Hunderte Dozenten verurteilen Polizeiterror an Berliner Universitäten

In den letzten Tagen ereigneten sich auf deutschen Universitäts-Campi Szenen brutaler Polizeigewalt.

Brutaler Polizeieinsatz an der FU [AP Photo/Markus Schreiber]

Am Freitag vor einer Woche löste die Polizei an der Humboldt-Universität Berlin in Absprache mit der Universitätsleitung ein friedliches Sit-In gewaltsam auf und leitete 37 Ermittlungsverfahren ein. Am vergangenen Dienstag besetzte die Berliner Polizei auf Anweisung der Uni-Leitung die Freie Universität Berlin, um ein friedliches Palästina-Camp aufzulösen. 79 Personen wurden festgenommen und 80 Strafermittlungsverfahren eingeleitet. In den folgenden Tagen wurden noch Palästina-Camps an den Universitäten Leipzig (mehr als 30 Strafverfahren) und Bremen polizeilich aufgelöst.

Die herrschende Klasse Deutschlands knüpft wieder an die Methoden der Nazis an: Polizeiterror, Niederschlagung von friedlichen Protesten und Belagerung von Universitäten. Sie verleumdet, zensiert und unterdrückt jede Kritik an ihrer völkermörderischen Außenpolitik.

In dieser Situation haben hunderte Berliner Dozenten einen offenen Brief veröffentlicht, der die brutalen Polizeieinsätze verurteilt. Sie schreiben, ihr Selbstverständnis als Lehrende der Berliner Hochschulen verpflichte sie dazu, ihre „Studierenden auf Augenhöhe zu begleiten, aber auch zu schützen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern“.

Angesichts der „Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza“, sollte die „Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkreten Forderungen teilen“, heißt es weiter in dem offenen Brief. Das Recht auf friedlichen Protest schließe auch die Besetzung des Uni-Geländes mit ein.

Die Universitätsleitung habe die Pflicht, „solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben“. Diese Pflicht habe „das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen ließ“.

Der Brief endet mit einer Forderung an die Berliner Universitätsleitungen, „von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“.

Der Brief erhielt schnell breite Unterstützung. Bis Montag unterzeichneten 374 Dozenten aus Berlin und über 950 weitere Dozenten aus ganz Deutschland und anderen Ländern den offenen Brief. Unter den Unterzeichnern befinden sich u.a. der mittlerweile emeritierte Humboldt-Historiker Prof. Michael Wildt, Ulrike Freitag, Leiterin des Leibnitz-Zentrums Moderner Orient, Florian Zemmin, Direktor des Instituts für Islamwissenschaft der Humboldt-Universität, die Philosophin Rahel Jaeggi und der Soziologe Linus Westheuser.

Gleichzeitig haben auch zahlreiche Studierendenorganisationen das polizeiliche Vorgehen verurteilt. Der AStA der FU Berlin veröffentlichte noch am Tag des Einsatzes ein Statement, das „das repressive und eskalierende Vorgehen der Universität gegen ihre eigenen Studierenden“ scharf verurteilt und das Präsidium der FU zum sofortigen Rücktritt auffordert. Eine Petition, die den Rücktritt des FU-Präsidenten Günter Zieglers fordert, erhielt innerhalb weniger Tagen über 2000 Unterschriften.

Der offene Brief der Berliner Dozierenden ist Ausdruck einer wachsenden Opposition unter Akademikern gegen den Völkermord in Gaza und die Verwandlung der Universitäten in militärische Kaderschmieden. Von den USA ausgehend haben sich pro-palästinensische Protestcamps in ganz Europa ausgebreitet. In den letzten Tagen entstanden Camps an Universitäten in fünfzehn verschiedenen europäischen Ländern. In vielen Ländern unterstützen auch Dozenten und akademische Mitarbeiter die Proteste.

Politiker und Medien reagierten hysterisch und aggressiv auf den Brief der Berliner Dozenten. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte gegenüber der Bild-Zeitung, das Statement mache sie „fassunglos“. Die „Uni-Besetzer“ würden „zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“. „Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, ist eine neue Qualität.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte Bild, er habe „überhaupt kein Verständnis“ für den offenen Brief. „Antisemitismus und Israelhass“ seien „keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten“.

Die CSU-Innenpolitikerin und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Andrea Lindholz ging so weit, den Brief als „Tiefpunkt für die deutsche Wissenschaft“ zu bezeichnen. Sie habe kein Verständnis dafür, „wenn Professoren und Dozenten einen Mob von Antisemiten und Israelhassern verteidigen“.

Seinen Höhepunkt fand die Hetzkampagne gegen die Dozenten in einem Artikel der Bild-Zeitung. Unter dem Titel „Die Universitäter – Israel-Hass an Berliner Unis, Lehrkräfte unterstützen den Studenten-Mob“ veröffentlichte das Boulevardblatt aus dem Hause Springer die Namen und Porträts von zwölf der Unterzeichner. Die Online-Ausgabe publizierte eine vollständige Liste alle Berliner Unterzeichner.

Die Hetze verfolgt ein reaktionäres und durchschaubares Ziel: Die Professoren werden öffentlich an den Pranger gestellt, um einen rechten Mob gegen sie aufzuhetzen, jede Opposition gegen den Genozid einzuschüchtern und die Unterdrückung von Protesten weiter zu verschärfen.

Der Artikel erinnert an die Hetzkampagne der Springer-Presse gegen Rudi Dutschke und andere Studentenführer auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung. Im Februar 1968 veröffentlichte Bild einen Artikel unter dem Titel „Stoppt den Terror der Jungroten jetzt!“ Wenige Wochen später schoss der Rechtsextremist Josef Bachmann, aufgehetzt durch den Artikel, mit einer Schusswaffe drei Mal auf Dutschke. Dieser überlebte schwer verletzt, verstarb aber Jahre später an den Folgen des Attentats.

Die Hetze von Politik und Medien, das Schüren einer Pogromstimmung gegen Professoren, die ihre Studierenden gegen brutale Polizeigewalt in Schutz nehmen und die Meinungsfreiheit verteidigen, macht deutlich: Es ist nicht möglich, die Herrschenden durch Druck zu einer anderen Politik zu bewegen. Je größer die Opposition gegen die imperialistische Kriegspolitik wird, desto aggressiver schlägt die Regierung um sich. Jeden, der ihre Politik ablehnt, erklären sie zum Freiwild für rechtsextreme Schläger und Polizisten.

Die Opposition an den Universitäten ist bedeutsam. Die protestierenden Studierenden und die Dozierenden, die sie verteidigen, beweisen angesichts der massiven Repressionen großen Mut. Doch der Erfolg dieser Bewegung hängt davon ab, dass sie sich auf die Arbeiterklasse ausweitet und mit einer klaren internationalen sozialistischen Perspektive bewaffnet wird. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE.

In einem Leitartikel der WSWS heißt es:

Die Arbeiterklasse ist mit ihrer Arbeit die Quelle allen Reichtums, sie ist durch die globale Produktion über nationale Grenzen hinweg vereint, und ihre Interessen laufen dem imperialistischen Krieg diametral zuwider. Die Arbeiterklasse ist die mächtigste gesellschaftliche Kraft der Welt. Sie muss, im Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung, in die Lage versetzt werden, die Kriege zu beenden. Die herrschende Klasse fürchtet die Studierendenproteste, weil sie weiß, dass sie die Arbeiterklasse aufrütteln können

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