Conti/Vitesco in Bebra und Mühlhausen: Der Ausverkauf der IG Metall

Ende Juli gab die IG Metall bekannt, dass ihre Mitglieder bei Continental/Vitesco in Bebra und Mühlhausen in einer Urabstimmung den vorgelegten Sozialtarifvertrag „mit überwältigender Mehrheit“ angenommen hätten. Der Ausverkauf ist ein Lehrstück über die Art und Weise, wie die Gewerkschaft die Metallarbeiter unter Druck setzt, um Werk für Werk die beschlossenen Massenentlassungen durchzusetzen.

24-stündiger Warnstreik bei Continental Karben am 15. April 2021

Continental ist der viertgrößte Autozulieferer der Welt. Im Zuge seiner Umrüstung auf E-Mobilität hat der Konzern vor knapp zwei Jahren sein Programm „Transformation 2019–2029“ vorgelegt. Es sieht vor, weltweit 30.000 Arbeitsplätze zu zerstören und mehrere Werke zu schließen, um die Profite der steinreichen Oligarchenfamilie Schaeffler und der Conti-Aktionäre zu steigern. In diesem Rahmen sind die Arbeiter in Bebra (Nordhessen) und Mühlhausen (Thüringen), die zu Vitesco Technologies gehören, mit der Schließung des Standorts Mühlhausen und mit mehreren hundert Stellenstreichungen konfrontiert.

Fast 92 Prozent der Belegschaft von Bebra und Mühlhausen haben am 15. Juli für einen unbefristeten Streik gestimmt. In Mühlhausen hatten sie schon im Januar versucht, den Abtransport von Maschinen durch eine Werksblockade zu verhindern. An beiden Standorten waren die Arbeiter bereit, für die Arbeitsplätze zu kämpfen und die Zerstörung der Lebensgrundlage ihrer Familien und der nachfolgenden Generationen zu verhindern. Aber die IG Metall weigerte sich, den beschlossenen Arbeitskampf zu führen.

Die Gewerkschaft spielt bei der Umsetzung des Stellenmassakers bei Continental eine entscheidende Rolle. Ihr obliegt es, die Standorte systematisch voneinander zu isolieren und einen gemeinsamen Kampf mehrerer Standorte zu unterbinden, um der Gefahr einer Kettenreaktion und eines Flächenbrands in der gesamten Autoindustrie vorzubeugen. Zu diesem Zweck setzt die IG Metall die Arbeiter in getrennten Teilbetriebsversammlungen unter Druck und erpresst sie mit der angeblichen „Alternativlosigkeit“ der Maßnahmen.

In Bebra und Mühlhausen hat die IG Metall behauptet, es sei ihr aufgrund der Gesetzeslage nicht möglich gewesen, um die Arbeitsplätze zu kämpfen: „Auf Grund der unzureichenden gesetzlichen Regelungen zur Mitbestimmung konnten wir die falsche unternehmerische Entscheidung (…) nicht verhindern.“

Das ist offensichtlich eine feige Lüge. Zahlreiche IG Metall- und IG BCE-Funktionäre sitzen neben der zweiten IGM-Vorsitzenden Christiane Benner im Continental-Aufsichtsrat, kassieren fette Tantiemen und wissen seit zwei Jahren über die bevorstehenden Entlassungen genau Bescheid, ohne dass sie jemals den Versuch eines prinzipiellen Arbeitskampfs unternommen hätten.

In Wirklichkeit stimmen die Gewerkschaftsfunktionäre mit dem Management darin überein, dass die Liquidierung der Arbeitsplätze wirtschaftlich „notwendig“ sei. Ihre altbekannte Art der Verhandlungsführung um Sozialtarifverträge mit Abfindungen, Altersteilzeit, Lohnverzicht und Transfergesellschaften etc. dient seit langem nicht mehr der Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern ihrer Vernichtung. Auf diese Art setzt die IG Metall an einem Standort nach dem andern die Schließung, bzw. Umstrukturierung mit tausenden Stellenstreichungen durch. Vor Bebra/Mühlhausen wurde bei Conti so schon in Aachen, Babenhausen, Rheinböllen und Karben die Werkschließung beschlossen.

