidaritätsbekundung mit der US-Nato-Aggression.

Die privilegierte soziale Schicht, die die Vorstände zahlreicher musikalischer Spitzenverbände und Musikwettbewerbe in Europa und Nordamerika dominiert, befürwortet die Kriegstreiberei. Das Gleiche gilt nicht für die jungen Musiker und Künstler, die keinen Grund haben, Krieg zu unterstützen.

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