In Bebra/Mühlhausen brüstet sich die IG Metall in ihrer Erklärung vom 30. Juli, dass das Werk nicht schon im nächsten Jahr, sondern erst 2024 geschlossen werde. Dadurch verschiebe sich „für die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten der Gang zur Arbeitsagentur“. Die Funktionäre wissen genau, was die Werkschließung für die Bevölkerung dieser strukturschwachen Region bedeutet. Deshalb zünden sie Nebelkerzen, indem sie versprechen, „alles für eine industrielle Nachnutzung in den nächsten drei Jahren zu unternehmen“, und versprechen: „Das Licht für den Industriestandort Mühlhausen ist noch nicht aus.“

Die IG Metall behauptet, dass in der Urabstimmung über 97 Prozent ihrer Mitglieder dem Sozialtarifvertrag zugestimmt hätten. Das ist überhaupt kein Ruhmesblatt: Es ist Ausdruck einer Kapitulation und Demoralisierung, für die sie die volle Verantwortung trägt. Die Arbeitsplatzvernichtung verschärft den sozialen Niedergang und treibt immer mehr Familien in Armut und Not, während die Zahl der Superreichen und Milliardäre zunimmt. Unter Bedingungen, wo der Widerstand der Arbeiterklasse gelähmt wird, profitiert davon nur die AfD.

Das Beispiel zeigt deutlich, dass es an der Zeit ist, der IG Metall entgegenzutreten. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und die World Socialist Web Site rufen alle Arbeiter auf, den Kampf um die Arbeitsplätze selbst in die Hand zu nehmen und eigene Aktionskomitees aufzubauen, die unabhängig von IG Metall und Betriebsrat agieren, von den Arbeitern selbst kontrolliert werden und nur ihnen gegenüber verantwortlich sind.

Überall sind Arbeiter mit denselben Angriffen und Problemen konfrontiert. Das Arbeitsplatzmassaker bei Continental ist Bestandteil einer internationalen Offensive der Konzerne, die sich mit der Corona-Pandemie weiter verschärft hat. Allein in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie stehen mehrere hunderttausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, und der Widerstand dagegen wächst, was zeigt, dass die Conti-Arbeiter nicht allein dastehen. Mehr und mehr nimmt der Kampf gegen Lohnraub und Arbeitsplatzabbau internationale Dimensionen an.

In den USA haben die Arbeiter von Volvo Trucks, dem viertgrößten Lastwagenhersteller der Welt, in Dublin (Virginia) ein Aktionskomitee aufgebaut, das bewirken konnte, dass die 3.000-köpfige Belegschaft einen schlechten Tarifvertrag viermal entschieden niederstimmte. Der fünf Wochen lange Streik fand zuletzt sogar unter Volvo-Arbeitern im belgischen Gent Unterstützung. Vor allem hat das Volvo Workers Rank-and-File Committee, das Aktionskomitee der Volvo-Trucks-Arbeiter, vorgemacht, wie der Kampf gegen die UAW, das amerikanische Gegenstück der IG Metall, geführt werden muss. Das Komitee hat Verbindungen zu anderen Werken in den USA und weltweit hergestellt und damit eine klare strategische Alternative zur gemeinsamen Front aus Unternehmen und Gewerkschaft aufgezeigt.

Wir laden alle Conti-Arbeiter ein, Kontakt zur Sozialistischen Gleichheitspartei aufzunehmen und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees mit aufzubauen. Wir werden sie beim Aufbau eines Aktionskomitees bei Conti und dem Knüpfen internationaler Kontakte aktiv unterstützen.

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